Seit Mitte März mussten sich die Zuschauer gedulden. Nun fand nach mehr als fünf Monaten wieder ein Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie statt. Publikum und Musiker freuten sich über ein zurückgewonnenes Stück Normalität.
«Das Geräusch gerade haben wir sehr vermisst», ruft Julia Hülsmann nach dem tosenden Applaus des Publikums ins Mikrofon. Gemeinsam mit dem Vibraphonisten Christopher Dell und dem Posaunisten Nils Wogram steht die Jazzpianistin am Sonntagabend in der Hamburger Elbphilharmonie auf der Bühne. Nach fünf Monaten coronabedingter Schließung des Konzerthauses ist der Auftritt der drei Musiker der erste Testlauf vor Live-Publikum.
Um die strengen Hygienemaßnahmen umzusetzen, dürfen statt 2100 lediglich 628 Besucher in den Großen Saal. Nur jede zweite Sitzreihe wird genutzt und zwischen jedem Platz sind jeweils zwei Sessel gesperrt. Auch vieles andere ist neu: Die Konzerte dauern nur etwa eine Stunde und es gibt keine Pausen mehr. An den Wänden hängen Spender mit Desinfektionsmittel. Bodenmarkierungen am Einlass, vor den Toiletten und vor dem Tresen der Bar erinnern die Besucher daran die Abstandsregeln einzuhalten. Auf allen Laufwegen muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden - auch das Personal trägt schwarze Masken mit weißer «Elphi»-Silhouette.
Als erstes dürfen sich an diesem Abend geladene Gäste des Vereins «Freundeskreis Elbphilharmonie und Laeiszhalle», der unter anderem freiberufliche Musiker in der Corona-Krise unterstützt hat, über das Konzerterlebnis freuen. Die ausgedünnten Ränge in dem imposanten Saal sind ein ungewohntes Bild. «Es sieht so leer aus», sagt ein Junge, der gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder ins Konzerthaus gekommen ist.
«Ich danke Ihnen, dass Sie heute Abend unsere Versuchskaninchen sind», begrüßt Intendant Christoph Lieben-Seutter zu Beginn das Publikum. Er bitte um Verständnis für die Maßnahmen. «Wir wollen den Konzertbesuch dennoch so locker wie möglich gestalten», erklärt der 56-Jährige.
Hülsmann, Dell und Wogram erinnern mit dem eigens zusammengesetzten Programm «Come together» an den ersten Auftritt der Beatles in Hamburg vor rund 60 Jahren. In der einstündigen Show spielen die Musiker eigene Interpretationen bekannter Songs der weltbekannten Band wie «Yesterday», «Eleanor Rigby» und «Can't buy me love». «Wir drücken die Daumen, dass der Test gut verläuft und es irgendwie weiter geht», sagt die 52-jährige Hülsmann. Vom Publikum gibt es viel Beifall. «Endlich wieder ein Stück Normalität», freut sich eine 68-jährige Besucherin.
Am 12. März fand hier das letzte Konzert vor Live-Publikum statt. Seitdem wurden mit dem digitalen Angebot «#ElphiAtHome» virtuelle Hausführungen oder kleine Konzerte und ältere Konzert-Mitschnitte im Internet gestreamt. Bis Ende August werden auf dem Platz vor der Elbphilharmonie zudem Konzerte live aus dem Großen Saal übertragen und auf einer großen Leinwand gezeigt.
Ursprünglich war das Testkonzert der drei Musiker vor Live-Publikum bereits am 17. August geplant, musste aber aufgrund eines technischen Defekts verschoben werden. Ab dem 1. September soll der Spielbetrieb in der «Elphi» wieder aufgenommen werden. Geplant ist der Start in die neue Konzertsaison mit einem Auftritt des NDR-Elbphilharmonie-Orchesters unter Alan Gilbert.