Düsseldorf - Was tun, wenn in den Theatern die Zahl der Zuschauer von Amts wegen drastisch schrumpft, und auf der Bühne Abstand gehalten werden muss? Die Künstler lassen sich einiges einfallen: In Bonn etwa will das Orchester Konzerte wiederholen, wenn das Publikum es möchte.
Fast ein halbes Jahr ging wegen der Corona-Pandemie in vielen Theatern gar nichts mehr. Jetzt nimmt der Betrieb langsam wieder Fahrt auf. Beschränkungen gibt es weiter, doch Not macht erfinderisch. Viele Theater haben spezielle Angebote - von Freiluft-Theater bis zu Mini-Aufführungen. Aber die Zahl der Sitzplätze ist überall stark verkleinert.
Das Düsseldorfer Schauspielhaus stellt ab Donnerstag (27. August) erstmals drei Tage lang unter freiem Himmel auf dem Platz vor dem Theater die nächsten Premieren in einer Art Preview vor. Die Kick-off-Veranstaltung ersetzt das traditionelle Eröffnungsfest der Saison im ganzen Haus. In der ersten Septemberwoche starten dann die Premieren - im großen Saal werden aber wegen der Corona-Abstandsregeln von 737 Plätzen nur 180 besetzt.
Die neue Intendantin des Schauspiels Dortmund, Julia Wissert, stellt sich Anfang Oktober nicht etwa auf der Bühne, sondern mit einem Stadtspaziergang vor. Für das Stück «2170» haben fünf Autoren Texte über Dortmund geschrieben. Das Publikum läuft in Gruppen geteilt durch die Stadt an verschiedene Ort: Das passt auch zu den Corona-Auflagen. Ansonsten plant die Nachfolgerin des langjährigen Intendanten Kay Voges auch kleinere Formate, etwa dass Schauspieler und Zuschauer sich bei der Vorstellung - in gebührendem Abstand - alle auf der Bühne des Schauspielhauses befinden.
An dem von Johan Simons geleiteten Schauspielhaus Bochum fällt wegen Corona das traditionelle Eröffnungsfest zum Saisonauftakt mit bis zu 6000 Besuchern aus. Den Startschuss in die neue Theatersaison gibt am 10. September der Hausherr mit der Premiere von «King Lear». Das Shakespeare-Drama sollte ursprünglich schon im April auf die Bühne kommen. Auf der Bühne und im Publikum werden die Mindestabstände der Coronaschutzverordnung eingehalten: Die Zuschauerkapazität reduziert sich von 820 Plätzen auf 180.
Vergleichsweise früh startet das Theater in Bielefeld am 30. August in die neue Spielzeit mit dem Musical «Die Spinnen, die Römer!». Die erste Premiere im Schauspiel am 5. September ist eine Uraufführung: Erstmals kommt der Bestseller-Roman «Blackbird» des Schauspielers Matthias Brandt auf die Bühne. Die komische und traurige Zeitreise führt in die 70er Jahre mit Schlaghosen und merkwürdigen Frisuren und handelt von der Jugend in einer tristen Einfamilienhausidylle.
Ein Stück von mehr als zwei Stunden Länge steht derzeit im Düsseldorfer Schauspielhaus nicht im Spielplan. «Die Leute haben große Lust auf Freiluft», hat Intendant Wilfried Schulz bemerkt. Man merke, dass es ein Zögern gebe beim Publikum, in geschlossene Räume zu gehen. «Ich denke darüber nach, im nächsten Sommer eine große Open-Air-Produktion zu machen», sagt Schulz. Im Juni war eine solche Veranstaltung in der Landeshauptstadt ein Erfolg: An einem Wochenende wurden sechs Vorstellungen vor vollen Reihen gegeben. Der Spielplan ist wegen der ungewissen Lage zunächst nur bis Jahresende fix.
Auch das Beethoven-Orchester Bonn kann nur vor kleinem Publikum spielen. Die Musiker haben eine spezielle Antwort: Sie spielen ihre Konzerte mehrfach. Wiederholungen sind eingeplant - wenn die Nachfrage es trägt, wird erneut gespielt. «Unser Programm für die kommende Saison ist flexibel und hat den Raum, mit der hoffentlich positiven Entwicklung sowohl im Zuschauerraum als auch auf der Bühne zu wachsen», hatte Generalmusikdirektor Dirk Kaftan angekündigt. Vom Coronavirus wollen sich Orchester und Dirigent nicht stoppen lassen.
Im Schauspiel Köln inszeniert Intendant Stefan Bachmann das Jelinek-Stück «Schwarzwasser» in einer corona-tauglichen Version: Dabei laufen die Zuschauer in mehreren Gruppen verteilt durch ein stillgelegtes Theater. Nur insgesamt 36 Zuschauer können teilnehmen. Die deutsche Erstaufführung kommt am 12. September auf die Bühne. Der Vorstellungsbetrieb in Köln startet vor deutlich weniger Zuschauern als sonst schon am 4. September. Ab dem 12. März war das Haus wegen der Pandemie geschlossen worden.