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Gehobenes Mittelmaß - Bechtolf komplettiert seinen Mozart-Zyklus

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Salzburg - Nach zwei Regietheater-Exzessen gab es mit Sven-Eric Bechtolfs «Nozze» bei den Salzburger Festspielen einen Erholungstag. Doch der detailverliebte Realismus seiner Inszenierung der Mozart-Oper konnte auch etwas ermüden.

Mozart ist für die Salzburger Festspiele das, was Wagner für Bayreuth ist. Hier erwartet man von Operninszenierungen der Hausgötter stets Referenzcharakter. Vor allem, wenn es sich um Mozarts ultimatives Meisterwerk handelt, seine Opera buffa «Le nozze di Figaro» («Die Hochzeit des Figaro»). Die Latte lag also hoch für Regisseur Sven-Eric Bechtolf und Dirigent Dan Ettinger, die am Dienstagabend nach knapp zehn Jahren einen neuen «Figaro» auf die Bühne des Salzburger Hauses für Mozart brachten.

Den begeisterten Publikumsreaktionen zufolge kann das Projekt als gelungen betrachtet werden: Minutenlanger Applaus, viele Bravos, rhythmisches Klatschen. Bechtolf, der dieses Jahr als Interimsintendant des Festivals auch das Gesamtprogramm verantwortet, muss ein Stein vom Herzen gefallen sein.

Für das dreistündige, von Mozarts kongenialem Librettisten Lorenzo da Ponte kunstvoll gewirkte Durcheinander verwirrender Liebesintrigen hat Bühnenbilder Alex Eales eine Art Setzkasten gebaut, mit vielen liebevoll ausgestatteten Zimmern und Salons eines großbürgerlichen Haushalts der Jahrhundertwende. In diesem Ambiente frönt Bechtolf seinem Detail verliebten Realismus. Mit sicherer Hand und einem ausgeprägten Sinn für Situationskomik inszeniert er das ständige Kommen und Gehen der Protagonisten. Manchmal erinnert das an eine typische Tür-auf-Tür-zu-Boulevardkomödie.

Bis zur Pause funktioniert das gut, doch dann beginnt sich das Konzept abzunutzen. Man sehnt sich nach so etwas wie einer Idee, die dem ganzen hübsch anzuschauenden Beziehungs-Wirrwarr einen höheren Sinn geben könnte abseits des bloßen Amüsements.

Zum letzten Mal konnte man 2006 eine beispielhafte Inszenierung erleben. Damals dirigierte Nikolaus Harnoncourt, Claus Guth führte Regie. Es war jene legendäre Aufführung, in der Anna Netrebko als Teil eines illustren Ensembles der endgültige Durchbruch zum Weltruhm gelang. Guth hatte damals die rätselhafte Gestalt des Cherubino, ein androgyner Liebesgott, als diabolischen Spielleiter über die Geschicke der Hausbewohner des Grafen Almaviva wachen lassen, sie auch gegeneinander aufgehetzt. Bei Bechtolf ist er eben nur ein feminin angehauchter junger Mann mit künstlerischen Ambitionen.

Leider kommt auch aus dem Orchestergraben wenig Inspirierendes. Nach einer schmissigen Ouvertüre plätschert die Musik dahin, obwohl sich Ettinger, der selbst am Cembalo die Rezitative begleitet, mächtig ins Zeug legt. Der Mannheimer Generalmusikdirektor, ein Barenboim-Schüler, neigt zu einem breiten Grundtempo, setzt ganz auf Wohlklang, vernachlässigt aber die Struktur. In den großen Ensembles wackelt es manchmal bedenklich. Wehmütige Erinnerungen werden wach an jene existenzielle Unerbittlichkeit, mit der Nikolaus Harnoncourt auch abseits der Szene immer deutlich machte, dass man es mit einem revolutionären Werk zu tun hat. Als Mozart seinen «Figaro» schrieb, brodelte es heftig, die Französische Revolution kündigte sich an. Mit Nachwirkungen bis heute.

Einst war Salzburg bekannt für seine erlesenen Mozart-Ensembles. Dieses Jahr fehlen die großen Namen fast völlig, wenn man von Ann Murray als Marcellina absieht. Der italienische Bassbariton Luca Pisaroni als Conte Almaviva, die Sopranistin Anett Fritsch als Gräfin, der tschechische Bassbariton Adam Plachetka als Figaro und die in Tschechien geborene Schweizer Sopranistin Martina Janková als Susanna - alle schlagen sich beachtlich. Aber wirkliches Sängerglück stellt sich selten ein.

 

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