Berlin - Mit zwei Alben und "Affe sucht Liebe", ihrem einzigen Single-Hit, ist das musikalische Gesamtwerk von Fraktus recht überschaubar. Nach vier gemeinsamen Jahren hatte sich die Band 1983 dann auch schon wieder aufgelöst. Und doch - so sind sich Zeitzeugen und Musikkollegen einig - haben sie die Popmusik revolutioniert. In Lars Jessens Film "Fraktus - Das letzte Kapitel der Musikgeschichte" überbieten sie sich in ihren Würdigungen.
"Hätte es die nicht gegeben, hätte es Techno so nicht gegeben. Nur waren die definitiv zu früh für den ganz großen Erfolg", meldet sich beispielsweise DJane Marusha Wort. "Ohne Fraktus wäre ich niemals auf die Idee gekommen, selber Musik zu machen. Das war der Startschuss, bekennt Scooter-Frontmann H.P. Baxxter. DJ Westbam wiederum sieht Fraktus als "Missing Link zwischen Krautrock und Neuer Deutscher Welle".
In den dazwischen geschnittenen Videoclips und Live-Auftritten aus alten Tagen sieht man eine zwischen Punk und Wave-Style agierende Combo, die zu wummernden Bässen spartanische Verse skandiert. Für einen langen Moment ist man als Zuschauer tatsächlich bereit, sowohl den Statements der berühmten Interviewpartner wie den historischen Bildern Glauben zu schenken. Doch Fraktus hat es nie gegeben. Die Band ist ebenso fiktiv wie die Dokumentation über ihren vermeintlichen Comebackversuch.
Hinter diesem irrwitzigen Spaß stehen Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger, die seit 1998 unter dem Namen Studio Braun ihr Unwesen treiben. Nach Telefonstreichen, CDs und Theaterprojekten haben sie nun unter Jessens Regie diese aberwitzige Mockumentary ausgeheckt. Sie steckt voll Reminiszenzen an die Popmusik und Seitenhiebe auf das Musikbusiness, ist dabei aber beileibe nicht nur für Insider eine helle Freude. Denn ein gewiefter Musikmanager träumt vom Comeback der Pioniere und erhofft sich von der Wiedervereinigung der drei zerstrittenen Musiker einen finanziellen Coup.
Produzenten-Großkotz mit DJ-Ötzi-Mützchen
Spätestens an diesem Punkt wechselt die Parodie endgültig in die satirische Komödie. Denn die Undergroundstars von damals haben sich nach ihrer Trennung doch recht unterschiedlich weiterentwickelt. Der soundbesessene Bernd Wand (Jacques Palminger) betreibt einen Optikerladen und frickelt mit den Eltern im Hobbykeller bereits an Fraktus II. Der naiv-trottelige "Dickie" Schubert (Rocko Schamoni) hält sich mit einem Internet-Café über Wasser. Nur Torsten Bage hat als Produzent von Eurodisco-Massenware richtig durchgestartet. Er residiert nun mit DJ-Ötzi-Mütze und Großkotz-Attitüde in einer Villa auf Ibiza.
An solch übergroßen Egos muss der zunehmend überforderte Dettner freilich scheitern. Dass der von Devid Striesow verkörpert wird, ist darstellerisch natürlich ein Gewinn. Im Rahmen dieses Filmkonzepts allerdings stört sein bekanntes Gesicht die vermeintliche Authentizität der gefakten Doku. Das Spiel mit der erfundenen Wahrheit um Fraktus geht derweil weiter und längst über den Kinofilm hinaus. Die Fraktus-LP "Automate" von 1983 steht mittlerweile als Millennium-Edition in den Plattenläden, und im November geht Fraktus auf Deutschlandtour. Vielleicht muss die Rockgeschichte also doch neu geschrieben werden.
("Fraktus", Drama, Deutschland 2012, 90 Minuten, FSK: 12, Verleih: Pandora, Regie: Lars Jessen; Darsteller: Heinz Strunk, Devid Striesow, Rocko Schamoni, Jaques Palminger, H. P. Baxxter, Stephan Remmler, Jan Delay, Marusha, Westbam, Blixa Bargeld u. a.)
Kinostart: 8. November 2012