Berlin - Der neue Jahrgang des Bundeswettbewerbes Gesang Berlin ist ausgerufen. Zum 41. Mal können sich ab Herbst junge Talente in der Öffentlichkeit messen, um vielleicht ein Theater-Engagement, eine Bühnen-Rolle oder auch Preisgelder zu ergattern. Neuer Vorstandsvorsitzender ist Andreas Gergen, der als Operndirektor am Salzburger Landestheater tätig ist. Von 2004 bis 2006 führte der Künstler als Intendant das Schlosspark Theaters Steglitz. Mit dem 38-Jährigen sprach dapd-Korrespondent Torsten Hilscher.
dapd: Herr Gergen, Sie sind selbst gelernter Sänger und Darsteller. Hat diese Erfahrung Ihnen im Amt für den Bundeswettbewerb geholfen?
Andreas Gergen: Ich bin in den Wettbewerb hineingewachsen, kenne ihn aus drei unterschiedlichen Perspektiven: als Teilnehmer im Jahr 1997, als Jurymitglied und nun als Vorsitzender. Mein beruflicher Werdegang hat sich quasi parallel dazu entwickelt. Als Operndirektor und Regisseur bin ich ebenfalls ständig auf der Suche nach neuen Talenten, nach jungen Sängern - sowohl fürs Musical als auch für die Oper. Der Bundeswettbewerb dreht sich ebenfalls um die Talentsuche in diesen beiden Bereichen.
dapd: Ihr Vorgänger, der jetzige Ehrenvorsitzende des Wettbewerbs Gerd Uecker, monierte die geringe Anzahl guter junger Sänger aus und in Deutschland. Gerade im internationalen Vergleich.
Gergen: Tatsächlich ist der deutsche Gesang innerhalb der Branche noch ausbaufähig. Deshalb ist auch unser Wettbewerb, den wir auf die Beine stellen, so wichtig. Damit wird jungen deutschen Sängern ein Forum für die eigene Entwicklung gegeben. Zugleich können sie sich einer Konkurrenz stellen. Mit dem Wettbewerb bekommen die Bewerber einen Crashkurs fürs Berufsleben. Denn man muss sich dabei den Ohren und Augen einer Jury stellen, sich mit der Konkurrenz messen und dem Druck standhalten, den man beim Wettbewerb hat - genauso wie später bei Vorsingen und Aufführungen.
dapd: Aber ist das augenscheinliche Fehlen von genügend jungen Talenten in Deutschland nicht ein Paradox angesichts der weltweit einmaligen Dichte von Orchestern und Theatern?
Gergen: Ich denke das liegt an der Zahl von vergleichsweise wenigen Ausbildungsstätten. Die Möglichkeit, sich ausbilden zu lassen, ist in Deutschland im Vergleich zu den USA oder Asien verschwindend gering. Ich rede dabei nicht von der Qualität der Ausbildungsstätten. Deutsche Hochschulen können im internationalen Vergleich durchaus mithalten. In Relation zur Anzahl internationaler Schulen ist die Konkurrenz für deutsche Sänger jedoch immens.
dapd: Oft wird bemängelt, dass in deutschen Familien nur noch wenig musiziert wird. Verflacht da tatsächlich kulturelles Erbe?
Gergen: Ich selbst komme aus einer Bäckerfamilie. Trotzdem haben mich meine Eltern eine musische Bildung von Kindesbeinen an genießen lassen. Ich konnte Klavierunterricht nehmen und sang im Kirchenchor. Damit will ich sagen: Sicher hängt das vom Elternhaus ab. Bezüglich meiner aktuellen Tätigkeit in Österreich kann ich sagen, dass dort Hausmusik eine größere Rolle spielt als hier. Aber ich denke Deutschland steht in Sachen musikalischer Früherziehung nicht so schlecht da, wie oft angenommen wird.
dapd: Den Medien wird oft vorgeworfen, zur Verflachung beizutragen, ja falsche Vorbilder zu liefern.
Gergen: Da ist sicher etwas dran. Fernsehen verleitet Kinder und Jugendliche, ausschließlich zu konsumieren, anstatt selbst kreativ zu werden. Deshalb stehen wir als Theaterschaffende vor der Aufgabe, gute Produktionen auf die Bühne zu bringen, in denen spannende Geschichten erzählt werden, um somit interessant für die jungen Zuschauer zu sein. Die Pflege des Publikums von morgen ist tatsächlich eine wichtige Aufgabe und Pflicht.
dapd: Wie sieht es mit den neuen Medien im Bundeswettbewerb aus? Wird er im Fernsehen oder auch im Netz zu sehen sein?
Gergen: Bestrebungen dazu gibt es bereits länger. Aber ich glaube, wir müssen dafür erst (noch) das geeignete Format finden. Die zweistündige Übertragung eines Preisträgerkonzertes wäre bestimmt nicht mehr zeitgemäß. Selbst wenn ich mir das wünsche. Darauf würden aber die Medien nicht mehr anspringen. Es bedarf also geschickter strategischer Überlegungen. Ich stelle mir zum Beispiel Reportagen vor, in denen die Kandidaten im Wettbewerb begleitet werden.
dapd: Was sind die unverrückbaren Säulen des Bundeswettbewerbs - notwendige mediale Erfordernisse hin oder her?
Gergen: Ich verstehe meine Aufgabe beim Bundeswettbewerb als Dienstleister für die Kandidaten. Dazu gehört, dass der Wettbewerb für die Bewerber attraktiv bleibt und dass Intendanten und Operndirektoren als Zuhörer kommen, die die Bewerber später einmal besetzen werden. Zugleich setzen wir uns immer wieder in Arbeitsgruppen zusammen, um unser Format zu erneuern. Wir sind einerseits der traditionsreichste und renommiertes Wettbewerb seiner Art Deutschlands, müssen uns aber zugleich immer wieder der Zeit anpassen. Der Wettbewerb soll ein Gütesiegel bleiben.
Der Bundeswettbewerbes Gesang Berlin
- die Anmeldung für den Wettbewerb 2012 muss bis 1. September erfolgen. Bewerbungen sind nur online möglich. Die Anmeldegebühr beträgt 30 Euro pro Person.
- für den Hauptwettbewerb 2012 sind Künstler der Jahrgänge 1982 bis 1989 zugelassen; am Juniorwettbewerb dürfen 1990 bis 1995 Geborene teilnehmen. Voraussetzung ist die deutsche Staatsangehörigkeit. Schulabschluss: mindestens zehnte Klasse.
- Klavierbegleiter werden entweder gestellt oder können mitgebracht werden. Gefordert sind gesangliche Soli. Duette oder Ensembleauftritte werden nicht zugelassen. Die eigene Anreise und die eines Begleiters eigener Wahl muss selbst finanziert werden.
- es gibt jeweils Vorauswahlen, Finalrunden und ein Abschlusskonzert. Die Vorauswahlen finden übers Bundesgebiet verteilt in sieben Städten statt. In Ostdeutschland sind das Berlin und Erfurt. Die Finals finden in der Deutschen Oper (31.10., 3.11.) und der Komischen Oper (19., 23., 26. November) in Berlin statt.
- im jährlichen Wechsel liegen die Schwerpunkte entweder auf Klassik (Oper, Operette, Konzert) oder auf Unterhaltung (Musical, Chanson). Für den Part Klassik wird der Wettbewerb seit 1966 ausgerichtet. Schauplatz waren bis zum Mauerfall nur Westberlin und die Bundesrepublik. Ebenso bei der Variante "Unterhaltung". Sie wird seit 1981 veranstaltet.
- Ehrungen: der 1. Preis im Hauptwettbewerb ist mit 10.000 Euro dotiert - die Plätze zwei und drei mit jeweils 8.000 und 6.000 Euro. Es folgen zahlreiche Sonderpreise über 2.000 bis 2.500 Euro. Für die Finalisten der Junioren sind Engagements, Partien, Auftritte oder Stipendien bei zahlreichen Theatern deutschlandweit vorgesehen - wenn es Vakanzen gibt.