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Weltpremiere: Gänsehautmomente beim Musical «Wüstenblume». Foto: Theater St. Gallen
Weltpremiere: Gänsehautmomente beim Musical «Wüstenblume». Foto: Theater St. Gallen
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Weltpremiere: Gänsehautmomente beim Musical «Wüstenblume»

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St. Gallen - Ein Leben wie ein Märchen: Die somalische Nomadin Waris Dirie kommt als Hausmädchen nach London, wird als Model entdeckt und legt eine Mega-Karriere hin. Aber über Waris' Leben hängt ein dunkler Schatten. Kann ein Musical so einem sensiblen Stoff gerecht werden?

Das Musical «Wüstenblume» wühlt auf. Es ist mehr als ein Abend mit einfühlsamer Musik und schönen Texten, mit energiegeladenen Darstellerinnen und exotischem Bühnenbild. Es geht darin um mehr als das Leben eines Nomadenmädchens aus Somalia, das gegen alle Widerstände eine internationale Modelkarriere hinlegt.

Das Publikum war auf jeden Fall begeistert und bejubelte die stimmgewaltige Hauptdarstellerin Kerry Jean. Riesenapplaus bekam auch die Frau, deren Leben das Musical erzählt und die am Samstagabend persönlich zur Weltpremiere nach St. Gallen in der Schweiz gekommen war: Waris Dirie. Es ist ein Abend, der starke Frauen feiert.

Dirie wurde als Nomadin geboren. Sie floh vor einer Zwangsheirat durch die Wüste, kam, ohne Lesen und Schreiben zu können, als Hausmädchen nach London und wurde dort von einem Fotografen entdeckt. Den dunklen Schatten, der bis heute über ihrem Leben liegt, machte sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere 1997 publik: Dirie (Jahrgang 1965, ihr genaues Geburtsdatum kennt sie nicht), wurde als kleines Mädchen beschnitten. Sie schrieb darüber das Buch Wüstenblume, das ein Welterfolg und auch verfilmt wurde. Aber weibliche Genitalverstümmelung - ist das Stoff für ein Musical?

Es sei eine Herausforderung gewesen, so ernsten Stoff als Musical zu verarbeiten, sagte Regisseur Gil Mehmert («Das Wunder von Bern») im Vorfeld. Geschaffen hat er eine Geschichte der Hoffnung: Er zeigt Dirie als starke Frau, die ihr Leben selbst in die Hand genommen hat. Daran könnten viele Menschen andocken. «Die Geschichte ist, dass man die Schublade, in der man steckt, erweitern kann», sagte er.

Mehmert hält sich eng an die Autobiografie. Er setzt Diries Leben ohne Kitsch in Szene. Eine versuchte Vergewaltigung, die herzzerreißende Erkenntnis über das, was ihr angetan wurde, ein schwieriger Arztbesuch - es funktioniert auch auf der Musical-Bühne, dank starker Texte (Frank Ramond) und mitreißender Musik (Uwe Fahrenkrog-Petersen («99 Luftballons»). Das ausschließlich aus Männern bestehende Leitungsteam schafft Gänsehaut-Momente.

Neben Kerry brilliert auch Naomi Simmonds als junge Waris, und die Nebenrollen, etwa Waris' Freundin Marilyn (Dionne Wudu), die Modelagenturinhaberin Veronika (Susanna Panzner) und der saufende Scheinehemann O'Sullivan (Jogi Kaiser) sind stark besetzt.

Die echte Waris Dirie spricht an diesem Abend nicht. Sie verneigt sich nur vor dem Publikum und klatscht dem Ensemble Beifall. Sie hat dem Musical zugestimmt, um weiter Bewusstsein für die Gewalt zu wecken, die Mädchen in vielen Ländern noch heute tagtäglich angetan wird. Einziges Ziel des brutalen Eingriffs, der oft mit unsauberen Messern oder Rasierklingen vollzogen wird: sicherzustellen, dass die Mädchen bis zur Ehe Jungfrau sind.

Sie leiden oft ihr Leben lang Qualen, und nicht wenige sterben bei dem Eingriff. «Ich kann nicht vergessen, was mir angetan wurde», sagte Dirie vor einem Jahr bei der Ankündigung des Musicals. «Aber ich lebe noch.» Sie hat jahrelang als UN-Botschafterin gegen die Genitalverstümmelung gekämpft und setzt sich für Mädchen in Afrika heute mit ihrer Stiftung «Desert Flower» - Wüstenblume» ein.

Der Name ist die Übersetzung ihres Namens «Waris» aus dem Somalischen. «Eine Wüstenblume blüht auf kargem Boden, wo nur wenige Dinge überleben können», heißt es im Musical. «Lasst uns diese verdammte Hölle beenden, diesen Missbrauch der Kinder», sagte Dirie dem «St. Galler Tagblatt» vor einem Jahr. «Weibliche Genitalverstümmelung ist ein Verbrechen.»

Drei Millionen Minderjährige in etwa 30 Ländern in Afrika, dem Nahen Osten und auch Indonesien in Asien laufen jedes Jahr Gefahr, beschnitten zu werden, wie das UN-Kinderhilfswerk Unicef schätzt. Insgesamt leben nach Schätzungen mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen mit verstümmelten Genitalien.

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