Salzburg - Über das richtige Mischverhältnis von Kunst und Kommerz wurde bei den Salzburger Festspielen schon immer gestritten. Zu Herbert von Karajans Zeiten war es die Allgegenwart der Schallplattenindustrie, die Kritiker regelmäßig auf die Palme brachte. Doch der Werbe- und Sponsorenrummel von einst war nichts gegen das, was heute üblich ist.
Längst beherrschen Großunternehmen wie Nestlé, Audi, Siemens, der österreichische Versicherungsriese Uniqua und die Bank Credit Suisse zur Festspielzeit das Salzburger Straßenbild. Mit dem Uhrenhersteller Rolex kam gerade ein sechster Hauptsponsor hinzu. Das Ende der Fahnenstange ist aber längst nicht erreicht. Denn Alexander Pereira, der neue Intendant des weltweit zu den Größten zählenden Musik- und Theaterfestivals hat sich einem rasanten Wachstumskurs verschrieben. Er will die Festspiele noch attraktiver, exklusiver, glamouröser machen. Für diesen Sommer hat er bereits 20 Prozent mehr Karten auflegen lassen und das Programm um eine Woche mit Sakralmusik verlängert, sodass die Festspiele bereits am Freitag (20. Juli) beginnen. Das Programm protzt mehr denn je mit großen Namen wie Placido Domingo, Anna Netrebko und José Carreras.
Für seine Wachstumsoffensive braucht Pereira vor allem eines: Geld. Zusammen mit Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler ist er unermüdlich auf allen Kontinenten unterwegs, um neue Sponsorengelder einzusammeln. Die ohnehin satten Kartenpreise wurden nochmals erhöht. Und auch vom Staat, der dieses Jahr 13,5 Millionen Euro des 56-Millionen-Budgets trägt, will Pereira einen Zuschlag. In der Sitzung des Festspielkuratoriums im Mai hatte der Intendant für 2013 sogar 64 Millionen Euro veranschlagt. Dann ist Wagner- und Verdi-Jahr. Und "die beiden Herren" , sagte Pereira süffisant, hätten "leider keine Symphonien geschrieben".
Expansive Wünsche
Doch ein Budgetsprung um 25 Prozent in nur zwei Jahren war den Festspielkontrolleuren zu viel. "Das Kuratorium will geplanteres, konstanteres und langsameres Wachstum", sagte dessen Vorsitzender, der stellvertretende Salzburger Landeshauptmann (Ministerpräsident) Wilfried Haslauer. Einstimmig deckelte das von Politikern beherrschte Gremium das Budget 2013 bei 60 Millionen Euro. "Mehr werden wir nicht genehmigen."
Pereira drohte sogleich, wenn auch verklausuliert, mit Rücktritt, falls man seinen expansiven Wünschen nicht nachkomme. Damit hatte Salzburg wieder das Polit-Sommertheater, das der Kunst an der Salzach voranzugehen pflegt. Eigentlich hätte man wissen müssen, wen man sich holt. Schon in Zürich, wo Pereira mehr als ein Jahrzehnt Chef des wichtigsten Schweizer Opernhauses war, hatte er vorgemacht, wie man eine Kulturinstitution auf wirtschaftlichen Erfolg trimmt.
Den von Kritikern regelmäßig geäußerten Vorwurf, dass dabei die Kunst auf der Strecke bleibt, hält Pereira für ungerecht. "Man hat mich oft in eine Geldecke gestellt und den Anteil des Künstlerischen dieses Berufes in Bezug auf meine Person bagatellisiert", sagte er der österreichischen Zeitung "Standard". "Aber diejenigen, die das beurteilen können, nämlich die Künstler, die wissen schon, dass sie in mir auch im Künstlerischen einen Partner haben."
Wachsen oder sparen?
Jüngst ergriff auch der frühere Wiener Staatsopernintendant Ion Holender auf der Salzburger Sommertheaterbühne das Wort. In einem Zeitungskommentar mokierte er sich über den Sponsorenkult, der die Kunst zu erschlagen drohe. "Künstlerische Inhalte, Spieldramaturgie, die Künstler selbst sind von der Finanzkraft, deren Effizienz und Wachstum dominiert." Aus München meldete sich wieder einmal Nikolaus Bachler, Chef der Bayerischen Staatsoper. Es gehe nicht darum, wie viele Premieren man stemmen könne, sondern wie deren Qualität beschaffen sei, sagte er dem ORF.
Dass Salzburg bald ohne Festspielchef dasteht, glaubt Bachler nicht. "Pereira wollte nirgends anders hin als nach Salzburg. Warum sollte er da zurücktreten?" Wer sich im Budgetstreit schließlich durchsetzt, entscheidet sich wohl in der nächsten Kuratoriumssitzung am 26. Juli. Wahrscheinlich gibt es einen Kompromiss, der beiden Seiten erlaubt, ihr Gesicht zu wahren.