Das Trickster Orchestra aus Berlin begibt sich mit dem Konzertprogramm „Amphiphilie“ gemeinsam mit Ensembles aus der Metropolenregion Rhein-Neckar auf die Suche nach den vielsprachigen Geschichten von Migration und Postmigration, von Anschluss und Ausschluss, von Desintegration und dem Sog der Mehrheitsgesellschaft – und damit nach einem Gesamtklang, der die Spannung der Gleichzeitigkeit erträgt.
»AMPHIPHILIE«
Vermutlich braucht es nicht weniger als eine neue Sprache und Musik, um die diversen Realitäten unserer Gesellschaft aufzufangen. Welche Geschichten werden hör- und erzählbar, wenn wir den Glauben an klar voneinander abgrenzbare Identitäten aufgeben? Und welche lyrisch-musikalischen Impulse geben die verschiedenen Stimmen eines „neuen WIRs“, wenn sie kraftvoll wie verletzlich nebeneinander erklingen?
Das Trickster Orchestra sucht mit dem Konzertprogramm „Amphiphilie“ nach den vielsprachigen Geschichten von Migration und Postmigration, von Anschluss und Ausschluss, von Desintegration und dem Sog der Mehrheitsgesellschaft – und begibt sich dadurch auf die Suche nach einem Gesamtklang, der die Spannung der Gleichzeitigkeit erträgt. Der Eigenschaft amphiphiler Substanzen folgend, sowohl wasserliebend als auch fettliebend zu sein, lösen sich im Konzertstück bekannte Stilistiken gleichermaßen in Improvisation und kollektiver Komposition auf. Das Trickster Orchestra verbindet sich im Sinne dieses „Sowohl-als-auch“ zur Uraufführung im BASF-Feierabendhaus mit Mitgliedern der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, des Orchesters am Nationaltheater Mannheim, des Kurpfälzischen Kammerorchesters, des Klangforum Heidelberg und des Ensemble Colourage.
Das Libretto stammt von der Autorin und Theaterschaffenden Seda Keskinkılıç, die anhand von persönlichen Gesprächen und Begegnungen mit Menschen in der Rhein-Neckar-Region ganz unterschiedlichen Stimmen, Träumen und Zukunftsgedanken einen lyrischen Ort im Konzertstück gibt.
IDEE & KOOPERATION
Das Trickster Orchestra arbeitet seit 2013 daran, das Konzept des Orchesters neu zu denken. Das klassische Symphonieorchester ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Das Trickster Orchestra aber fragt, welche Form diese klassischen Klangkörper in einer postmigrantischen Gesellschaft wie der Deutschlands im 21. Jahrhundert annehmen. Teil dieses Selbstverständnisses ist es, die Praxis von Konzertreisen zu verändern: Statt eines zuvor eingespielten Repertoires, das an wechselnden Orten als frontales Konzert stattfindet, verbringt das Trickster Orchestra längere Zeiträume an einem Ort. Dort sucht es nach Verbündeten, die dieselben Fragen bewegen und die sich auf neue Klangexperimente, neue Arbeitsmethoden und trans-traditionelle Besetzungen einlassen. Die Ergebnisse solcher lokaler Orchesterresidenzen werden neben anderen Programmen zumeist zum Abschluss in einem Konzert vorgestellt. Das Trickster Orchestra arbeitet hierzu sowohl mit Schulen und Studierenden wie auch mit professionellen Solist:innen und regionalen Ensembles zusammen.
Das Saisonthema 2023 und 2024 des TOR4 der Kulturförderung der BASF lautet: „Wie geht das neue WIR?“. In diesem Rahmen hat die BASF das Trickster Orchestra als das wichtigste deutsche Orchester im Bereich Diversität und zeitgenössische Musik zu einer Residenz eingeladen. Im März 2023 wurde die erste Reihe von Konzerten, Meisterklassen und Workshops präsentiert. Als Abschluss dieses Aufenthalts kehrt das Trickster Orchestra ein Jahr später, im Februar 2024, noch einmal nach Ludwigshafen zurück. Über ein Jahr lang hat es sich mit herausragenden regionalen Ensembles verbunden, die sich durch ihre musikalische Exzellenz ebenso auszeichnen wie durch ihre Offenheit, ihre Komfortzonen zu verlassen. Sie alle decken ganz verschiedene Stilrichtungen der Kunstmusik ab. Mit der Mannheimerin Seda Keskinkılıç hat das Trickster Orchestra eine meisterhafte und feinsinnige Autorin für die Erarbeitung des Librettos gewinnen können. Außerdem hat sich das Orchester mit Kulturvereinen, Geflüchteteninitiativen, postmigrantischen Communities und weiteren Kulturakteur:innen der Metropolregion vernetzt.
„Wie geht das neue WIR?“, diese Frage betrifft für das Trickster Orchestra einerseits die Anerkennung und Ermöglichung von Vielfalt und Multiperspektivität auf allen Ebenen der künstlerischen Arbeit sowie die Erprobung neuer Musikformate. Andererseits hat sich das Trickster Orchestra zum Ziel gesetzt, einige der wichtigsten Klangkörper der Rhein-Neckar-Region zu verbinden, um zugleich zu neuen Kollaborationsformen zu finden, die die herausragenden Akteur:innen des regionalen Musiklebens erstmals zusammenführen. Im gemeinsamen Improvisieren, im Zusammenspiel neuer, nie gehörter Besetzungen symphonischer Größe und in der Würdigung der kreativen Bereicherung, die durch Migration die Region und Land heute prägen, setzen die beteiligten Musiker:innen eine der derzeit wichtigsten gesellschaftlichen Fragen akustisch um. „Amphiphilie“ setzt damit ein Zeichen für den hohen Wert von Vielfalt, Einwanderung und kollaborativem Geist. Das neue WIR wird so ganz konkret als gemeinschaftliche Suche nach neuen Klängen und Formen der genre- und institutionsübergreifenden Orchestermusik gestaltet – eine Zusammenarbeit, die die Region bisher noch nicht erlebt hat.
Freitag, 23. Februar 2024, 20:00 Uhr
Konzert im BASF Feierabendhaus
Leuschnerstraße 47, 67063 Ludwigshafen am Rhein
»AMPHIPHILIE«
Trickster Orchestra & Ensembles der Metropolregion Rhein-Neckar
Mitglieder der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, des Orchesters am Nationaltheater Mannheim, des Kurpfälzischen Kammerorchesters, des Klangforum Heidelberg und des Ensemble Colourage
Seda Keskinkılıç – Libretto
Philip Geisler – Dramaturgie
Cymin Samawatie & Ketan Bhatti – Künstlerische Leitung & Komposition