Utrecht - Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auch Stoff für Dramatiker im Ausland: In der niederländischen Stadt Utrecht wurde das musikalische Porträt «Merkel» am Donnerstagabend uraufgeführt. Zentral sind in dem Stück das Ringen der Bundeskanzlerin in der Flüchtlingskrise 2015 und ihre berühmte Äußerung «Wir schaffen das».
«Merkel» ist eine multimediale Elektro-Oper über eine «anscheinend ego-lose Frau», sagt die Regisseurin Floor Houwink ten Cate vom Theaterkollektiv Nineties. «Angela Merkel ist so ungefähr die einzige Frau in einer von Männern dominierten politischen Welt, doch keiner weiß genau, wer sie wirklich ist.» Die Theatermacher hatten das Stück nach zahlreichen Gesprächen mit Vertrauten der CDU-Politikerin sowie Beobachtern der deutschen Politik erarbeitet. Sie hatten auch biografische Quellen und ihre Reden miteinbezogen. «Merkel», eine Koproduktion mit der renommierten niederländischen Musiktheatergesellschaft Orkater, wird ab Freitag durch die Niederlande reisen und in den Theatern der großen Städte zu sehen sein.
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«Merkel» auf der Bühne: Ode an die Raute
Von Annette Birschel, dpa
Blazer in Pastell-Farben, die typische Handbewegung und ein bisschen Wagner. Mit Witz und Video skizzieren niederländische Theatermacher ein Porträt der Kanzlerin.
Utrecht (dpa) - Angela Merkel hat einen bösen Traum. Erzvater Helmut Kohl verflucht sie. Flüchtlinge rütteln an den Toren Europas. Putin umgarnt sie. Dann stirbt Europa zu ihren Füssen. Merkel schrickt auf, wird wach. «Joachim», bittet sie ihren Mann, «machst du mir bitte eine Tasse Tee?» Merkel steigt aus dem Bett und in die Hose, knöpft den roten Blazer zu, streicht sich über die Frisur, faltet die Hände zur Raute. Unverkennbar steht sie da auf der Bühne mitten in Holland: die Bundeskanzlerin.
«Merkel» heißt das musikalische Drama des niederländischen Theaterkollektivs Nineties, das am Donnerstagabend in Utrecht uraufgeführt wurde. Ab Freitag startet die Tournee der Theatermacher und «Merkel» wird im ganzen Land zu sehen sein.
Es ist eine Ode an die Kanzlerin, lange die einzige Frau in einer von Männern dominierten politischen Welt, wie die Regisseurin Floor Houwink ten Cate sagt. «Unsere Generation ist mir aufgewachsen, sie ist gerade wegen ihrer Europa-Politik auch für uns extrem wichtig», sagt die 31-jährige Regisseurin.
Die Theatermacher entwickelten im Kollektiv ein multimediales und musikalisches Porträt der «mächtigsten Frau der Welt», wie sie sagen. «Wenn sie nun von der Politik Abschied nimmt, endet eine Ära», sagt Houwink ten Cate. «Und wir bleiben ratlos zurück.»
Zentral steht Merkels Rede zur Flüchtlingskrise 2015 mit dem berühmten Satz: «Wir schaffen das.» Wir sehen erst ihren politischen Aufstieg als Helmut Kohls «Mädchen», dann den «Vatermord». Sie selbst sagt nicht viel, denkt nach, grübelt, sie merkelt eben. Sie ist hin und hergerissen zwischen einem verführerischen Putin im Osten, der sie teuflisch wie Mephisto umgarnt, und ihrem Baby Europa. Das geht schließlich jämmerlich kreischend zugrunde. Dazu erklingt dramatisch fast schon wagnerianische Elektro-Musik von Annelinde Bruijs. «Merkel» ist auch große Oper - oder wie jemand auf der Bühne spöttelt: «Europera».
Merkel selbst wird von einem Mann dargestellt. Benjamin Moen schlüpft problemlos in die Hülle mit Raute, Jacke, Haar-Helm. Es ist die Uniform einer «ego-losen Frau», wie die Theatermacher sie beschreiben. «Eine Frau, die niemand wirklich kennt.»
Es ist nicht leicht, so eine Frau auf dem Theater darzustellen, sagen die Theatermacher. Sehr lange und ausführlich hatten sie recherchiert und versucht, der Person Merkel in Gesprächen mit Freund und Feind, Biografen und Kennern der deutschen Politik nahe zu kommen. Sie besuchten für sie wichtige Orte - Bundestag, Elternhaus, ja - sie standen sogar an der Wursttheke im Merkelschen Supermarkt in Berlin.
Im ersten Teil des Stücks berichten die Schauspieler von dieser Suche nach der wahren Merkel, sie erzählen Anekdoten aus ihrer Jugend, skizzieren ihren politischen Werdegang. So entsteht eine sehr persönliche und bisweilen urkomische Ode an Angela Merkel.
Und dann entfaltet sich im raffinierten und temporeichen Wechsel zwischen Videoprojektion, Dialogen und Opern-Szenen das Drama: Merkel nimmt Abschied und lässt ein sterbendes Europa zurück. Und Menschen, die die Ära ohne Merkel fürchten: «Wir sind eine Generation, die in Freiheit lebt aber nicht weiß, wie man sie verteidigt.»
Am Ende will die Jugend Merkel ein Denkmal setzen. «Als Frau der radikalen Mitte, die sich immer von Kompromiss zu Kompromiss gehangelt hat.» Doch das macht die nicht mit. Merkel weigert sich, auf den Marmor-Sockel zu klettern und geht ab - durch die Hintertür. «Ludwig, hol den Wagen.»