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Von Kongo bis Capoeira - Tanzkongress in Düsseldorf

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Düsseldorf - Tanz hat an den Bühnen in Deutschland zumeist nicht den gleichen Stellenwert wie Schauspiel oder Oper. Wenn gespart werden muss, wird der Rotstift oft als erstes beim Tanz angesetzt. Der Internationale Tanzkongress in Düsseldorf will von Donnerstag bis Sonntag mit Referenten aus aller Welt zeigen, wie wichtig Tanz in der Gesellschaft ist.

 

Als «kultureller Leuchtturm» ist der Kongress mit mehr als 250 Referenten nach erfolgreichen Ausgaben in Berlin (2006) und Hamburg (2009) inzwischen in die Spitzenförderung des Bundes aufgenommen worden. Zur Eröffnung reist deshalb auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann an den Rhein.

Beim Tanzkongress geht es nicht um eine Leistungsschau – wobei natürlich auch spektakuläre Aufführungen gezeigt werden. Vielmehr wird die NRW-Landeshauptstadt drei Tage zu einer Art künstlerischem Arbeitslabor, in dem Tänzer, Choreographen, Vertreter staatlicher Bühnen und der freien Szene, aber auch Wissenschaftler, Mediziner und Funktionäre Tanz in all seinen Facetten diskutieren - vom eher trockenen Urheberrecht bis zur politischen Sprengkraft des Tanzes.

«Einen vergleichbaren Kongress gibt es in anderen Ländern nicht», sagt die künstlerische Leiterin Sabine Gehm. Die Referenten kommen aus allen Teilen der Welt, aus den USA, Europa, dem Pazifikraum und Afrika. Koryphäen wie die Choreographen William Forsythe, Anne Teresa De Keersmaeker oder Martin Schläpfer geben Einblick in ihre Arbeit.

Ein kubistisches Ballett aus den 20er Jahren, das einst der Avantgarde-Maler Fernand Léger mitentwickelt hatte, wird zur Eröffnung des Kongresses aufgeführt. Der kongolesische Choreograph Faustin Linyekula hat dieses sogenannte «Ballet nègre» rekonstruiert und ist den Nachwirkungen des Kolonialismus auf unsere heutigen Körperbilder auf der Spur.

Die Tradition des Tanzkongresses geht nach Angaben Gehms zurück in die 20er Jahre. Beim Kongress wird auch diskutiert, wie Tanz für die Nachwelt archiviert wird und wie es in Zeiten des Internets eigentlich mit dem Urheberrecht aussieht. Wie wichtig diese Themen sind, wurde spätestens seit dem plötzlichen Tod der legendären Wuppertaler Choreographin Pina Bausch 2009 klar. Ihr Sohn Salomon Bausch stellt das komplizierte Archivierungsprojekt vor.

Das Wuppertaler Tanztheater zieht mit Bausch-Choreographien aus 40 Jahren derzeit noch höchst erfolgreich um die Welt. Die Tänzer sind teilweise seit Jahrzehnten dabei und fast alle haben mit Bausch zusammengearbeitet. Noch werden die Bewegungen in der Bausch-Compagnie «von Tänzer zu Tänzer» weitergegeben. Doch auch die Tänzer werden älter. «Tanz verbindet man mit dem perfekten jungen Körper», sagt Gehm. In der westlichen Welt ist die Karriere eines klassischen Balletttänzers mit Mitte 30 oft vorbei. Bei Pina Bausch tanzen dagegen auch noch 60-Jährige. In der japanischen Tanzästhetik - ebenfalls ein Thema des Kongresses - genießen sogar professionelle Tänzer über 80 noch ein hohes Ansehen.

Tanz ist auch politisch - etwa in Indien, wo Yoga, Tanz und Aktivismus zu einer politischen Kunstform verschmelzen. Oder Brasilien: Tänzer gehen in zum Teil brachialer Tanztechnik körperliche Risiken ein, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen. Im Westen kommt der afro-brasilianische Kampftanz Capoeira als gemäßigtes Bauch-Beine-Po-Training in den Fitnessstudios an.

Dorothea Hülsmeier,

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