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«Junge Dichter und Denker» machen klassische Gedichte zu HipHop

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Berlin (ddp). Johann Wolfgang von Goethe würde staunen, könnte er noch hören, wie ein elfjähriges Mädchen seinen «Zauberlehrling» rappt. «Walle! Walle! Manche Strecke, dass zum Zwecke Wasser fließe, und mit reichem, vollem Schwalle zu dem Bade sich ergieße» ist Nicola Caspers Lieblingsstelle, die sich «super rappen» lässt.

Nicola aus Buchholz in Schleswig-Holstein ist die Erfinderin der «Jungen Dichter und Denker» (JDD), einem Projekt, bei dem Kinder lyrische Klassiker zu Rap-Songs machen. Seit sich JDD 2005 gründeten, machen sie
Schlagzeilen: Sie traten bei Charity-Galas und im Fernsehen auf, sind bald in Til Schweigers neuem Film «Keinohrhasen» zu sehen und haben jetzt auch einen Plattenvertrag: Am Freitag erscheint bei Edelkids das Rap-Album «Junge Dichter und Denker».

Zwölf Titel sind auf der CD vertreten - zum Beispiel Goethes «Erlkönig», Theodor Fontanes «Herr von Ribbeck aus Ribbeck im Havelland», Heinrich Heines «Loreley» und Friedrich von Schillers «Der Handschuh». Die Stücke haben die «Jungen Dichter und Denker» schon präsentiert, jetzt wurden sie jedoch Manager Addo Casper zufolge mit zeitgemäßen Beats und «mehr Wumm» aufgenommen. An der CD sind sechs junge Lyrik-Rapper beteiligt: Neben Nicola sind dies Lara (11), Konstantin (12), Tim (12), Friederike (14) und Phillipp (15).

Die Idee für die «Jungen Dichter und Denker» kam Nicola beim Abendbrot, als sie lustlos das Gedicht «Er ist\'s» von Eduard Mörike für die Schule auswendig lernte. Sie begann spontan, die Verse zu reimen - und plötzlich saßen sie. Zusammen mit ihrer Familie und Freunden wurde die Idee weiterentwickelt: Zum Sprechgesang kamen poppige Beats hinzu, fertig war der Mörike-Rap. Inzwischen hat Nicola in diesem Stil rund 30 Gedichte drauf.

Entscheidend dazu beigetragen, dass aus Nicolas fixer Idee ein Projekt wurde, das bereits von der Standortinitiative «Deutschland-Land der Ideen» geehrt wurde, hat Vater Addo Casper. Der war jahrelang in der Musikindustrie und im Management tätig und bewies gleich einen guten Riecher für das, was er die «Alternativbewegung zur Aggro-Bewegung aus Berlin» nennt. Um die «Jungen Dichter und Denker» bekannt zu machen, nutzte der Entdecker der Fantastischen Vier seine früheren Branchenkontakte. So kam auch Thomas D. als prominenter Unterstützer des Projektes mit ins Boot.

Dabei ging es Casper nicht darum, neue Kinderstars zu machen. Die «Jungen Dichter und Denker» seien «kein Tokio Hotel», sagt er. Als er seine Tochter Nicola beobachtete, wurde ihm klar, dass Musik über das Ohrwurm-Prinzip zum Lernen genutzt werden kann. So schafften die «Jungen Dichter und Denker» zum einen «Zugang zu den alten Meistern» und seien zum anderen praktische Lernhilfe. Das Auswendiglernen falle ihr inzwischen viel leichter, sagt Nicola.

Für einen Schulbuchverlag gestalteten die «Jungen Dichter und Denker», die sich ein bis zwei Mal pro Woche treffen, bereits mehrere Lern-CDs und rappten neben Gedichten auch das Einmaleins. Auch eine Anfrage nach den binomischen Formeln in Rap-Form gebe es bereits, sagt Casper. «Manche Kinder bekommen durch Beats und Musik einen Zugang zu Mathe, den sie sonst nie kriegen würden.»

Aus den «Jungen Dichtern und Denkern» hat sich auch der Verein «Lernen mit Musik» entwickelt, in dem sich Mutter Gaby Casper und weitere Eltern engagieren. Acht JDD-Lern-CDs für den Schulbereich haben sie schon herausgebracht. Aufgebaut sind diese nach dem Karaoke-Prinzip. Die Gedichte sucht Gaby Casper aus. In Planung ist auch eine Platte mit Titeln, die deutsche und türkische Kinder gemeinsam rappen. «Mein Traum ist es, das komplette Curriculum umzusetzen», sagt Addo Casper. Auch ein Album mit gerappten Volksliedern schwebt ihm vor. Tochter Nicola würde mal gern «was von Heinz Erhardt machen».

Gerappt wird auch für einen guten Zweck: Ein Anteil des Erlöses jeder verkauften CD geht an ein Bildungsprojekt in der Dritten Welt.
Und übrigens reimen nicht nur die Kleinen: So bekommen die Caspers Post, in denen ihnen beschrieben wird, wie Kinder, Eltern und Großeltern zusammen den «Erlkönig» gerappt haben.
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