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Uraufführungen. Foto: Hufner
Horrortrip im Land der Karpfenmenschen an der Wiener Staatsoper. Foto: Hufner
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Uraufführung in Wien: Horrortrip im Land der Karpfenmenschen

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Wien - Die Wiener Staatsoper ist fast immer ausverkauft und verfügt mit den Wiener Philharmonikern über ein bravouröses Orchester, gilt jedoch als wenig innovativ. Mit der Uraufführung der Oper «Die Weiden» will das Haus seinen Ruf aufpolieren, musikalisch wie politisch.

Lange acht Jahre ist es her, dass die Wiener Staatsoper eine große Uraufführung präsentierte. Kurz vor Amtsantritt des amtierenden Staatsoperndirektors Dominique Meyer setzte der damalige Intendant Ioan Holender mit «Medea» von Aribert Reimann ein künstlerisches Zeichen. Seither war international wenig zu hören von dem österreichischen Musiktheater-Flaggschiff, das mit den Wiener Philharmonikern über eines der besten Opernorchester der Welt verfügt. «Ein echter Wurf, der international Aufmerksamkeit generieren würde, täte wieder einmal wohl», kritisierte jüngst der «Standard». Jetzt könnte es wieder so weit sein: Am 8. Dezember hat das Auftragswerk «Die Weiden» Premiere, komponiert von dem 44-jährigen Innsbrucker Johannes Maria Staud; der Schriftsteller Durs Grünbein schrieb das Libretto.

Nicht nur die Musik, die mit elektronischen Einspielungen und Verfremdungen der Stimmen auf der Bühne arbeitet, hat es in sich. Voller Zündstoff ist auch das Textbuch, das in 140 Minuten eine in einem surrealistischen Heute angesiedelte Horrorgeschichte erzählt und die Bedrohung der Demokratie durch rechtsextremistische und populistische Strömungen thematisiert.

Ein Liebespaar landet bei einer Kanufahrt auf der Donau auf einer Insel. Plötzlich wandern die dort wachsenden Weiden auf sie zu und sie selbst beginnen sich zu verwandeln. Ausgedacht hat sich das der englische Autor und Esoteriker Algernon Blackwood vor rund 100 Jahren, Staud und Grünbein haben den Faden weitergesponnen. «Das Genre des Unheimlichen liegt uns», sagte Staud vor der mit Spannung erwarteten Premiere.

In ihrer dritten gemeinsamen Oper überführen Staud und Grünbein den individuellen Schrecken in ein Szenario, das vielen als gesellschaftlich-politischer Horror gilt. Allerlei Wutbürger und eine Figur mit Zügen des rechtsintellektuellen US-Agitators Steve Bannon treten auf. Das Liebespaar, das sich auf der Reise entzweit, gerate immer tiefer in das Dickicht einer Gesellschaftskrise, erzählt Grünbein. Es paddelt durch ein Land, in dem sich die Anwohner des Stromes in Wesen mit Fischköpfen verwandeln und als «Karpfenmenschen» gegen alles Fremde mobilisieren.

Warum erst jetzt eine solche Produktion, die den etwas behäbigen Ruf des Hauses aufpolieren soll? Er habe zwei Absagen im fortgeschrittenen Planungsstadium erleiden müssen, unter anderem vom polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki, sagt Staatsoperndirektor Dominique Meyer. Außerdem brauchten die zeitgenössischen Tonkünstler viel Zeit, um ihre komplexen Werke fertigzustellen. «Mozart hat «La Clemenza di Tito» in 17 Tagen geschrieben, so was ist heute natürlich undenkbar», sagt Meyer mit ironischem Unterton.

Als Dirigenten der Neuproduktion wurde Ingo Metzmacher gewonnen, ein Spezialist für neue Töne; für die Inszenierung ist die wie Grünbein aus Dresden stammende Regisseurin Andrea Moses zuständig. Die Sängerinnen und Sänger rekrutieren sich fast ausnahmslos aus dem hauseigenen Ensemble, darunter der lange Zeit an der Staatsoper engagierte polnische Bassbariton und gefeierte Wagner-Interpret Tomasz Konieczny.

Für den Librettisten Grünbein ist der Hauptheld der Geschichte der schlafende Fluss, die Dorma. Die wird im Laufe der Zeit ihre Farbe ändern, braun und gewaltig werden. An ihren Ufern werden Agitatoren das Volk aufwühlen, ein Komponist namens Krachmeyer wird den drohenden Untergang des Abendlandes beklagen. «Es versinkt vor unseren Augen in einer Flut, einem Überfluss fremder Stimmen und Rhythmen», heißt es dazu im Textbuch der Oper, die schon 2014 in Auftrag gegeben wurde.

Dass die Oper gerade jetzt herauskomme, wo in Österreich die rechtspopulistische FPÖ in der Regierung sitzt, nennt Meyer einen Zufall. Ungeachtet dessen sei es wichtig, dass eine neue Oper auch eine aktuelle gesellschaftliche Problematik widerspiegele. Kurz vor dem Ende seiner Intendanz hat der Staatsopernchef in fast genau einem Jahr noch einen Uraufführungs-Pfeil im Köcher. Dann wird, wenn alles gut geht, Olga Neuwirths neueste Oper «Orlando» nach dem gleichnamigen Roman der Frauenrechtlerin Virginia Woolf Premiere feiern.

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