Halberstadt - Ein ungewöhnliches Musik-Projekt feiert am Montag (5. September) sein zehnjähriges Bestehen. Das für eine Dauer von 639 Jahren geplante Stück "As SLow aS Possible" wurde am 5. September 2001, anlässlich des 89. Geburtstages des US-Komponisten John Cage (1912 - 1992), gestartet.
Mit Rainer O. Neugebauer, dem Vorsitzenden des Kuratoriums der John-Cage-Orgel-Stiftung, sprach dapd-Korrespondent Johann Tischewski.
dapd: Das John Cage-Stück "As SLow aS Possible", das in der Halberstädter Burchardikirche auf einer Orgel aufgeführt wird, soll 639 Jahre dauern. Warum muss das so lange sein?
Neugebauer: Eigentlich hätte es eher noch viel länger sein müssen. Schließlich war die Vorgabe Cages ja, das Stück so langsam wie möglich zu spielen. Die Zahl 639 wurde von uns gesetzt, um den Ort zu würdigen. Rund 639 Jahre bevor das Projekt begann, am 21. September 1361, wurde in Halberstadt die harmonische Oktave mit zwölf Halbtönen eingeführt, eine Revolution für die Musikwelt.
dapd: Das Stück endet nach Plan im Jahre 2640. Ist die Finanzierung für Ihr Projekt entsprechend langfristig gesichert?
Neugebauer: Überhaupt nicht. Wir wären froh, wenn die Finanzierung gegenwärtig ausreichend gesichert wäre. Wir müssen ohne öffentliche Zuschüsse auskommen und können uns nur gerade so über Wasser halten. Wir finanzieren uns nur über private Spenden.
dapd: Glauben Sie denn, dass das Stück unter diesen Umständen jemals zu Ende gespielt werden kann?
Neugebauer: Ich bin da ziemlich zuversichtlich. Es werden sich Leute finden, die unser Erbe antreten. Wir haben steigende Besucherzahlen. Auch viele junge Leute interessieren sich für das Projekt.
dapd: Wie ist es den Besuchern möglich, das Stück in seiner Gesamtheit zu erfassen, wenn sie die meiste Zeit doch immer nur einen Klang hören können?
Neugebauer: Der Klang ist nicht einfach nur ein Klang. Er ist kein elektronischer Dauerton. Es geht auch um den Raum. Der Klang hört sich anders an je nachdem, wo man in der Kirche steht. Luftdruck und Temperatur wirken auch auf ihn ein. Wenn in der Kirche Staub aufgewirbelt wird, der sich im Gebläse absetzt, verändert das ebenfalls den Klang. Zudem hört jeder Zuhörer den Klang auf seine subjektive Weise.
dapd: Welche Höhepunkte erwarten Sie in näherer Zukunft?
Neugebauer: Am 4. September 2071 ist der erste von acht Teilen des Stücks zu Ende. Im Moment haben wir ungefähr jährlich einen Klangwechsel. In den kommenden Teilen wird es dann aber auch Abschnitte mit monatlichen Klangwechseln geben.
dapd: Und in noch näherer Zukunft? Kommenden Montag wird das Projekt zehn Jahre alt, am gleichen Tag wäre John Cages 99. Geburtstag.
Neugebauer: In den nächsten zwei Jahren haben wir noch einmal je einen Klangwechsel und dann ertönt mehr als sechs Jahre der gleiche Klang. Am Geburtstag selbst planen wir nichts Besonderes. Wir feiern mit unserer Aufführung jeden Tag Cages Geburtstag.
Daten zu ASLSP:
- 1361: Fertigstellung der Blockwerkorgel von Nikolaus Faber im Halberstädter Dom; erste liturgisch genutzte Orgel und damit Beginn der kirchenmusikalischen Nutzung der Orgel
- 1985: John Cage komponiert "ASLSP" mithilfe eines Zufallsprogramms für Klavier
- 1987: zweite Version von "ASLSP", die Cage dem Essener Organisten Gerd Zacher widmet
- 5. September 2001: Der 89. Geburtstag des 1992 verstorbenen Cage markiert den Beginn der Aufführung; erste Orgel, die konsequent zur Aufführung einer Komposition gebaut wird
- 5. Februar 2003: Erster Klang
- 5. Juli 2004: Erster Klangwechsel
- 5. Mai 2006: Gründung der John-Cage-Akademie
- 2640: Finale der Aufführung