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Zukunftsmusik - Beim Klavierduo-Festival in Bad Herrenalb wird per Internet musiziert

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Bad Herrenalb - Im Konzertsaal in Bad Herrenalb steht ein Flügel. Obwohl kein Pianist vor ihm sitzt, erklingen Töne. Die Tasten bewegen sich scheinbar wie von Geisterhand, gesteuert aus weiter Ferne. Ein solches Erlebnis soll dem Publikum am Freitagabend beim «Piano-Chat» des 8. Internationalen Klavierduo-Festivals im Schwarzwälder Bad Herrenalb geboten werden.

Wenn in dem Ort am Freitag (3. Juni) um 20.00 Uhr das Konzert beginnt, fangen im amerikanischen Texas um 13.00 Uhr Ortszeit Mario und Nio Ajero an, zu spielen. Die amerikanischen Pianisten lösen mit ihrem Spiel elektronische Impulse aus, die per Internet übertragen werden und dafür sorgen, dass die Tasten des in Bad Herrenalb aufgestellten Flügels sich bewegen und das Instrument erklingt. Dazu sieht man die beiden Pianisten auf der Leinwand über den Internet-Telefondienst Skype. Raum und Zeit werden mithilfe modernster Technik aufgehoben.

Für den «Piano-Chat» hat Christoph Sischka, Gründer und Leiter des Klavierduo-Festivals, eigens ein Netzwerk zwischen den Instrumenten aufgebaut. Der Professor für Klaviermethodik und Klavier an der Freiburger Musikhochschule sieht das nicht als witzige technische Spielerei an. «Die Instrumente kommunizieren über das Internet», sagt er. «Es geht nicht um den Effekt, sondern um die Eröffnung einer weiteren Dimension musikalischer Möglichkeiten.»

Von den Möglichkeiten des World Wide Webs für die Musik ist auch Markus Rindt, Gründer der Dresdner Sinfoniker, seit Jahren überzeugt. Die Dresdner Sinfoniker hatten bereits 2009 ein Live-Zusammenspiel mit Musikern in Venedig. Dort spielte das Ensemble Ex Novo, zeitgleich musizierten die Dresdner Sinfoniker im Festspielhaus Hellerau. Mikrofone und Kameras zeichneten die Klänge in Dresden und Venedig auf, und mit einer speziellen Software und einer ganz normalen Internetverbindung haben zwei Ensembles an zwei verschiedenen Orten zusammen dasselbe Stück gespielt, wie er erzählt.

«Nein, das soll nicht das Konzert der Zukunft darstellen», meint Christoph Sischka. Dasselbe sagt auch Markus Rindt. Beide sehen das Musizieren in Verbindung mit dem Internet als Errungenschaft für den praktischen Gebrauch. Markus Rindt denkt an gemeinsame Proben, für die keine Anreise mehr erforderlich ist. Christoph Sischka nutzt die Technik für die Vorbereitung von Auftritten.

Musiker müssen Zeitverzögerung einkalkulieren
Einen kleinen Haken hat die Sache. «Die Übertragung der Klänge ist manchmal etwas zeitverzögert», erklärt Sischka. Das müsse er einkalkulieren, wenn er am 3. Juni im zweiten Teil des Piano-Chat-Concerts gemeinsam mit seiner Frau, der Pianistin Eriko Takezawa, in die Tasten greift.

Seine Tasten befinden sich nämlich in Bad Herrenalb, Eriko Takezawa spielt gleichzeitig zu Hause in Freiburg. Über Internet werden die Impulse jeweils auf das andere Instrument übertragen, sodass zwei Menschen an verschiedenen Orten zusammen musizieren. Das ist vierhändiges Klavierspiel für Fortgeschrittene.

Mit der Zeitverzögerung in der Übertragung hat auch Markus Rindt Erfahrung. Für das Konzert in Venedig wurde eigens ein Stück komponiert, das ruhig angelegt ist und in dem komplexe rhythmische Passagen jeweils nur von einem der beiden Ensembles gespielt werden.

In Bad Herrenalb wird im Piano-Chat-Concert eine weitere Anwendung moderner Technik gezeigt: Eine Sängerin schüttelt sozusagen ihre Begleitung aus dem Handgelenk. Katharina Schwesinger steuert Tempo und Dynamik der zuvor aufgezeichneten Klavierstimme zu ihren Liedern über eine sogenannte Wii-Fernbedienung, eine Bedienung, die über eingebaute Bewegungssensoren verfügt.

Das Publikum darf auch mitmachen im Piano-Chat-Concert und ausprobieren, wie sich das Musikstück mit dieser Fernbedienung verändern lässt. Mit elektronischer Musik hat das alles nichts zu tun, betont Sischka. Ob der menschliche Finger oder ein Lichtimpuls den Klang auslöst, immer schlägt das Hämmerchen von unten an die Klaviersaite und erzeugt einen natürlichen Ton.