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Erfolgsfilm «Gegen die Wand» als zeitgenössische Oper – Uraufführung am Freitag in Bremen

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Bremen (ddp-nrd). Im Probenraum des Bremer Theaters herrscht eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Die deutsch-türkische Mezzosopranistin Sirin Kiliç steht als kämpferische Sibel in der Oper «Gegen die Wand» nach dem gleichnamigen Film von Fatih Akin auf der Bühne, an der Rampe sitzt ihr Gegenpart Levent Bakirci als Cahit.

«Heiraten, Mädchen, das ist doch kein Kinderspiel», stößt er gepresst hervor. Doch das «Mädchen» will sich von ihrem Plan nicht abbringen lassen: «Wir tun doch nur so, ein Alibi für meine Eltern!» Am Ende der Szene hält sie sich ein Messer gegen das Handgelenk. «Sehr gut», lobt Regisseur Michael Sturm. Es sind die letzten Proben vor der Uraufführung der Oper am Freitag im Neuen Schauspielhaus.

   Der Berliner Komponist Ludger Vollmer arbeitete an Musik und Libretto der Oper drei Jahre lang. Als er den Film das erste Mal sah, sei er «stark erschüttert» worden, erinnert er sich. Der Film habe zu 100 Prozent sein Leitthema, die Suche nach Identität, getroffen. «Die Probleme in der türkischen Welt unterscheiden sich überhaupt nicht von unseren», sagt der Autor. Menschen brechen aus ihren Kulturen aus, müssen sich von ihren Eltern lösen. «Sie durchlaufen eine Odyssee von Abenteuern und finden irgendwann, wenn alles gutgeht, ihre Identität.»

   Vollmer erwarb die Rechte für den Film, für die Oper musste er den Stoff aber «extrem ausdünnen» und andere Schwerpunkte setzen. Doch die im Film gezeigte Brutalität spart er nicht aus. Er habe versucht, diese artifiziell umzusetzen, sagt Vollmer. Dadurch solle sich in der Fantasie der Zuschauer eine Eigendynamik entwickeln. «Und die wird möglicherweise die Heftigkeit des Films noch toppen», sagt Vollmer.

   Das Theater Bremen zählt die Aufführung zu den «absoluten Höhepunkten der Saison». Der preisgekrönte Film lief 2004 mit großem Erfolg und kontroversen Diskussionen in den deutschen Kinos. Es ist die Geschichte von zwei Deutschtürken: Die junge Sibel geht mit dem heruntergekommenen, älteren Cahit eine Scheinehe ein, um ihrem traditionellen Elternhaus zu entfliehen. Sie stürzt sich in Affären. Doch Cahit bemerkt, dass er seine Ehefrau liebt. Im Affekt tötet er einen ihrer Ex-Geliebten. Sibel, die sich inzwischen selbst in Cahit verliebt hat, verspricht, auf ihn zu warten, solange er in Haft ist. Doch in Istanbul beginnt sie nach anfänglichen Schwierigkeiten ein neues Leben.

   Komponist Vollmer hofft, mit dem Thema nicht nur das klassische Opernpublikum ins Theater zu ziehen. Vor allem junge Menschen und solche mit Migrationshintergrund, die sonst eher nicht in die Oper gingen, wolle er erreichen, sagt er. Er hat seine zunächst deutschen Texte übersetzen lassen, ähnlich wie im Film wird die Hälfte der Inszenierung in türkischer Sprache gespielt. Auch die Musik ist orientalisch geprägt. Zu klassischen Instrumenten der Bremer Philharmoniker kommen typisch türkische wie der Kaval und die Saz. Die meisten Sänger haben einen türkischen Hintergrund.

   Vollmer sagt, er hoffe darauf, dass die Zuschauer gegenseitig «mit einem sehr starken Impuls auf den Gedanken gebracht werden: Wir sind verwandt». Er will die Wand zwischen den Kulturen aufbrechen.
 

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