Worms - Vor zehn Jahren trat Regisseur Dieter Wedel in Worms an, um der Nibelungen-Saga zu einem Comeback zu verhelfen - einem Stoff, der nach der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten verpönt war. Der Coup gelang, die verschiedenen Inszenierungen des Sagenstoffs waren ein voller Erfolg und die Wormser Nibelungenfestspiele haben sich längst bundesweit etabliert.
In diesem Jahr steht statt Siegfried und Hagen eine andere Figur im Mittelpunkt - die des Finanzrats Joseph Süß Oppenheimer, der 1738 in Stuttgart einem Justizmord zum Opfer fiel. Auch seine Geschichte wurde von den Nazis missbraucht. Sie machten daraus den antisemitischen Hetzfilm schlechthin: «Jud Süß».
Dramatiker Joshua Sobol erzählt die wahre Geschichte
Für die Nibelungenfestspiele erzählt der israelische Dramatiker Joshua Sobol («Ghetto») die wahre Geschichte des jüdischen Finanzrats, der durch seine Ideen zur Reform der Staatsfinanzen zunehmend in die Kritik geriet und nach einem antisemitisch geprägten Schauprozess auf dem Stuttgarter Pragsattel gehängt wurde. Gemeinsam mit Regisseur Dieter Wedel griff Sobol für das Stück auf alte Gerichtsakten sowie auf Motive aus dem Roman «Jud Süß» von Lion Feuchtwanger zurück.
Das Drama entführt den Zuschauer an den württembergischen Hof des frühen 18. Jahrhunderts. Nach der Thronbesteigung sieht sich Herzog Karl Alexander (gespielt von Jürgen Tarrach) mit erheblichen Problemen konfrontiert: Es herrscht Ebbe in der Kasse, die Regierung ist handlungsunfähig. Doch dann lernt der Herzog den Heidelberger Finanzier Joseph Süß Oppenheimer (Rufus Beck) kennen, der ganz eigene Ideen zur Sanierung der Staatsfinanzen entwickelt hat. Beide sind sich von Anfang an sympathisch, beide haben eine Vorliebe für die schönen Dinge im Leben, trinken gern Wein, lieben die Frauen.
Gefördert von Karl Alexander macht Oppenheimer schnell Karriere am Hof und wird dessen Finanzberater. Doch seine Ideen zur Sanierung der Staatsfinanzen stoßen längst nicht überall auf Gegenliebe, denn sie belasten den Beamtenstand, den Adel und die Großgrundbesitzer. Als der Herzog stirbt, steht Oppenheimer plötzlich als geldgieriger Jude am Pranger, der den Staat beraubt und sich an minderjährigen Christen vergangen haben soll. In einem skandalösen Schauprozess wird er zum Tod durch den Strick verurteilt und am 4. Februar 1738 unter dem Jubel des Mobs gehängt.
Großes Staraufgebot
Sobol und Wedel erzählen die Geschichte von Jud Süß mit einem großem Staraufgebot - selbst Nebenrollen sind prominent besetzt. Mit dabei sind unter anderen André Eisermann, Manfred Zapatka, Walter Plathe, Felicitas Woll, Teresa Weißbach, Peter Striebeck und Anouschka Renzi. Seit Mitte Mai wird geprobt, am 25. Juni wird «Die Geschichte des Joseph Süß Oppenheimer, genannt Jud Süß» vor der Kulisse des Wormser Doms uraufgeführt.