Hauptbild
Blick auf Salzbrug. Foto: Hufner
100 Jahre Salzburger Festspiele im Zeichen von Corona. Foto: Hufner
Hauptrubrik
Banner Full-Size

«Covid fan tutte?» - Salzburger Festspiele in Pandemie-Zeiten [update, 17:30]

Publikationsdatum
Body

Salzburg - In prekären Zeiten feiern die Salzburger Festspiele mit einem verkürzten und modifizierten Programm ihr 100-jähriges Bestehen. Strenge Hygieneregeln sollen dafür sorgen, dass Corona nicht die Hauptrolle spielt.

Viele Wochen hatte das Management der Salzburger Festspiele gezögert. Eine Absage ausgerechnet der diesjährigen Jubiläumsaison wäre eine Katastrophe gewesen. Dann kam Ende Mai die erlösende Nachricht: Das bedeutendste Musik- und Theaterfestival der Welt, das dieses Jahr sein hundertjähriges Bestehen feiert, wird trotz Corona-Pandemie über die Bühne gehen, wenn auch verkürzt und modifiziert. Und damit aus den Festspielen nicht das «Ischgl der Kultur» wird - der rummelige Tiroler Skiort gilt als ein Epizentrum der Pandemie in Europa - haben die Festspiele zusammen mit Fachleuten ein ausgefeiltes Hygienekonzept erarbeitet mit personalisierten Eintrittskarten, Besucherlenkung und «Gesundheitstagebuch» für Künstler.

Im Zentrum des auf August (1.-30.8.) beschränkten Spielplans steht einmal mehr der «Jedermann». Schließlich wurden mit Hugo von Hofmannsthals «Spiel vom Sterben des reichen Mannes» im Jahre 1920 die ersten Salzburger Festspiele bestritten. Kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges sollte das Festival, so formulierten es die Gründerväter Hofmannsthal, Max Reinhardt und Richard Strauss, eine Friedensbotschaft aussenden und dem vom mächtigen Vielvölkerimperium zum alpinen Kleinstaat geschrumpften Österreich zu einer neuen Identität als Kulturnation verhelfen. Ein wenig wollte man auch Gegenpol sein zu den «preußischen» Richard Wagner-Festspielen in Bayreuth: vielfältiger, offener, nicht nur einem einzigen Genius huldigend. Und eine ganze Stadt als Bühne!

Im Verlaufe eines Jahrhunderts ist aus dem einst recht intimen musikalisch-theatralischen Veranstaltungsreigen ein «Global Player» der Kulturindustrie geworden, auch wenn man dieses Wort im auf Exklusivität und höchsten künstlerischen Anspruch bedachten Salzburg nicht gerne hören möchte. In den vergangenen Jahren eilten die Festspiele ökonomisch von Rekord zu Rekord. 2019 wurden mehr als 270 000 Karten verkauft, bei einer Platzauslastung von sagenhaften 97 Prozent. Dass die Festspiele auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sind, bekam die Stadt in der Corona-Krise zu spüren, der die Oster- und Pfingstfestspiele zum Opfer fielen.

Wie jeweils die künstlerische Bilanz ausfällt, ist ein Stück weit Einschätzungssache. Auf jeden Fall ist es sehr schwer geworden, unter Hunderten von Musikfestivals in Europa und weltweit den Alleinstellungsanspruch «Von allem das Beste» für sich zu reklamieren oder mit einer «Salzburger Dramaturgie» Maßstäbe zu setzen, zumal die großen, charismatischen Persönlichkeiten, die einst den Festspiele ihr unverkennbares Gesicht gaben, rar geworden sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Herbert von Karajan (1908-1989) der unangefochtene Übervater der Festspiele. Er machte Salzburg zum Mekka der Tonträgerindustrie und sorgte für unvergessliche Aufführungen von Opern Wolfgang Amadeus Mozarts, von Richard Strauss und Giuseppe Verdi. Solch illustre Mozart-Ensembles wie in den 70er Jahren mit Künstlern wie Christa Ludwig, Brigitte Fassbaender, Peter Schreier, Hermann Prey und Dietrich Fischer-Dieskau sind heute nur noch schwer aufzutreiben. Doch macht Salzburg immer noch mit Entdeckungen auf sich aufmerksam: Die russische Diva Anna Netrebko und zuletzt die litauische Sopranistin Asmik Grigorian als Salome in der gleichnamigen Strauss-Oper, inszeniert von Romeo Castellucci, begründeten an der Salzach ihren Weltruhm.

Nach Karajan sorgte der belgische Theatermanager Gerard Mortier (1943-2014) im Jahre 1991 für einen zunächst umstrittenen Neuanfang. Er verjüngte das Publikum und stellte den allbekannten Repertoire-Hits auch weniger bekannte Werke und Modernes gegenüber. Das unter Karajan in Salzburg ausgiebig zelebrierte Blingbling der Schönen und Reichen trat ein wenig in den Hintergrund, um unter Mortiers Nachfolgern Peter Ruzicka und Jürgen Flimm, vor allem aber unter dem auf Prestige bedachten Intendanten Alexander Pereira wieder zurückzukehren. Seit 2016 hat Markus Hinterhäuser, der einst für Mortier eine Schiene für zeitgenössische Musik schuf, die Zügel in der Hand und versucht, einen Mittelweg zu gehen zwischen gesellschaftlichem Event, ökonomischem Erfolg und künstlerischer Exzeptionalität.

In diesem besonderen Jahr, das ein wenig an die prekären Umstände der Anfangszeit nach dem großen Krieg erinnert, ist dies eine ganz besondere Herausforderung. Nur zwei Opern stehen auf dem Programm, «Elektra» von Strauss und «Così fan tutte» von Mozart. Die Theatersparte präsentiert neben dem «Jedermann» eine mit Spannung erwartete Uraufführung von Literaturnobelpreisträger Peter Handke, und der Pianist Igor Levit wird einen Zyklus aller Beethoven-Klaviersonaten spielen, der Salzburger Beitrag zum arg gerupften Beethovenjahr. Von «Covid fan tutte» will Hinterhäuser nichts wissen. Doch dies ist zunächst eine Hoffnung.

 

[update, 17:30]

Salzburger Festspiele: «Müssen lernen, mit dem Virus umzugehen»

Salzburg (dpa) - Die Salzburger Festspiele können aus Sicht ihres Intendanten Markus Hinterhäuser einen Weg zu einer Art Normalität für kulturelle Veranstaltungen in der Corona-Krise aufzeigen. «Wir werden noch wirklich eine lange Zeit mit diesem Virus leben müssen», sagte Hinterhäuser am Mittwoch in einer Video-Pressekonferenz des Senders Arte. «Wir müssen lernen damit umzugehen, sonst können wir die nächsten Jahre wirklich vergessen», betonte er. «Künstler brauchen Publikum, Künstler brauchen Auftritte. Das ist das, was wir im Moment versuchen möglich zu machen.»

Alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen für Künstler, Mitarbeiter und Publikum getroffen worden, so Hinterhäuser. «Das was hier im Haus passiert, ist wirklich so durchdacht, das kann nicht strenger sein.»

Die berühmten Klassik-Festspiele finden im Jahr ihres 100. Jubiläums als eines der wenigen Festivals in Europa statt, wenn auch in deutlich abgespeckter Form und nur vom 1. bis zum 30. August. Mit Fachleuten wurde ein Hygienekonzept mit personalisierten Eintrittskarten, Besucherlenkung und «Gesundheitstagebuch» für die Künstler erarbeitet.

Schauspieler Tobias Moretti, der in diesem Jahr die Titelrolle des traditionellen Salzburg-Stücks «Jedermann» spielt, beschrieb ein mulmiges Gefühl unter seinen Kollegen. «Ich glaube, dass wir uns alle bewusst sind, dass wir auf dünnem Eis gehen. Es kann alles jeden Moment anders sein», sagte er über die Lage der Künstler in der Corona-Krise. «Es ist so ein bisschen wie am Abend vor der Front.»

Der Sender Arte spielt in diesem Jahr erstmals jeden Abend Übertragungen aus Salzburg auf seiner Streaming-Plattform Arte Concert aus, beginnend mit der Oper «Elektra» von Richard Strauss am 1. August. Unter dem Motto «Salzburg für Jedermann» soll insgesamt ein Drittel des Festival-Programms anschließend für 30 Tage online verfügbar sein. Auch im Fernsehen laufen auf Arte mehrere Höhepunkte nebst Begleitprogramm. Den Auftakt macht dort am 2. August die Dokumentation «Das große Welttheater - Salzburg und seine Festspiele» über die 100-jährige Geschichte des Festivals gefolgt von einer Live-Übertragung der Mozart-Oper «Così fan tutte».

Ort