Berlin - Im Streit um den Schutz von Urheberrechten im Internet erhebt die Kulturbranche schwere Vorwürfe gegen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Die Ministerin "blockiert mit ihrem Verhalten die Handlungsfähigkeit der ganzen Bundesregierung", sagte der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis, in Berlin.
Strittig ist vor allem eine gesetzlich geregelte Zusammenarbeit mit den Internetprovidern, welche die Branche zur Einführung von Warnhinweisen fordert und die Ministerin indes ablehnt.
Der Börsenverein, der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) und die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) stellten die zweite Studie zur Digitalen Content-Nutzung (DCN) vor. Ein Ergebnis: Fast drei Viertel der Bevölkerung halten einen Warnhinweis des Providers vor Sanktionen für sinnvoll. 57 Prozent glauben zudem, dass illegale Up- und Downloader ihre Aktivitäten nach Erhalt eines Warnhinweises vom Provider einstellten. Die meisten Menschen halten auch Bußgelder für angemessen.
Skipis sagte mit Blick auf Warnhinweise: "Wir sind uns sehr sicher, damit einen signifikanten Rückgang der Urheberrechtsverletzungen im Netz zu erreichen." Ein neues Urheberrecht sei für die Einführung von Warnhinweisen nicht nötig. An die Adresse der Justizministerin gerichtet betonte er, er habe jedoch nach jahrelangen Diskussionen "keine Hoffnung" mehr, dass sich "noch irgendwas tut".
BVMI-Geschäftsführer Florian Drücke sagte: "Man kann mit den Piraten manchmal entspannter reden" - auch weil dort ein anderes Fachwissen vorhanden sei. GVU-Geschäftsführer Matthias Leonardy betonte: "Die Bevölkerung ist nicht das Problem." Er lehnte "weitere Kampagnen als Ersatz für Maßnahmen" ab. Die Bürger seien ausreichend aufgeklärt, was legal und was illegal sei.
44 Prozent nutzen legale Angebote, 19 Prozent illegale
Unterdessen steigt laut DCN-Studie mit 10.000 Befragten der Online-Konsum von Musik, Filmen, TV-Serien, Hörbüchern und E-Books weiter steil an. Mehr als ein Drittel nutzten 2011 Medieninhalte online - im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 11 Prozent auf 22,1 Millionen Menschen. 16,3 Millionen luden Medieninhalte herunter, 14,8 Millionen streamten sie.
44,2 Prozent nutzten ausschließlich legale Downloadangebote, 19 Prozent bedienten sich an illegalen Quellen, 23 Prozent nutzten illegale Quellen oder Angebote im rechtlichen Graubereich. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung bewerten das bestehende legale Angebot von Musik, Filmen und E-Books als ausreichend.
Das Bewusstsein der Verbraucher dafür, was erlaubt ist und was nicht, steigt derweil: 97 Prozent wissen inzwischen, dass das Anbieten urheberrechtlich geschützter Medieninhalte über sogenannte Peer-to-Peer-Netze nicht erlaubt ist. Während 2010 noch fast jeder vierte Deutsche das Ansehen aktueller Kinofilme über Portale wie kino.to für legal hielt, gaben dies 2011 nur noch elf Prozent an.
BVMI-Geschäftsführer Florian Drücke sagte weiter, Suchmaschinen seien "Teil des Problems". Spannend sei daher, wie der Internetkonzern Google künftig seine Suchergebnisse zugunsten des Urheberrechtsschutzes verändern werde. Google hatte angekündigt, Webseiten mit Urheberrechtsverletzungen sollten eine geringere Bedeutung bekommen als jene legaler Film- und Musikanbieter.