Bregenz - Opulent, schwermütig und bildgewaltig: Die Bregenzer Festspiele wagen sich in ihrem Jubiläumsjahr an die nur selten gespielte Oper «Hamlet» von Franco Faccio. Sie zeigt die bekannte Geschichte von William Shakespeare in neuem Gewand.
Es dauert nur wenige Sekunden, bis aus dem trauernden Hamlet ein Hamlet der Rache wird: Er sitzt vor einem Schminktisch, wischt sich mit den Händen weiße Farbe ins Gesicht und dreht sich dann zum Publikum. Ein schauerliches, fast schon irres Grinsen zieht sich von einer Wange zur anderen - in diesem Moment erinnert die Opernfigur ausgerechnet an den psychopathischen Joker aus den Batman-Comics. Die Bregenzer Festspiele zeigen an diesem Mittwoch die Premiere von Franco Faccios «Hamlet», in der ein um sich wütender, von Rache getriebener Prinz alle ins Unglück stürzt.
Beschwingt ist eigentlich gar nichts in dieser Inszenierung von Olivier Tambosi. Die Oper nach William Shakespeares berühmten Intrigenstück startet mit einem Fest, bei dem sich Claudius als neugekrönter König von Dänemark feiern lässt. Die Stimmung ist scheinbar ausgelassen, der Alkohol fließt in Strömen - und alles ist unterlegt von der opulenten, dichten Musik Faccios. Doch richtig freudig wirken die Feiernden nicht - die Atmosphäre scheint irgendwie bedrohlich, als schwele etwas unter der Oberfläche.
Am stärksten verkörpert das die Figur Hamlets - gespielt von Pavel Cernoch. Ihm gelingt es, innerhalb weniger Szenen eine immer stärker werdende, nur schwer unterdrückte Aggressivität aus seinem Charakter herauszuholen. Frühere Bilder, die man von Hamlet im Kopf habe, zeigten immer auch ein Nachsinnen, ein Zögern, schreibt Tambosi selbst über das Stück. «Im Gegensatz dazu präsentiert sich der Hamlet dieser Oper beinahe erschreckend vital und gewalttätig.» Es sei, als müsse er sich Gewalt antun, «um nicht gleich loszurennen und jemanden abzustechen».
Ebenso überzeugend: Claudio Sgura als König Claudius und Dshamilja Kaiser als seine neue Frau Gertrude - die Mutter Hamlets. Faccio und sein Librettist Arrigo Boito hätten dem Mörderpaar einen großen Raum gegeben, meint Tambosi. «Claudius, der uns in vielen Inszenierungen des Sprechstücks als pragmatischer, beherrschter Realpolitiker entgegentritt, wird hier zu einem von Lebensgier Getriebenen.»
Die Oper des 1840 in Verona geborenen Italieners ist ein Fundstück der Bregenzer Festspiele: Nach der Uraufführung 1865 wurde sie noch einmal gezeigt - um dann in Vergessenheit zu geraten. Erst 2014 tauchte Faccios Werk nach Angaben der Bregenzer Intendantin Elisabeth Sobotka, die sich in ihrem Studium ausführlich mit dem Komponisten befasst hat, in Amerika wieder auf einer Bühne auf.
Mit dem Werk starten die Festspiele am österreichischen Bodenseeufer zugleich in eine Jubiläumssaison: Vor 70 Jahren fand dort die erste Veranstaltung statt. Damals wurde unter anderem Mozarts Singspiel «Bastien und Bastienne» gezeigt. «Durch diese Festwoche wollen wir unseren Glauben an die Heimat und die feste Zuversicht auf unsere Zukunft zum Ausdruck bringen», schrieb der damalige Bürgermeister Julius Wachter im ersten Programmheft.
Am Donnerstag folgt auf der Bregenzer Seebühne dann ein bereits bekanntes Stück: Zum zweiten Mal wird der Opernklassiker «Turandot» von Giacomo Puccini gezeigt. Wer kurzfristig noch ein Ticket will, muss sich beeilen: Rund 80 Prozent der 162 000 Karten seien bereits gebucht, heißt es bei den Veranstaltern.