Salzburg - Mit einer umjubelten Neuschöpfung der «Dreigroschenoper» von Bertolt Brecht und Kurt Weill ist am Dienstagabend der Premierenreigen der diesjährigen Salzburger Festspiele zu Ende gegangen. Auf dem Programm stand eine eigens für die Festspiele geschaffene «Experimentalfassung» des weltbekannten Stücks mit neu orchestrierten Songs.
Salzburg ist gegenwärtig die Stadt der Bettler, in der Altstadt gehören sie überall zum Straßenbild. Auch den Festspielgästen strecken sie ihre Pappbecher entgegen. So hätten Sven-Eric Bechtolf und Julian Crouch, die Regisseure der neuen Salzburger «Dreigroschenoper», als angemessene Kulisse eigentlich nur die weltberühmte Getreidegasse auf die Bühne stellen müssen. Doch so viel Mut beweisen sie nicht in ihrer mit Spannung erwarteten Neuinszenierung der «Oper für Bettler», jenem Erfolgsstück von Bertolt Brecht und Kurt Weill aus den zwanziger Jahren, das am Dienstagabend in der Felsenreitschule in neuem musikalischen Gewand eine umjubelte Wiederauferstehung erlebte.
Von aktuellen Bezügen lassen Bechtolf/Crouch lieber die Finger. Ihre «Dreigroschenoper» spielt irgendwann im victorianischen Jack-the-Ripper-London mit hübsch anzusehenden Collagen im Monty-Python-Stil. Heruntergekommene Häuser, schwere Sitzmöbel, Zimmerpalmen. In den mit halb transparenter Folie verhängten Arkadennischen der Felsenreitschule gibt es allerliebste Schattenspiele. Und auch die von Crouch und Bechtolf so geliebten Großpuppen und Schwellköpfe kommen zum Einsatz. Das alles erinnert frappierend an die Ästhetik des «Jedermann». Kein Wunder, den hatte Crouch vor zwei Jahren mit seinem Kollegen Brian Mertes neu in Szene gesetzt.
Wie beim «Jedermann» ist der britische Komponist und Arrangeur Martin Lowe auch in der «Dreigroschenoper» für die Musik zuständig. Für seine neu orchestrierten Weill-Songs hat man eigens das Plazet der New Yorker Weill-Foundation eingeholt. Verkauft wird die Adaption als «einmalige Experimentalfassung». Deshalb heißt die neue Salzburger «Dreigroschenoper» ganz schlicht «Mackie Messer» nach der Hauptperson des Stücks, dem Londoner Unterweltkönig Macheath.
Warum der Kraftakt nötig ist, erschließt sich am Premierenabend nicht. Lowe ertränkt das Stück in einer süßlich-süffigen Mischung aus Kommerzmusicalsound und TV-Hintergrundmusik a la «Inspector Barnaby». Die subversiven Brecht-Texte mit so berühmten Sätzen wie «Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral» oder «Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?» können vor der elektroakustisch verstärkten und oft übersteuerten Klangtapete kaum ihre Wirkung entfalten - ihre bis heute gültige Brisanz schon gar nicht.
So knallig, wie die ganze Inszenierung daherkommt, agiert auch das achtbar besetzte Ensemble singender Schauspieler. Fast alle neigen zur Übertreibung und lassen Zwischentöne vermissen. Michael Rotschopf als Macheath wirkt als Gangsterboss allzu harmlos und als Sänger vor allem im lärmenden Revue-Finale überfordert. Graham F. Valentine lässt als Bettlerkönig Peachum den Menschen verachtenden Zynismus der Rolle fast völlig vermissen. Am besten schlagen sich, auch stimmlich, Pascal von Wroblewsky als Peachums Frau und Sona Macdonald als Spelunkenjenny. Sonja Beißwenger als deren Töchterchen Polly verfällt zuweilen in einen etwas billigen Musicalton.
Dem Publikum gefiel die seichte Show, es applaudierte am Ende begeistert. Ob die wenigen Buhs den Regisseuren oder dem Arrangeur galten, war nicht auszumachen. Am kommenden Samstag (15.8.) präsentiert das Festival die Originalversion der «Dreigroschenoper» in einer konzertanten Aufführung. Die Figur des Macheath verkörpert Sänger Max Raabe («Küssen kann man nicht alleine»). Salzburgs Interimsintendant Sven-Eric Bechtolf amtiert dann als Sprecher.