Am Jahrestag der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg erinnern auch die großen Musikinstitutionen der Elbestadt an die Tragödie. Kreuzchor und Staatskapelle führen ein besonderes Werk auf.
80 Jahre nach der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg wird das Erinnern zu einem Auftrag für die Gegenwart und Zukunft. Denn der Jahrestag wird auch 2025 in einem Umfeld begangen, das von Krieg, Zerstörung und Leid in einigen Teilen der Welt gekennzeichnet ist. Dass sich jedes Jahr Künstler und Ensembles am Dresden-Gedenken beteiligen, ist Tradition. In diesem Jahr steht ein besonderes Werk auf dem Programm des Dresdner Kreuzchores und der Sächsischen Staatskapelle.
Requiem soll auch für Aufbruch und Neuanfang stehen
Der Komponist und Multi-Instrumentalist Sven Helbig (57), der einst in Dresden studierte, hat für den Jahrestag der Zerstörung eine Totenmesse nach eigenen Texten komponiert: «Requiem A». Der Buchstabe steht für «Anfang», aber auch für Schlüsselmotive des Textes wie Aufbruch, Asche und Atmen. Das Stück suche in poetischen Bildern den Übergang von der Trauer in das Leben, sagt Helbig.
Das war in den Februar-Tagen des Jahres 1945 für die Dresdner Bevölkerung ein zentraler Moment und Teil der Überlebensstrategie. Mit den Luftangriffen britischer und amerikanischer Bomber kehrte der von Deutschland ausgelöste Krieg in die Heimat zurück. Nach Angaben von Historikern wurden 2.400 Tonnen Sprengbomben und 1.500 Tonnen Brandbomben abgeworfen. Dresden versank in Schutt und Asche, bis zu 25.000 Menschen starben.
Thema Krieg ist wieder Alltag in Gesprächen
Ein Besuch bei seinem 98-jährigen Großvater machte Helbig klar, dass Krieg in seiner Kinder- und Jugendzeit ausschließlich ein Thema in den Begegnungen mit seinem Opa war. Aber inzwischen ist es wieder Alltag in Gesprächen mit Freunden, Familie und in politischen Debatten. Helbig versteht sein «Requiem A» als Reflexion über Verlust, Erneuerung und Hoffnung, als Meditation über die menschliche Widerstandskraft und die Möglichkeit eines Neuanfanges.
Aber nicht nur von den Erinnerungen seines Großvaters ließ er sich inspirieren. Auch seine Tochter Ida trug ihren Teil bei, hatte die Idee für den Titel des Werkes. «Requiem A» erscheint am 8. Mai bei der Deutschen Grammophon. Zur Uraufführung an diesem Sonntag in der Dresdner Kreuzkirche wird das Werk vom Dresdner Kreuzchor und der Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Kreuzkantor Martin Lehmann intoniert. Auch Opernstar René Pape ist dabei.
Pet Shop Boys-Sänger Tennant lieferte Idee für Albumcover
An der Gestaltung des Covers wirkte Pet Shop Boys-Sänger Neil Tennant mit. Helbig hatte ein springendes Mädchen fotografiert, Tennant schlug vor, es nur sehr klein vor schwarzem Hintergrund zu stellen. «Er sagte: «Alles Schwarz, aber noch Leben in der Mitte.». Das gefiel mir sofort sehr gut. Sein Satz ist sogar Teil des Textes im Schlusschor», ist Helbig seinem britischen Freund dankbar. Mit den Pet Shop Boys arbeitet Helbig seit über 20 Jahren regelmäßig zusammen.
«Ich habe immer wieder gehört, dass die zerstörten Städte nach dem Krieg für Kinder aufregende Abenteuerspielplätze waren. Kinder können sehr schnell auf neue Situationen reagieren und etwas Positives daraus machen», sagt Helbig. Dem habe er Ausdruck verleihen wollen. «Nach einer Auseinandersetzung, oder nach einem schmerzlichen Verlust muss man zurück in das Leben finden. Ich habe mich entschlossen, den Krieg nicht direkt, sondern als rauschenden Hintergrund zu gestalten.»
«Sven Helbigs Musik besitzt eine unmittelbare Kraft, die uns als Menschen augenblicklich in ihren Bann zieht und nicht mehr loslässt. Sie entfaltet einen Sog, dem man sich schwer entziehen kann: eingängig, doch niemals banal, voller Intensität und durchdrungen von einer Ruhe, die zahlreiche Emotionen transportiert - Schmerz, Trauer, Einsamkeit, aber auch leise Zuversicht», beschreibt Kreuzkantor Martin Lehmann die Wirkung des Werkes.
Werk wird am 8. Mai auch auf dem Wiener Heldenplatz aufgeführt
Helbig ist bei seinem Requiem auch als Instrumentalist zu erleben - er begleitet das musikalische Geschehen mit Live-Electronics. Der isländische Filmkünstler Máni M. Sigfusson beteiligt sich mit Visualisierungen. Beim jährlichen Gedenkfest zum Kriegsende in Wien soll das Werk am 8. Mai auf dem Heldenplatz der österreichischen Hauptstadt aufgeführt werden - dann mit den Wiener Symphonikern und dem Dresdner Kreuzchor.