In der russischen Touristenmetropole St. Petersburg öffnet am 2. Mai der Neubau des legendären Mariinski Theaters. Eine halbe Milliarde Euro lässt Russland sich das Staatstheater kosten - die Akustik kommt aus Deutschland. Zur feierlichen Eröffungsgala dirigiert Waleri Gergijew, als Solisten treten u.a. Plácido Domingo, Anna Netrebko und René Pape auf.
St. Petersburg - Für Freunde klassischer Musik bietet der Neubau des Mariinski Theaters in St. Petersburg aus Sicht des Münchner Akustikers Jürgen Reinhold den «idealen» Klang. «Anders als in historischen Rangtheatern gibt es hier keinen Plüsch. Es gibt ein ideales Volumen, damit sich der Klang im Saal entfalten kann», sagte der Klangmeister von der Münchner Firma Müller-BBM in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in St. Petersburg.
Das für 500 Millionen Euro gebaute Musiktheater habe nur drei Galerien. Dadurch entstanden große Öffnungen von über vier Metern Höhe zwischen den Rangebenen. In den großen berühmten Theatern der Welt seien häufig nur 2,50 bis 3 Meter vorhanden. «Im Mariinski kommt viel mehr Schallenergie zu den Zuhörern. Dadurch bleibt auch in den hinteren Reihen der Klanggenuss voll erhalten», betonte der Ingenieur.
«Mit 18 000 Kubikmetern Rauminhalt ist der 2000 Zuschauer fassende Theatersaal ideal für Operndarbietungen.» Weder der Altbau des Theaters nebenan noch etwa das Bolschoi in Moskau, das Reinhold ebenfalls akustisch gestaltete, böten solche Bedingungen. «In historischen Häusern ist Sprache und Gesang zwar oft sehr präzise, der Raumklang jedoch sehr trocken und wenig lebhaft», sagte er.
«Die Hörgewohnheiten der Opernliebhaber haben sich geändert. Heute wird ein deutlich längeres Nachklingen, ein Verschmelzen des Klanges und Einhüllen in die Musik gewünscht - und dafür braucht es Weite», führte Reinhold aus.
Auch Stardirigent Waleri Gergijew, der Leiter des Mariinski und künftige Chef der Münchner Philharmoniker, hatte die Akustik als ausgezeichnet gelobt. Allein über dem Orchestergraben mit Platz für bis zu 120 Musiker hat der Pultstar 20 Meter Lufthöhe über sich – das gilt als optimal.
«Weil die Hufeisenform des Saals den Klang bündelt, haben wir als Gegenpol bauchige Formen an den Wandflächen und Brüstungen für eine Streuung des Klanges geschaffen», sagte Reinhold. Wichtig sei dabei auch das Material. Die Balkone etwa seien aus Buchenholz. An den Wänden sei Spezialgips verarbeitet worden. Aber auch beim Boden hätten die Akustiker trotz erster Bedenken von Brandschützern eine «Holztragstruktur» durchgesetzt - gegen den oft verwendeten Beton.
Ulf Mauder
Das Mariinski Theater in St. Petersburg
St. Petersburg - Das legendäre Mariinski Theater in der Touristenmetropole St. Petersburg gilt neben dem Bolschoi in Moskau als das bedeutendste Staatstheater in Russland. Es wird seit 25 Jahren von dem Stardirigenten Waleri Gergijew (59) geleitet, der das Haus in der Stadt am Finnischen Meerbusen noch zu Sowjetzeiten übernommen hatte. Gergijew wird 2015 auch zusätzlich noch Chef der Münchner Philharmoniker.
Zum Mariinski gehören der markante grünlich schimmernde Altbau mit 1600 Sitzen, ein Konzerthaus (1200 Plätze) und nun auch der ultramoderne Neubau mit 2000 Plätzen allein im Hauptsaal. Das Mariinski II ist mit gut 80 000 Quadratmetern mehr als doppelt so groß wie das alte Theater.
Der Name des Mariinski Theaters geht zurück auf die Ehefrau von Zar Alexander II., der im 19. Jahrhundert die deutsche Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt heiratete. Der alte Theaterbau stammt von 1860. Doch die Opern- und Ballett-Tradition des Mariinski reicht
weiter als 200 Jahre in die Vergangenheit: bis ins 18. Jahrhundert. Seit einigen Jahren hat das Haus auch sein eigenes Musik-Label.