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Musik als existenzielle Erfahrung: der Komponist Helmut Lachenmann. Foto: Charlotte Oswald / Breitkopf & Härtel
Komponist Lachenmann setzt auf Hörner - Uraufführung in München. Foto: Charlotte Oswald
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Komponist Lachenmann setzt auf Hörner - Uraufführung in München

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München - Die Avantgarde-Musikreihe «musica viva» des Bayerischen Rundfunks präsentiert ein neues, großes Orchesterwerk von Helmut Lachenmann. Der erteilt politischer Musik eine Absage. Wird es mit acht Solo-Hörnern dieses Mal vielleicht romantisch?

Das Waldhorn gilt als das romantischste aller Musikinstrumente im Symphonieorchester. Waldweben und Jagdstimmung werden mit seinem weichen, runden Ton verbunden. Im neuen Werk «My Melodies - Musik für acht Hörner und Orchester» des bekannten deutschen Komponisten Helmut Lachenmann dürfen gleich alle acht Hornisten des BR-Symphonieorchesters aufspielen. Doch Romantik wird man nicht erwarten dürfen, wenn das Stück an diesem Donnerstag (7. Juni) unter Leitung von Peter Eötvös im Herkulessaal der Münchner Residenz uraufgeführt wird - im Rahmen der traditionsreichen Avantgarde-Musikreihe «musica viva» des Bayerischen Rundfunks.

Der 82-jährige Lachenmann gilt als der große Meister der sogenannten Neuen Musik. 1997 wurde er mit dem renommierten Siemens-Musikpreis ausgezeichnet; seine Oper «Das Mädchen mit den Schwefelhölzern», uraufgeführt im gleichen Jahr, zählt zu den wenigen Rennern des zeitgenössischen Musiktheaterschaffens, auch wenn die Zahl der Aufführungen des Stücks mit Klassikern wie Mozarts «Zauberflöte» oder Bizets «Carmen» bei weitem nicht mithalten kann.

Dafür ist Lachenmanns Musik zu sperrig und für das durchschnittliche Publikum zu schwer verständlich. Er zählt zu jenen radikalen Tonsetzern der Nachkriegsavantgarde, die sich restlos von traditionellen Kategorien wie Tonhöhen, Intervallen, Tonarten, von Melodie und Harmonie verabschiedeten und für die praktisch jedes Geräusch zu Klang, zu Musik werden kann. Selbst, wie in seiner «Schwefelhölzer»-Oper, zwei Styroporplatten, die aneinander reiben.

Lachenmann ist Schüler des italienischen Komponisten Luigi Nono, eines überzeugten Kommunisten, der in seinen Kompositionen auch klassenkämpferische Ideale verbreiten wollte. Die Ansicht, Musik könne politisch etwas bewirken, teilt Lachenmann nicht: «Legitimer Selbstbetrug, vielleicht unverzichtbar als kreativer Impuls.»

Mit dieser kunstzentrierten Sicht dürfte Lachenmann nicht mehr allein stehen. Die zeitgenössische ernste Musik hat sich nicht nur von ihren einstigen politischen Visionen verabschiedet, sondern auch von ihrer radikalen Absage an alte Kompositionstechniken und Hörgewohnheiten. Doch mit schönen Klängen zum Zurücklehnen hat es der Komponist aus Leonberg nahe Stuttgart immer noch nicht. Musik ist für ihn nach wie vor eine «Herausforderung an unsere Fähigkeit, nicht nur bequem zu genießen, sondern uns zu erkennen als geistfähige Kreaturen, fähig und aufgefordert, unseren Horizont zu erkennen und immer wieder zu öffnen». Des geballten Romantik-Potenzials von acht Hörnern zum Trotz.

 

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