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Syrische Flüchtlinge wirken bei Operninszenierung mit [udate, 7.10.]

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Stuttgart - Bei einem außergewöhnlichen Opernprojekt treten am Sonntag (19.30) etwa 30 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge im Theaterhaus Stuttgart auf. Gemeinsam mit professionellen Künstlern wirken sie in der Oper «Così fan tutte» von Wolfgang Amadeus Mozart mit. Dabei kommen die Flüchtlinge aus Syrien nicht nur beim Bühnenbildbau, bei den Kostümen und in der Maske hinter den Kulissen zum Einsatz.

 
 
Zwanzig von ihnen treten zudem in unterschiedlichen Rollen auf der Bühne als Statisten und im Opernchor auf. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit des Stuttgarter Vereins Zuflucht Kultur, des Kurpfälzischen Kammerorchesters Mannheim und der Stuttgarter Symphoniker. Untergebracht sind die Flüchtlinge derzeit im ehemaligen Franziskanerinnenkloster Oggelsbeuren im Landkreis Biberach. 
 
[update, 7.10.]
 
Musik gegen das Vergessen 
 
Stuttgart (dpa) - So wirklich geplant war das Ganze eigentlich nicht: eine Oper von Wolfgang Amadeus Mozart gemeinsam mit syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen auf die Bühne zu bringen. Doch manchmal spielen Zufälle eben doch eine größere Rolle. Und so kam es am Sonntagabend im Theaterhaus Stuttgart zu einer anrührenden Premiere von Mozarts Oper «Così fan tutte» mit Menschen unterschiedlicher Couleur und Herkunft.
 
Der Zufall, das war in diesem Fall das Kloster Oggelsbeuren im Kreis Biberach. Dort hatten die Musiker des Kurpfälzischen Kammerorchesters Mannheim, der Stuttgarter Symphoniker sowie die Solisten im August die Oper einstudiert. Weil dort aber auch rund 70 Flüchtlinge aus Syrien untergebracht sind und die Inszenierung im Flüchtlingsmilieu spielt (Regie: Bernd Schmitt), war plötzlich die Idee geboren, die Menschen aus der Fremde einzubinden. Knapp 30 Syrer waren fortan in das Projekt involviert; manche hinter der Bühne beim Kulissenbau und in der Maske, etwa 20 als Laiendarsteller und im Chor auf der Bühne.
 
«Ich hasse mich in der Fremde, jeden Tag renne ich gegen eine Wand», so deklamiert gleich zu Beginn ein junger Syrer auf Arabisch. Ein anderer stimmt ein: «Wir wollen zurück zu einem friedlichen Leben, wollen Schmerz und Leid loswerden». Und ein Kind ergänzt: «Wir sind heimatlos in der Fremde.»
 
Es sind selbst verfasste Monologe, die die syrischen Flüchtlinge vor der Ouvertüre anstimmen. Worte, die den Zuhörern zu Herzen gehen und allen spätestens jetzt klar machen: Freiwillig haben sich diese von manchen so wenig geliebten Menschen nicht in ihre Lage in der Fremde gebracht.
 
Auch beim bald darauf folgenden Chor auf Arabisch wird klar, was diese Menschen bewegt: «Syrien ist unsere Heimat, unsere Heimat ist unsere Liebe, ihre Erde ist unsere Liebe.» Der 2011 ermordete syrische Liedtexteschreiber Ibrahim Qashoush hatte dieses Paradieslied «Janna» geschrieben. Und nicht wenigen Syrern im Publikum kommen die Tränen.
 
Der 30 Jahre alte Abdulrahman etwa gehört zu den Zuhörern. Auch er ist ein Flüchtling, auch er fühlt sich heimatlos. «Diese Aufführung hilft uns, uns an unsere Heimat zu erinnern und nicht zu vergessen», sagt er. Dass seine Landsleute in das Projekt eingebunden sind, finde er wunderbar. Es erfülle ihn mit Stolz, und es sei ein wichtiges Zeichen. Denn: «Ich bin mir nie ganz sicher, wie die Deutschen uns Fremde hier sehen und ob sie verstehen, was wir Syrer durchmachen. Durch dieses Projekt lernen sie uns vielleicht besser zu verstehen.»
 
Auch Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) besucht die Oper - und auch sie findet das Projekt wichtig. «Es ist ein politisches Signal, aber ohne den politischen Zeigefinger zu erheben», sagt sie. Kunst und Kultur seien wichtig für die Integrationsarbeit. «Dass sich dieses Projekt dieser Menschen annimmt, hat mich sehr berührt.» Die Menschen aus Syrien hätten schreckliche Dinge erlebt, doch durch die Musik könnten sie diese Dinge wenigstens kurz vergessen. 
 
Claudia Bell
 
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