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Deutsche Kammerphilharmonie Bremen bekommt Rheingau Musik Preis. Foto: Hufner
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Der gute Ton - Firmen-Orchester beflügeln Teamgeist und Motivation

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Darmstadt/Künzelsau - Musik verbindet. In so manchem Unternehmen schließen sich Arbeitnehmer in ihrer Freizeit zu Orchestern zusammen. Das Pharmaunternehmen Merck und der Schraubenspezialist Würth gehen sogar noch einige Schritte weiter.

Das Konzertjahr der Deutschen Philharmonie Merck beginnt für ihren Chef-Dirigenten Ben Palmer gleich mit einem Höhepunkt: Beim Benefizkonzert zum neuen Jahr (20. Januar) setzen die Musiker ihren Gustav-Mahler-Zyklus mit der 7. Symphonie fort. Der 36 Jahre alte Brite verehrt Mahler ganz besonders, und das Wiesbadener Kurhaus, in dem das Orchester spielen wird, ist sein Lieblingskonzerthaus. Verwundert ist Palmer dagegen, dass er vom Publikum immer wieder gefragt wird: «Und Sie sind alle Chemiker?» Denn keiner der Profimusiker ist in dem in Darmstadt ansässigen ältesten Pharma- und Chemiekonzern der Welt beschäftigt. Eine Besonderheit.

«Neben der Philharmonie Merck sind auch die Würth Philharmoniker ein professionelles Sinfonieorchester, das hauptsächlich von einem Unternehmen finanziert wird und dieses auch im Namen trägt», sagt Stephan Schulmeistrat vom Deutschen Musikrat in Bonn.

Der Normalfall sieht anders aus als bei Merck und Würth, dem nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei Montage- und Befestigungsmaterial. Wie beim Stuttgarter Autozulieferer Bosch und beim Walldorfer Softwareunternehmen SAP oder der Fluggesellschaft Lufthansa sind die Streicher und Bläser in den Firmen-Orchestern meist Arbeitnehmer und oft Musik-Amateure. Wie viele solcher Freizeit-Gruppen es gibt, weiß aber niemand.

In den 1960er Jahren habe es viele Werksorchester gegeben, inzwischen seien es deutlich weniger, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV), Gerald Mertens, in Berlin. Wie viele Ensembles es sind, sei jedoch unklar, denn viele spielten nur im Unternehmen. Klar ist jedoch: Das Renommee dieser Firmen in der Öffentlichkeit und intern steigt.

«Die musikalischen Aktivitäten sind kulturelles Aushängeschild und dienen der Motivation der Mitarbeiter und ihrer Identifikation mit dem Unternehmen», sagt Bosch-Sprecher Michael Kattau. Die Musiker seien auch Brückenbauer und Botschafter bei Konzerten im Ausland, etwa im «mexikanischen Jahr» 2017.

Das gemeinsame Musizieren hat bei dem Stuttgarter Autozulieferer Tradition: Seit 1934 gibt es ein Orchester und einen Chor. Heute ist das Spektrum groß und vielfältig, reicht von einer Dixieland-Formation über einen Jazzchor und zwei Rockbands bis zu einer Trommelgruppe. Die Erlöse aus den Eintritten zu den Konzerten werden in soziale Projekte an den Bosch-Standorten investiert.

In der Musik sind alle gleich - der Mann in der Produktion wie der Direktor. «Die Musiker sind auf Augenhöhe, Berührungsängste werden abgebaut», erläutert Bosch-Mann Kattau. Die kurzen Wege erleichterten auch das Netzwerken zwischen verschiedenen Ebenen in der Firma. Bei Bosch ist nur der Dirigent des Orchesters ein Profi und wird bezahlt.

Ähnlich wie beim Softwareunternehmen SAP. Dort ist die Dirigentin und Geschäftsführerin des Sinfonieorchesters, Johanna Weitkamp, ein Profi. Externe Musiker werden vor allem zum Anleiten oder Unterrichten der Amateure hinzugezogen. Auf die Informatikerin Weitkamp geht das gesamte musikalische Engagement von SAP zurück. Alles fing vor 21 Jahren mit ihrer Nachricht auf dem Online-Bulletin-Board des Unternehmens an: «Spielt hier jemand ein Instrument?»

Weitkamp erhielt 25 Antworten von Kollegen - die Keimzelle des Orchesters mit heute je nach Besetzung 60 bis 90 Musikern, darunter auch Angehörige von Mitarbeitern und Freizeitmusiker aus der Umgebung, und insgesamt mehr als 400 regionalen und überregionalen Konzerten. Von den Einnahmen profitieren soziale Organisationen. Jedes Jahr genießen 12 000 Besucher das alle Genres und Musikrichtungen umfassende Programm unter dem Motto «Making the world sound better».

Für Weitkamp ist es nicht verwunderlich ist, dass viele Menschen mit mathematischem oder technischem Hintergrund musikalisch sind: «Man braucht ein hohes Maß an abstraktem Denken, um zu verstehen, wie Musik funktioniert, und ich denke, es gibt eine Verbindung, dass man gerade in diesem Bereich so viele Menschen findet, die Geige, Oboe, Fagott, Klarinette, Flöte oder Horn spielen können.» Die Verbindung zwischen dem Orchester und SAP sieht Weitkamp in ähnlichen Werten wie Innovationsfreude, Teamgeist und Neugierde.

Die Lufthansa AG hat seit 2011 ein Symphonisches Orchester, in dem 65 Beschäftigte des Konzerns aus verschiedenen Sparten und von unterschiedlichen Standorten spielen. Sie haben in der Regel eine professionelle Vergangenheit, also etwa Musik studiert oder bereits in anderen Orchestern gespielt, wie ein Sprecher der Fluglinie in Frankfurt sagt. Im Frühjahr und Herbst kommen sie in der Regel zu einem Konzert zusammen, zudem zu besonderen Anlässen. Musiziert und geprobt wird in der Freizeit der Beschäftigten.

Die Deutsche Philharmonie Merck begann in den 1960er Jahren auch als Werksorchester, entwickelte sich aber nach und nach zu einer Profitruppe. Der letzte Schritt von der Kammerphilharmonie zum heutigen Orchester sei kurz nach der Jahrtausendwende vollzogen worden, sagt Intendant Stefan Reinhardt. Viele der - je nach Konzert - 18 bis 100 freiberuflichen Musiker spielten sonst unter anderem bei den Staatsorchestern in Mainz, Wiesbaden oder Darmstadt. «Wir sind stolz auf die Geschichte des Orchesters, aber kein Mitarbeiter-Orchester», sagt Chefdirigent Palmer. Bei jedem Projekt seien ein paar neue Musiker dabei, «aber das Herz und die Qualität sind immer da». Reinhardt formuliert es so: «Es gibt viele große Orchester auf dieser Welt, aber wir haben einen besonderen Spirit.»

Die Deutsche Philharmonie Merck sei ein Projekt-Orchester, sagt Mertens. Da es immer nur wenig Zeit für die Proben habe, müssten die Musiker sehr professionell spielen. Mertens sieht das Orchester auch als Marketing-Instrument für den Konzern, es gehe auch darum, an den Standorten mit einer eigenen Kultureinrichtung präsent zu sein.

Die erst 2017 gegründeten Würth Philharmoniker waren von Anfang an Profis. «Mit dem Carmen Würth Forum hat die Würth-Gruppe ihrem Orchester 2017 in Künzelsau sogar ein eigenes Konzerthaus errichtet», sagt Schulmeistrat. Würth wolle vor allem an seinem Standort im baden-württembergischen Hohenlohekreis mit rund 15 000 Einwohnern eigene Kultur produzieren, sagt Mertens zur Motivation und spricht von «einem eher altruistischen Aspekt».

16 Konzerte gab es in der ersten Saison am Standort, dazu kamen noch andere Konzerthäuser. International renommierte Dirigenten und Solisten wie Justus Frantz, Anna Netrebko und Rolando Villazón traten bereits auf. Vom neuen Jahr an arbeitet Claudio Vandelli als «Artistic Consultant für das Orchester», ein Jahr später wird er Chefdirigent. Der gebürtige Mailänder stand schon am Pult von weltweit führenden Orchestern wie dem Royal Philharmonic Orchestera London oder dem Staatlichen Symphonieorchester Moskau.

Die Deutsche Philharmonie Merck wird von dem 350 Jahre alten Familienunternehmen und der Familie selbst unterstützt. Wie viel Geld sie für das Orchester ausgeben, veröffentlichen sie aber nicht. Frank Stangenberg-Haverkamp und Johannes Baillou - die obersten Repräsentanten der Unternehmerfamilie Merck - seien bei vielen Konzerten dabei, berichtet Intendant Reinhardt. Er organisiert seit mehr als 30 Jahren die Arbeit der Philharmonie, entwirft die Programme, verpflichtet Solisten und berät sich mit den Dirigenten - von denen Palmer der fünfte ist. «Die Familie ist uns sehr verbunden.» Palmer formuliert es so: «Wir sind stolz auf Merck und Merck ist stolz auf uns.»