Salzburg - Passion, Leidenschaft, Ekstase - das sind die Schlagworte, die das diesjährige Salzburger Festspielprogramm zusammenhalten sollen. Es ist ein künstlerischer Kraftakt: Präsentiert werden fünf Opern- und vier Schauspiel-Neuinszenierungen, dazu zahllose Orchester-, Solisten und Kammerkonzerte, Lesungen, Symposien - alles in allem vom 20. Juli bis zum 30. August mehr als 200 Aufführungen an 18 Spielstätten.
Doch die Festspielmaschinerie in Salzburg schnurrt beinahe lautlos vor sich hin. Nach der turbulenten Zeit von Festspielintendant Alexander Pereira und einer unspektakulären Interimsphase ist das größte Opern- und Musikfestival der Welt unter Markus Hinterhäuser in ruhigem Fahrwasser angelangt. Der jugendlich-locker auftretende Kulturmanager und Pianist widmet sich auch in seiner zweiten Saison dem, was er am besten kann: Programme zusammenstellen, die vielen Geschmäckern gerecht werden und dabei auch Überraschendes und Hintergründiges bereit halten.
Eröffnet wird der Salzburger Opernreigen mit einer neuen «Zauberflöte», und man darf gespannt sein, welche Botschaften die US-Regisseurin Lydia Steier dieser meistgespielten Oper der Musikgeschichte entlocken wird. Der italienische Künstler-Regisseur Romeo Castellucci feilt derweil noch an seiner «Salome» von Richard Strauss und Regie-Altmeister Hans Neuenfels an Peter Tschaikowskys «Pique Dame». Bei seinem letzten Salzburger Auftritt im Jahre 2001 hatte er mit seiner Zertrümmerung der «Fledermaus» von Johann Strauß einen Skandal provoziert. Dazu kommen noch Neuinszenierungen von Hans Werner Henzes «The Bassarids» (Regie: Krzysztof Warlikowski) und Claudio Monteverdis «L'incoronazione di Poppea» (Regie: Jan Lauwers).
Für die großen Opernpremieren gibt es schon lange keine Karten mehr, wie auch für den mit mehr als 680 Vorstellungen in einem knappen Jahrhundert untrennbar mit den Festspielen verbundenen «Jedermann» von Hugo von Hofmannsthal. «Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes» wird zum zweiten Mal in der radikal modernisierten Sicht von Michael Sturminger gezeigt. Tobias Moretti verkörpert wieder den reichen Mann, Stefanie Reinsperger ist in der Rolle der Buhlschaft zu sehen, Peter Lohmeyer gibt den Tod.
Die weiteren Schauspielpremieren: Johan Simons zeigt eine auf nur zwei Personen reduzierte Version von Heinrich von Kleists «Penthesilea», Frank Castorf präsentiert eine Dramatisierung von Knut Hamsuns Roman «Hunger», und Ulrich Rasche interpretiert die «Perser» von Aischylos.
Der griechische, in Russland wirkende Dirigent Teodor Currentzis wurde 2017 mit einer multiethnischen Sicht von Mozarts Oper «La clemenza di Tito» zum neuen Superstar der Festspiele. Currentzis kehrt nun mit seinem musicAeterna-Ensemble und einem Zyklus aller Beethoven-Symphonien nach Salzburg zurück und dürfte auch in diesem Sommer Furore machen. Er bekommt allerdings Konkurrenz von einem anderen Pultmatador: Der russische Dirigent Kirill Petrenko spielt mit den Berliner Philharmonikern, deren Chef er 2019 wird, zwei Konzerte im Großen Festspielhaus.
Und dann wäre da noch Festspiel-Dauergast Anna Netrebko, die einen Arienabend unter dem mehr oder weniger nichtssagenden Titel «A due voci» gestaltet, zusammen mit ihrem Gatten Yusif Eyvazov. Längst ausverkauft, natürlich.
Wagnis und sichere Bank: Evergreen-Oper «Zauberflöte» in Salzburg
Eine Neuinszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts «Zauberflöte» eröffnet das Opernprogramm der diesjährigen Salzburger Festspiele. Sie ist die populärste Oper aller Zeiten. Warum?
Salzburg (dpa) - Sie ist wohl die populärste Oper aller Zeiten: Mozarts «Zauberflöte». Bei den Salzburger Festspielen steht das Werk nach dem Libretto des Wiener Schauspielers und Theaterimpresarios Emanuel Schikaneder in dieser Saison wieder auf dem Programm.
220 Mal wurde das Stück im Rahmen des Festivals bereits gezeigt, zuletzt unter musikalischer Leitung des großen Nikolaus Harnoncourt. In diesem Jahr versucht sich die junge US-Regisseurin Lydia Steier an dem Stoff, einer klassischen Rettungsgeschichte mit Prinz und Prinzessin, einer mächtigen Königin und einem bösen Priester. Happy End inklusive.
Warum gerade die «Zauberflöte» ein solch hartnäckiger Dauerbrenner ist, darüber rätseln Musikwissenschaftler, Opernintendanten und Dramaturgen schon fast seit der Uraufführung der Oper in Wien am 30. September 1791, kurz vor Mozarts Tod. Liegt es an der eingängigen Musik mit Gassenhauern wie der berühmten Arie der «Königin der Nacht» oder dem «Vogelfänger»-Lied des Papageno? Liegt es an der ebenso positiven wie plakativen, wenn auch etwas verworrenen Handlung, die an ein Märchen erinnert? Liegt es an den archetypischen Charakteren des «Singspiels» oder gar an der Geheimnis umwitterten Freimaurer-Symbolik?
Der Mozart-Forscher Ulrich Konrad, Professor für Musikwissenschaften an der Universität Würzburg, sieht das Erfolgsrezept der «Zauberflöte» in der «extremen, inhaltlichen, konstruktiven und emotionalen Spannweite von Text und Musik». Das Stück bewege sich «zwischen Volksmärchen und Humanitätsverherrlichung, zwischen simplem Liedton und hochvirtuoser Gesangskunst, zwischen Slapstick und tiefernster Reflexion». Kurz gesagt: für jeden ist etwas dabei, vom kleinen Kind bis zum Greis, vom armen Schlucker bis zum reichen Mann, vom musikalischen Greenhorn bis zum Opernkenner.
Eine der bekanntesten und beliebtesten Inszenierungen der «Zauberflöte» läuft seit 1994 an der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Es ist die berühmte Regiearbeit von August Everding im rekonstruierten Sternenzelt-Bühnenbild, das der preußische Baumeister Karl Friedrich Schinkel einst für die Berliner Hofoper entworfen hatte. Nächstes Jahr soll eine aktuelle Deutung dazu kommen, dann hätte man, wohl einzigartig in Deutschland, zwei Versionen derselben Oper an einem Haus.
«Das geht natürlich nur bei der «Zauberflöte»», sagt der neue Staatsopern-Intendant Matthias Schulz. Er nennt Mozarts letzte Oper eine «riesige Projektionsfläche». Man könne bei allfälligen «Neubefragungen» des Stoffs sehr in die Tiefe gehen oder das Stück und seine Musik einfach aus sich heraus wirken lassen. Diese Vielfalt der Möglichkeiten mache die «Zauberflöte» und das «Wunder Mozart» aus, meint Schulz.
Nicht weit von der Staatsoper hat Berlins Komische Oper natürlich ebenfalls eine «Zauberflöte» im Programm, eine besonders erfolgreiche sogar. Die Regiearbeit der britischen Theatertruppe 1927 und des Intendanten und Chefregisseurs des Hauses, Barry Kosky, bindet Sängerinnen und Sänger auf technisch raffinierte Weise als Live-Akteure in einen Animationsfilm ein, der auf eine als Projektions- und Spielfläche dienende Wand auf der Bühne geworfen wird.
Die Multimedia-Inszenierung ist nicht nur ständig ausverkauft, sondern wird auch mit großem Erfolg im Ausland gezeigt. Auch Ulrich Lenz, Chefdramaturg der Komischen Oper Berlin, hebt die große emotionale und stilistische Bandbreite der Oper als Grund für deren große Beliebtheit hervor. «Man muss schon sehr viel falsch machen, um mit dieser Oper keinen Erfolg zu haben.» Man solle das Ungereimte, das allen Märchen eigen sei, bedienen und nicht allzu psychologisierend an das Stück herangehen.
Eine so bekannte, unzählige Male musizierte und inszenierte Oper neu herauszubringen, ist eine große Herausforderung für die Salzburger Regie-Debütantin Lydia Steier. Ein paar Details hat sie schon verraten. So werde es für die immer etwas problematischen gesprochenen Dialoge einen «Übererzähler» (Steier) geben. Schauspieler Klaus Maria Brandauer soll das Märchen von der «Zauberflöte» nicht dem Publikum erzählen, sondern den von Knabensopranen verkörperten «drei Knaben», die seine Enkelkinder mimen. Ob der Kunstgriff funktioniert, wird man nach der Premiere am 27. Juli wissen.