Hamburg - Wenn der «Echo Jazz» verliehen wird, lassen die Stars der Szene nicht lange auf sich warten: Die Preisverleihung an zahlreiche nationale und internationale Künstler war ein Abend der Emotionen, der Kommerzialisierungskritik - aber leider auch der verpassten Chancen.
Mal schnell und ungestüm, dann wieder sanft umgarnend oder träge: «Jazz-Musik» hat viele Gesichter. Die Gesichter ihrer Interpreten jedoch zieren nur selten große Plakatwände, viele von ihnen führen abseits des kommerziellen Mainstreams als Preis für ihre künstlerische Freiheit häufig ein schweres Leben. Doch für alle Jene, die sich aus dieser Nische heraus in der deutschen Jazzszene einen Namen machen konnten, wurde in Hamburg beim siebten Echo Jazz die Bühne bereitet.
An diesem Abend sollen für gewöhnlich die Künstler gerühmt werden, die sich in ihrem musikalischen Metier mit Leidenschaft und Hingabe verdient gemacht haben, «Altstars» ebenso wie Newcomer. Vom Maschinenbauer zur Jazzlegende, aus dem Hörsaal direkt auf die Bühne, die schwere Trophäe in der Hand. Die Karriere manch eines «Jazzers» ist dabei ebenso unvorhersehbar und wild, wie die Musik selbst.
Den Spagat zwischen finanzieller Unsicherheit und künstlerischer Erfüllung beschreibt Preisträger Benny Grab humoristisch in seiner Dankesrede: «Ach, Sie komponieren Jazz! Und was machen sie beruflich?», witzelt er, erntet Applaus. Ungeachtet möglicher finanzieller Sorgen brillieren an diesem Abend aber vor allem die Youngster mit virtuosem Spiel oder viel Humor.
Das beste Beispiel dafür ist Natalia Mateo, die den Preis für den «Newcomer des Jahres» mit einem «Tucken Genugtuung» entgegennimmt. Zahlreiche renommierte Hochschulen hätten ihr gesagt, sie sei zu alt für das Studium. Natalia hörte nicht auf sie - und hält Kritikern zum Trotz wenig später die Trophäe ehrfürchtig in ihren Händen. «Was soll denn jetzt noch kommen?», sagt die junge Preisträgerin sichtlich gerührt im Anschluss der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist echt ein schöner Start ins richtige Leben».
Tagesschau-Sprecher Jan Hofer läutet wenig später einen der Höhepunkte des Abend ein, die Preisvergabe für das Lebenswerk an Jazz-Pianist und Filmkomponist Wolfgang Dauner (80). Begleitet von Ovationen betritt die Jazzlegende die Bühne und versprüht dort ungeachtet des hohen Alters eine Vitalität, die bei dem einen oder anderen ältereren Zuschauer im Publikum sicher kurzfristig den Wunsch nach einem beruflichen Wechsel zum Jazzpiano oder zur Trompete weckt. «Ich mach so lange weiter Jazz, bis ich den Löffel abgebe», verspricht er seinen Fans.
Besonders emotional hätte auch die Würdigung eines Mannes ausfallen sollen, dessen Lebenswerk in der Entstehung im März dieses Jahres ein abruptes Ende gefunden hat. Ein Mann, der es geschafft hat, «Grenzen zwischen Pop und Jazz einzureißen», letztendlich aber selbst viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde: Roger Cicero. Im letzten Jahr hatte er noch als Gastgeber durch den Abend geführt, in diesem Jahr sollte ihm der Preis in der Kategorie «Sänger National» überreicht werden.
Doch leider lässt die Würdigung eines der größten Gesichter der deutsche Jazzszene viele Fans im Saal enttäuscht zurück. Anstelle einer Rede wird ein Video gezeigt, das dem Charme und dem Talent des Sänger Rechnung tragen soll: Aufnahmen im Studio, mit Kollegen und Freunden, voller Begeisterung bei der Neuinterpretation persönlicher Lieblingssongs.
Wirklich berührend wird es, als ein Ausschnitt eines Live-Auftrittes im Saal nahtlos durch drei der Preisträger fortgesetzt wird; ein musikalisches Intermezzo, das eines Jazzers würdig ist. Ein Moment, der seine Wirkung kaum entfalten kann.
Die kühle Anmoderation Götz Alsmanns und ein flacher Scherz unmittelbar nach der Rede von Musikerkollegen des letzten Albums entlarven die Szenerie als gefühllos, abgefertig und kalkuliert. Schade für einen der wohl begabtesten Entertainer, einen «Türoffner des Jazz». Es hätte ein schönerer Abschied sein können.