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Drei Töne bis zur Stille - Kinder- und Jugendchöre immer beliebter

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Würzburg - Ob im Stadion, beim Volksfest oder im Verein: Gemeinsames Singen boomt. Vor allem kirchliche Chöre verzeichnen großen Zulauf von Kindern und Jugendlichen. Auslöser für die Entwicklung ist auch das Fernsehen.

Erst laute Gespräche, dann fast absolute Stille und Konzentration: Drei kurze Töne nur sind es, die die tobenden Jungs zur Ruhe kommen lassen. Anja Tschamler hat den Probenraum im Würzburger Burkadushaus vorbereitet, den Kindern etwas Zeit zum Ankommen gegeben, sie schließlich zusammengerufen. Jetzt sitzt sie am Klavier und drückt die drei Tasten. Schlagartig werden die Grundschüler ruhig. Tschamler atmet ein, dann geht es los: «Sch, sch, s». Der Vorchor für die Domsingknaben singt sich ein.

Es ist ein wichtiger Tag für Tschamler und die Jungen - zum letzten Mal üben sie die Lieder für den großen Gottesdienst am Sonntag. Gemeinsam mit 500 weiteren Kindern und Jugendlichen aus zehn kirchlichen Chören werden sie die Feier im Kiliansdom musikalisch begleiten. Es ist der große Abschluss des Deutschen Knabenchorfestivals. Von Freitag an sind die Chöre aus Deutschland in mehreren Kirchen der Stadt zu hören, proben gemeinsam und lernen sich untereinander kennen.

Klar, dass da auch die jüngsten Sänger dabei sein wollen. In den beiden Vorchören der Domsingknaben sammeln die Kinder erste Erfahrungen, ehe sie in den Hauptchor aufrücken. Wöchentlich wird hier geprobt, immer eine Stunde. Auch eine Stimmbildnerin sei schon dabei und nehme regelmäßig einige Kinder für Einzelübungen zur Seite, erzählt Verwaltungsleiterin Viola Ratz.

Fünf Wochen ist die letzte Probe des Repertoires für das Festival nun schon her, stellt Chorleiterin Tschamler derweil fest. «Wisst Ihr denn den Text noch?» Sofort fangen einige Jungen zu singen an. Immer wieder geht das so: Ein Wort, eine kurze Liedzeile genügt und einige Kinder singen drauf los. Selbst wenn Tschamler etwas vormachen will, ist mancher kaum zu bremsen. «Mag jemand vorsingen?», fragt sie. Auch hier: Begeisterung, viele Hände gehen nach oben - «Credo» schallt es durch den Raum.

49 Jungen sind derzeit in den beiden Vorchören für die Domsingknaben, die beiden für die Mädchenkantorei besuchen 64 Kinder. Das sind so viele junge Sänger wie noch nie, der Anstieg in den vergangenen Jahren ist deutlich. Und Würzburg ist kein Einzelfall: Gemeinsames Singen wird bundesweit immer beliebter.

«Vor allem in den letzten 10 bis 15 Jahren gibt es bei den Kinder- und Jugendchören einen regelrechten Gründerboom», sagt Daniel Schalz vom Deutschen Chorverband, bei dem rund 21 000 der etwa 60 000 Chöre in der Bundesrepublik Mitglied sind. Ähnliches erklären der katholische Verband Pueri Cantores und der Chorverband in der Evangelischen Kirche in Deutschland (CEK).

Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Immer wieder hört man vor allem eine: «Diese ganzen Castingshows haben wahrscheinlich doch dazu beigetragen, dass viel mehr Leute wieder singen wollen», sagt Thomas Jost vom CEK. Auch Schalz glaubt, dass TV-Sendungen wie «The Voice of Germany» geholfen haben, dass Kinder und Jugendliche singen heute «cool» finden.

Für wichtig hält er auch Veränderungen in der Schulpädagogik, darunter weniger Vorsingen vor der Klasse, und eine gesellschaftliche Entwicklung. «Chorgesang hatte es in Deutschland nach dem Krieg immer schwer», sagt Schalz. Erst seit der Wende habe sich das Image der einst vom Nationalsozialismus vereinnahmten Musik zum Positiven gewandelt.

Eine neue Freude am Singen also, die nicht auf feste Chöre beschränkt bleibt. So trafen sich im vergangenen Dezember 40 000 Menschen im Kölner Fußballstadion, um gemeinsam Weihnachtslieder zu singen. «Chorsingen bietet Ausgleich zum allgemeinen Stress, zum allgemeinen Effizienzstreben», sagt Friederike Dahlmann von Pueri Cantores.

Dass die Kirchen besonders stark von der Entwicklung profitieren, dürfte vor allem daran liegen, dass deren Angebote meist kostenlos sind. Religiös muss man hier nicht zwingend sein. «Wir nehmen jedes Kind, egal welche Konfession», sagt Ratz. Entsprechend ist etwa die Hälfte der Kinder in den Chören der Würzburger Dommusik nicht katholisch. «Es ist toll, dass wir durch Musik und Gesang über Konfessionsgrenzen hinweg Werte vermitteln», sagt Domkapellmeister Christian Schmid.

Veranstaltungen wie das Knabenchorfestival sind da natürlich ein besonderer Höhepunkt für alle Beteiligten. Umso schwerer fiel einigen Kindern die Entscheidung, vor die sie der dichte Würzburger Veranstaltungskalender am Sonntag stellt: Pontifikalamt mit dem Bischof oder großer Residenzlauf? Tschamler fragt vorsichtshalber noch mal nach, die Reaktion ist deutlich: Die meisten haben sich für den Gottesdienst entschieden.

 

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