Bielefeld - Eine Stahlkette rasselt über eine Metallröhre, die E-Gitarre setzt rockige Akzente. David T. Little hat für seine Oper «Dog Days» Musik wie für den Soundtrack eines Hollywood-Films geschrieben. Bei der Europapremiere in Bielefeld gibt es dafür viel Applaus.
Besucher von Rockkonzerten lieben es, wenn ihnen die tiefen Bässe in die Glieder fahren. Doch auch Opernfreunde lassen sich von dem vibrierenden Musikgenuss elektrisieren. Das zeigte sich Samstagabend bei der Europa-Premiere der Oper «Dog Days» im Theater Bielefeld. Für die E-Gitarre aus dem Orchestergraben und den vom Mikrofon verstärkten Gesang gab es rauschenden Beifall.
Eine Familie kämpft nach einem Krieg oder einer anderen verheerenden Katastrophe um das Überleben - aus diesem Stoff sind schon viele Hollywood-Filme entstanden. Der US-Komponist David T. Little hat daraus, basierend auf einer Kurzgeschichte der Schriftstellerin Judy Budnitz, eine zweieinhalbstündige Oper geschaffen, die es mit den großen Emotionen von Kinoproduktionen aufnehmen kann.
Die 13-jährige Lisa, ihre Eltern und die beiden Brüder sind dem Hungertod ausgesetzt, in ihrem Haus von einer Außenwelt isoliert, in der Tod und Ödnis herrschen. Zu ihnen stößt ein Mann, der in ein Fell gewickelt als Hund lebt und sich von Essensresten ernährt. Bei Lisa und deren Mutter trifft er auf Mitleid und Liebe. Doch der Vater und die Brüder opfern ihn in einem barbarischen Akt von Kannibalismus.
Der Amerikaner David T. Little hat zu dieser Geschichte eine Musik geschrieben, die eine perfekte Einheit mit dem Bühnengeschehen bildet und fast schon eher an einen Soundtrack erinnert als an eine Oper. Das Ensemble besteht aus Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass sowie E-Gitarre, Klarinette, Piano und jeder Menge Schlagzeug.
Vor allem hier bringt der 37-jährige Komponist mit der wilden Lockenmähne seine ganze Fantasie ein. «Ich bin in meiner Jugend Schlagzeuger in verschiedenen Bands gewesen. Und wenn ich heute um mein Haus herumgehe, schlage ich immer noch auf die unterschiedlichsten Gegenstände und probiere, welche Effekte ich damit erzeugen kann. Die Ergebnisse sind hier zu hören», so beschrieb er seine Komposition.
Mal rasselt eine Stahlkette über eine Metallröhre, mal sorgt ein Milchaufschäumer für eine besondere Art von Zischen. Auch die E-Gitarre bringt jede Menge Geräusche und setzt rockige Akzente. Damit besonders laute Effekte ihre ganze Kraft entfalten können und zugleich auch leise Violinen-Töne deutlich zu hören sind, werden alle Instrumente elektronisch verstärkt und ausbalanciert.
Das ist die Basis, auf der Nienke Otten als Lisa, Melanie Kreuter als Mutter, Yoshiaki Kimura als Vater sowie Lianghua Gong und Max Friedrich Schäffer als Brüder und Nohad Becker als Soldatin agieren. Die Arien klingen oft wie aus einem Erfolgsmusical vom Broadway und geben den Sängerinnen und Sängern reichlich Gelegenheit, ihre Stimmen erstrahlen zu lassen. Sie werden elektronisch verstärkt, sind auf diese Weise durchgängig gut verständlich und können auch bei lautem Orchestereinsatz leiseste Gefühle deutlich zum Ausdruck bringen.
Das vielschichtige Geschehen erhält eine emotionale Direktheit, die den Hör- und Sehgewohnheiten auch eines jungen oder der Oper weniger zugeneigten Publikums entspricht. Dazu gehört die Glanzleistung des als Hunde-Mann agierenden Omar El-Saeidi, der in diesem Mischwesen - ohne jedes Wort - das ganze Leid der Kreatur zum Ausdruck bringt.
Aus guten Gründen wird David T. Little als einer der Hoffnungsträger des modernen Musiktheaters gehandelt. Die Kammeroper «Dog Days» wird ihre in den USA begonnene Erfolgsgeschichte in Europa fortschreiben können, wenn sie weiterhin so gelungen auf die Bühne gebracht wird wie in Bielefeld unter der musikalischen Leitung von Merijn van Driesten und der Regie von Klaus Hemmerle.
nächste Termine: 1.3. und 14.4.