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Tag der Hausmusik am 22. November - Der Gitarrist in meinem Wohnzimmer

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Hannover - Die Niedersachsen-Karte ist übersät von violetten Punkten mit einem Notenzeichen darin. Jeder von ihnen steht für ein kleines Konzert - kostenlos, oft im privaten Wohnzimmer. Von Lüneburg bis Göttingen, in Hannover, Oldenburg und überall dazwischen wird gemeinsam musiziert. Und das am selben Tag, nämlich am 22. November. Es ist der bundesweite «Tag der Hausmusik», einer dieser Tage, die kaum jemand kennt.

 

«Ausgerufen ist der Tag der Hausmusik schon seit über 80 Jahren», sagt Ulrike Eberle von der Initiative «Musikland Niedersachsen». Sie und ihre Kollegen stecken hinter der Hausmusik-Kampagne. Sie haben den unbekannten Feiertag kurzerhand zum «Tag der niedersächsischen Hausmusik» erklärt und in diesem Jahr zum ersten Mal eine große Plattform geschaffen, auf der Gastgeber und Musiker zusammenfinden können.

Wie es aussieht, werden das eine ganze Menge. Die Kampagne liegt auch sonst voll im Trend. Sogenannte Wohnzimmerkonzerte werden seit einigen Jahren in Deutschland immer beliebter und haben trotzdem noch das Flair eines Geheimtipps. «Der Trend geht stark einher mit Plattformen wie Couchsurfing oder Airbnb, wo man in einer anderen Stadt, in der man niemanden kennt, mit einer Community von Gleichgesinnten zusammengeführt wird», erklärt Eberle. «Da war es nur eine Frage der Zeit, bis erste Portale aufkamen, wo vielleicht durchreisende Musiker, die noch einen Termin frei haben, sich mit interessierten Gastgebern zusammentun können.» Beispiele dafür sind Wohnzimmerkonzerte.de oder SofaConcerts.org aus Hamburg.

Die Idee intimer Konzerte trifft scheinbar einen Nerv. Das hat auch Joshua Carson bemerkt. Der 44-Jährige aus Schleswig-Holstein macht seit über zwei Jahren nichts anderes, als Wohnzimmerkonzerte zu geben. Er gab seine Wohnung auf und reist seitdem mit einem Wohnmobil durch ganz Deutschland, von Haustür zu Haustür, wo ihn immer neue Gastgeber in ihre Wohnzimmer bitten. Geplant hatte er das nicht. «Das Ganze hat sich eigentlich verselbstständigt», erzählt Joshua. «Ich habe vor zweieinhalb Jahren ein neues Programm entwickelt und wollte es vor Tourstart erproben. Da habe ich fünf Wohnzimmerkonzerte im Internet verlost.» Mit dem Ansturm von Anfragen, die er daraufhin erhielt, hätte er nie gerechnet.

Joshua lebt von seinen Wohnzimmerkonzerten. Da er allein sei, komme er finanziell gut klar, sagt er. Seine Konzerte sind alle völlig kostenlos, er spielt ohne Gage und nimmt auch kein Anfahrtsgeld - nur die Gema-Gebühren von etwa 22 Euro muss der Gastgeber zahlen. Er finanziert sich über den Verkauf von CDs. «Die Konzerte sind ein bisschen wie eine musikalische Tupperparty», erklärt er lachend. Meist würden sich auch gleich am selben Abend Zuschauer bei ihm für ein nächstes Woziko bewerben.

Das Geschäftsmodell funktioniert bestens: 180 Konzerte hat Joshua in diesem Jahr schon gegeben, und im nächsten Jahr sieht es ähnlich aus. Warum es so gut läuft? «Die Leute steigen mit mir aus dem Alltag aus. Ich nehme sie ein bisschen mit auf eine Reise. Auf meinen Konzerten erzähle ich ja auch von meinem Leben und die Leute fasziniert es, davon zu hören.» Für ihn selbst ist das Wohnzimmerkonzert ebenfalls eine angenehme Erfahrung, nachdem er jahrelang Unterhaltungskonzerte bei Feiern und in Kneipen gegeben hat.

Während Joshua schon ein Vollprofi ist, gibt Monika Tibbe am 22. November das erste Wohnzimmerkonzert ihres Lebens. Sie stellt ihre Wohnung in Hannover als Gastgeberin zur Verfügung und wird neben anderen Gruppen auch selbst auftreten. Ungefähr 40 Gäste passen ins Wohnzimmer. Das werden vor allem Freunde sein. Das Konzert ist aber auch eine Gelegenheit, bisher unbekannte Nachbarn ein bisschen näher kennen zu lernen.

Im Vordergrund steht bei Monika Tibbe die Musik. Befürchtungen, dass sich jemand in dem Mehrfamilienhaus über den Lärm beschweren wird, hat sie keine. «In den anderen Stockwerken wird auch Musik gemacht. Hier stehen die Klaviere praktisch übereinander», sagt sie. Ob sie ein solches Hauskonzert noch öfter machen wird, macht sie ganz von der Erfahrung abhängig. Auf jeden Fall müsse sie vorher noch Kaffeebecher kaufen, sagt sie. «Das ist eine Investition, die man mal machen kann.» 

Alice Echtermann

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