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«Eine Straße, Lucile» - Neue Kammeroper von Wolfgang Rihm über französische Revolution

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Lucile Desmoulins war jung, schön, reich und glücklich verheiratet. Mit gerade mal 24 Jahren starb die Frau eines französischen Revolutionärs 1794 unter der Guillotine. Ihr tragisches Schicksal inspirierte Georg Büchner dazu, Lucile eine wichtige Rolle in seinem Drama «Dantons Tod» einzuräumen. Der Karlsruher Komponist Wolfgang Rihm widmete Lucile Desmoulins sein jüngstes Werk, das am Samstag im Badischen Staatstheater Karlsruhe uraufgeführt wird: «Eine Straße, Lucile».

Rihm vertonte den Monolog der Lucile aus Büchners Drama als Szene für Sopran und Orchester. «Ihr Anliegen ist das Leben, das Individuum. Und das bedeutet Opfer», sagt der Komponist. Er sieht die politischen Schauprozesse und Massenhinrichtungen nach der Revolution in Frankreich nicht als vereinzeltes historisches Ereignis. «In den sogenannten postrevolutionären Zuständen hat sich ein Polizeistaat etabliert. Ein falsches Wort kostet den Kopf», erklärt Rihm den Hintergrund seiner Kammeroper. Es gehe nicht mehr um den Menschen. Es gehe vielmehr um Gesinnungsschnüffelei, persönliche Rache. Ideale störten da.

Der Deutung, dass nicht nur die französische Revolution, sondern zum Beispiel auch die russische Revolution 1918 in eine Diktatur führte, widerspricht er nicht. Auch außerhalb Europas endeten schon viele Aufbrüche im Namen der Freiheit darin, dass eine Unterdrückung durch eine andere ersetzt wurde.

Der Uraufführung folgt die Oper «Dantons Tod»
Die Heldin seiner jüngsten Komposition findet sich mit den herrschenden Zuständen nicht ab. Bei Büchner wird Lucile wahnsinnig, als der Terror unter dem berüchtigten Robespierre in ihre heile Welt einbricht und ihr geliebter Mann nach einem Schauprozess hingerichtet wird. Rihm sieht Luciles Charakter anders: «Sie sieht in diesen Zuständen ganz klar keinen Platz für individuelle Zuneigung. Alles darf leben, nur der nicht, den sie liebt. Meine Komposition ist der Versuch, die Menschlichkeit der Lucile Desmoulins in den Ton der menschlichen Stimme hinein zu denken.» Diana Tomsche verleiht der Heldin in der Uraufführung ihre Stimme.

Die Uraufführung von «Eine Straße, Lucile» verbindet das Badische Staatstheater mit der einaktigen Oper «Dantons Tod» von Gottfried von Einem, die 1947 zum ersten Mal gespielt wurde. Nach dem Monolog der Heldin, die am Ende mit dem Ruf «Es lebe der König» ihre eigene Hinrichtung fordert, dient «Dantons Tod» als Rückblende, die schildert, wie es soweit kommen konnte. Wolfgang Rihm findet solche Zusammenstellungen durchaus reizvoll.

Regisseur Alexander Schulin verknüpft die Uraufführung und die Oper nicht nur durch das gemeinsame Bühnenbild. «Wir spielen die beiden Stücke fast übergangslos. Der Text ist in beiden Fällen von Büchner, die letzten Sätze werden von Lucile gesungen und sind identisch.» Schulin nähert sich den Stücken nicht nur vom Text her. «Bei den Proben mit dem Orchester habe ich tolle musikalische Akzente entdeckt, die neue Impulse für die Inszenierung gegeben haben», berichtet Schulin. «Uraufführungen sind in der Vorbereitung schwieriger, weil es keine Aufnahmen gibt. Die Noten werden erst in den Proben zu Klang. Der Vorteil ist, dass man mit dem Komponisten reden kann.»

Ein Aspekt der Handlung gibt dem Regisseur besonders zu denken: «Camille Desmoulins und Robespierre waren Schulfreunde. Robespierre war 1790 Trauzeuge bei der Hochzeit von Camille und Lucile. Und nur vier Jahre später opfert er seinen Freund und dessen Frau für die Idee der Revolution.»

Die beiden Opern sind am Badischen Staatstheater Karlsruhe in dieser Spielzeit nach der Uraufführung am Samstag noch am 13. und 15. Juli jeweils um 20.00 Uhr zu sehen.

 

 

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