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Die Dresdner Sinfoniker als ferndirigiertes Orchester. Michael Helmrath dirigierte das Orchester von London aus per Satellit live. Foto: Frank Höhler
Die Dresdner Sinfoniker als ferndirigiertes Orchester. Michael Helmrath dirigierte das Orchester von London aus per Satellit live. Foto: Frank Höhler
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Dresdner Sinfoniker sind seit 20 Jahren auf musikalischer Weltreise

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Dresden - Sie tragen Dresden im Namen, sind aber international. Die Dresdner Sinfoniker vereinen Musiker aus vielen Ländern und spielen nur zeitgenössische Sinfonik. Damit sind sie ein Novum im Konzertbetrieb. Mit oft spektakulären Programmen eröffnen sie vielen Musikfans auch neue musikalische Welten.

Am Anfang war ein Bier, vielleicht auch zwei. So genau ist das in den Annalen der Dresdner Sinfoniker nicht vermerkt. Auf jeden Fall liegt deren Wiege in einem Biergarten in Rathen in der Sächsischen Schweiz. Dort brachte im Sommer 1997 der Bassist Tom Götze den Hornisten Markus Rindt mit dem Schlagzeuger Sven Helbig zusammen. Das Ergebnis ist bekannt. Ein Jahr später gaben die Sinfoniker ihr erstes Konzert in großer Besetzung. 20 Jahre danach sind sie weltweit präsent, haben mit oft spektakulären Programmen vielen Musikfans auch neue musikalische Welten eröffnet. Denn das Orchester spielt ausschließlich zeitgenössische Musik.

«Wir hatten kaum Ahnung vom Management und all den Fähigkeiten, die man für die Gründung eines Orchesters braucht. Alle von uns waren in erster Linie Musiker», erinnert sich Sinfoniker-Intendant Markus Rindt. Doch die Erwartungen hätten sich mehr als erfüllt. Tatsächlich kann das Ensemble mit Musikern aus diversen europäischen Orchestern und der freien Szene auf eine Erfolgsgeschichte verweisen. 1999 badete Frank Zappas Orchestersuite «Yellow Shark» im Beifallssturm des Publikums, noch im gleichen Jahr rekonstruierten die Sinfoniker ein verschollenes Orchesterwerk von John McLaughlin auf. Die Noten für die «Apocalypse» waren dem Gitarristen einst gestohlen worden.

Die Sinfoniker spielten Musik aus Aserbaidschan und Tadschikistan. Sie hüllten Songs von Rammstein in ein sinfonisches Gewand, spielten mit den Pet Shop Boys auf den Balkonen eines Dresdner Hochhauses und gaben in Athen ein Geburtstagsständchen für den Komponisten Mikis Theodorakis. Zum ihrem eigenen zehnjährigen Bestehen überraschten sie mit einem «Ferndirigat»: Dirigent Michael Helmrath dirigierte die «Star Wars Ouvertüre» von John Williams via Satellit aus London, während die Sinfoniker im Dresdner Kulturpalast saßen.

Immer wieder agierten die Sinfoniker auch politisch. 2013 führten sie in Ramallah und Jenin (Westjordanland) die «Symphony for Palestine» des Iraners Kayhan Kalhor auf - mit Kollegen aus arabischen Ländern und traditionellen Instrumenten. Das zur Versöhnung gedachte Pojekt «Aghet» im Gedenken an den Völkermord an Armeniern löste 2016 einen diplomatischen Konflikt mit der Türkei aus. Ein Konzert im deutschen Generalkonsulat in Istanbul wurde vom Auswärtigen Amt abgesagt. Im Sommer 2017 spielten die Sinfoniker an der Grenze zwischen Mexiko und den USA, um gegen die von US-Präsident Donald Trump geplante Mauer und weltweit zunehmende Abschottung zu protestieren.

Tom Götze führt solche Auftritte auch auf persönliche Erfahrungen Rindts zurück. Der habe noch während des Studiums die DDR verlassen und ein anderes Verhältnis zu dem Wort Freiheit entwickelt. Rindt ist seither viel gereist und hat Musiker in ihrer Heimat aufgesucht: «Viele Kontakte habe ich nach den Reisen und Konzerten aufrechterhalten. Es haben sich Freundschaften entwickelt und daraus auch neue Projekte.» Seinen Beruf als Profimusiker hat Rindt für das Orchester an den Nagel gehängt. Er ist als Kopf der Sinfoniker ein Quell immer neuer Ideen. Als nächstes plant er ein großes musikalisches Umweltprojekt, das auf mehreren Kontinenten gleichzeitig aufgeführt werden soll. «Ich denke gern über scheinbar unmögliche Dinge nach», sagt Rindt.

Götze beschreibt die Konzentration der Sinfoniker auf die Moderne als Entdeckungsreise. «Das Besondere ist die Ausschließlichkeit, mit der das passiert.» Moderne Werke fänden sich zwar heute im Programm vieler großer Orchester. Meist blieben sie dort aber das fünfte Rad am Wagen.

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