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Haydns «Schöpfung» als Theaterspektakel in der Elbphilharmonie. Foto: Elbphilharmonie, Claudia Höhne
Haydns «Schöpfung» als Theaterspektakel in der Elbphilharmonie. Foto: Elbphilharmonie, Claudia Höhne
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Haydns «Schöpfung» als Theaterspektakel in der Elbphilharmonie

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Hamburg - «The Creation» steht in großen Buchstaben auf weißen Stoffbahnen, die von der Decke der Elbphilharmonie hängen. Ein Trommelwirbel kündigt den Urknall an. Flüchtlinge treten auf, gehen wortlos umher und blicken ratlos in die Runde.

Einer wirft grüne Dollarnoten in die Luft, nach denen alle greifen. Plötzlich tritt der Erzengel Raphael im blauen Leuchtanzug auf und setzt an: «Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.» Und als der Chor der Flüchtlinge antwortet: «Und Gott sprach: Es werde Licht!», halten alle einen riesigen weißen Helium-Ballon in den Händen und verteilen sich im Raum. Der Erzengel Uriel schwebt mit roten Leuchten an einem neun Meter hohen Kran herab und verkündet den Tag.

So beginnt die spektakuläre Inszenierung von Joseph Haydns «Die Schöpfung» von La Fura dels Baus. Die katalanische Theatergruppe, berühmt-berüchtigt für ihre gewagten Theaterexperimente, hat das mehr als 200 Jahre alte Oratorium für das Festival «Theater der Welt», das noch bis zum 11. Juni in Hamburg läuft, in poetische Bilder umgesetzt. Das Premierenpublikum spendete am Pfingstmontag langanhaltenden Applaus für Regisseur Carlus Padrissa, das Insula Orchestra und den Accentus-Chor unter Leitung der französischen Dirigentin Laurence Equilbey, die mit inniger Ruhe und Kraft durch die magische Vorstellung steuerte.

Die Grundidee von Regisseur Padrissa: Erzählt wird nicht nur die Schöpfungsgeschichte von der Entstehung der Welt bis zu Adam und Eva, sondern er verbindet das mehr als 200 Jahre alte Oratorium mit der heutigen Zeit. «Wir unterlassen jeden Bezug auf den Sündenfall von Adam und Eva, sondern integrieren die «Erbsünde» in unsere Inszenierung durch die permanente Anwesenheit von Geflüchteten, die aus ihrem Paradies durch Krieg oder Naturkatastrophen, aus wirtschaftlichen, politischen oder religiösen Gründen vertrieben wurden», schreibt der Regisseur dazu im Programmheft. Die Flüchtlinge könnten symbolisch auch für alles Negative stehen, zu dem die Menschen fähig sind und wodurch die Welt zerstört wird.

Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung ist - wie so oft bei La Fura dels Baus, die schon bei Olympischen Spielen, mit Richard Wagners «Ring» oder in Tom Tykwers Film «Das Parfum» für Furore sorgten - ein riesiger Kran in der Bühnenmitte. An ihm schweben die drei Erzengel in Leuchtgewändern durch die Lüfte - sängerisch hervorragend besetzt mit Sunhae Im (Gabriel/Eva), Martin Mitterrutzner (Uriel) und Daniel Schmutzhard (Raphael/Adam). Neben ihrer Sangesleistung wird von ihnen auch körperlicher Einsatz gefordert: So taucht Raphael passend zur Schöpfung der Fische in ein riesiges Aquariumbecken, in dem am Ende auch Adam und Eva erschaffen werden.

Auch der Chor hat große dramaturgische Aufgaben: Die Sänger tragen Tablets um den Hals, von denen sie den Gesangstext ablesen, die aber auch zum choreografischen Mittel werden. So werden die Tablets aneinandergereiht zu einem Wasserstrahl, von dem ein erschöpfter Flüchtling trinkt, der zuvor im Aquarium fast ertrunken wäre. Oder sie stapeln sich zu einem Lagerfeuer, an dem die Flüchtlinge sich wärmen können. Am Ende erscheinen Adam und Eva als Zeichen der Hoffnung für die Gestrandeten: Willkommen im Paradies lautet ihre simple und utopische Botschaft.

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