Sie lernten sich im Posaunenchor der Großstadt kennen und beschlossen, gemeinsam auf dem Land alt zu werden: Zwei Ehepaare wagten den Neuanfang am Rande des Oderbruchs. Besucher kommen nicht nur zu Konzerten im ehemaligen Stall zu ihnen.
Vierlinden – Am Anfang stand alles auf einem großen Bogen Packpapier: ein gemeinsamer Alterswohnsitz auf dem Land mit großem Gemüsegarten und Obstbäumen. Das Marmeladekochen in einem Feldsteingebäude mit weitem Blick übers Land. In einem Berliner Café zeichneten Gerlinde Grießmann, ihr Mann Klaus Rüdiger Falk und das befreundete Ehepaar Elisabeth Körner und Wolfgang Steinheim auf, wie sie sich das gemeinsame Leben im Alter jenseits der Großstadt vorstellten. Zehn Jahre später sitzen die vier Mittsechziger in ihrem wahr gewordenen Traum in Alt Rosenthal, einem Ortsteil von Vierlinden (Kreis Märkisch-Oderland).
In einem evangelischen Posaunenchor in Berlin hatten sie sich kennengelernt, angefreundet und schließlich Pläne geschmiedet. „Natürlich ist das Zusammenleben letztlich eine Herausforderung – die Freundschaft muss wachsen und man muss in der Lage sein, sich immer wieder zu versöhnen“, sagt Grießmann. Sie habe einfach gern „Leute um mich herum“, wollte nicht allein mit ihrem Mann alt werden, erinnert sie sich. Da weder Kinder noch Familie in der Nähe seien, brauchen sie Kultur und Begegnungen im Ruhestand, ergänzt Körner, die noch als Musikerin in der Hauptstadt arbeitet und gemeinsam mit den anderen eine Konzertreihe in der märkischen Provinz etabliert hat.
„Zufall und Glückssache“ nennen die vier Wahl-Rosenthaler, dass sie das Grundstück vor gut neun Jahren fanden. „Ursprünglich wollten wir in die Uckermark, hatten uns da schon einige zum Verkauf stehende Anwesen angeschaut“, erinnert sich Falk. Letztlich habe es nicht gepasst und die Suche ging weiter.
„Bei unseren Erkundungen in Brandenburg kamen wir auch durch Alt Rosenthal. Einen Tag später entdeckten wir den ehemaligen alten Gutshof des Ortes im Internet, der zum Verkauf stand“, ergänzt seine Frau. Sie hat recherchiert, dass das weitläufige Grundstück ursprünglich ein Vierseitenhof mit Feldsteinbauten gewesen ist. Doch davon war nur noch die Bebauung an der Ostseite erhalten.
Dennoch beschlossen die bisherigen Großstädter zu bleiben. Und das nicht in erster Linie, weil sie sich auf dem knapp 5000 Quadratmeter großen Grundstück im Streitfall durchaus auch aus dem Weg gehen können. Ausschlaggebend war auch der ehemalige Stall mit den Gewölbedecken im Mittelteil des Komplexes, den die Musiker zu einem Veranstaltungssaal machen wollten. „Das Thema Gastfreundschaft wird bei uns groß geschrieben. Wir wollten von Beginn an ein offenes Haus und natürlich weiter gemeinsam musizieren“, erzählt Elisabeth Körner, die wie ihr Mann ursprünglich aus Bayern stammt.
Die ersten Jahre haben die vier dann viel beräumt, eine Rampe und doppelte Bitumendächer abgerissen, Feldsteinmauern wieder standsicher gemacht, die alten Stallungen umgebaut und wohnbar gemacht. „Hätten wir abgerissen und neu gebaut, wäre das kostengünstiger gewesen“, deutet Falk schmunzelnd an.
Die meiste Kraft hätten sie in den weitläufigen Garten gesteckt, um ihn nach ihren Vorstellungen anzulegen – ein grünes Rasenmeer mit bunten Blumeninseln, dazwischen Obstbäume und Beerenbüsche sowie gemütlichen Sitzecken. Hinter dem Haus liegt der Nutzgarten mit Gemüse und Kräutern. Eingefleischte Experten seien sie nicht, aber die Gartenarbeit entspanne, sagt Grießmann.
„2015 begannen wir den Kampf gegen Giersch und Vogelmiere, Unkräuter, die hartnäckig immer wieder kommen“, ergänzt Körner. Der Boden des ehemaligen Gutshofes habe überwiegend aus Schutt bestanden. „Was wir da alles rausgeholt haben: Schuhe, rostige Metallteile, alte Flaschen“, erinnert sich Falk kopfschüttelnd. Immer wieder hätten sie Mutterboden herangeholt und ausgebracht, um etwas anpflanzen oder säen zu können.
„Für meinen Geschmack könnte es weniger Rasenfläche sein. In den vergangenen extrem trockenen Sommern sah der immer nur gelb und braun aus“, meint Grießmann. Über den Klimawandel und angepasste Pflanzen fachsimpelten sie auch mit anderen.
Seit drei Jahren zeigen die vier ihre grüne Oase gern auch Besuchern, zu den Konzerten, aber auch bei der Aktion „Offene Gärten im Oderbruch“. Am 10. und 11. Juni öffnen die Alt Rosenthaler wieder ihre Gartenpforte, ebenso wie 21 andere Gartenbesitzer. „Das Spannendste sind die Gespräche mit den Besuchern. Man weiss ja nie, wer so kommt“, erzählt Organisatorin Susanne Reid, die selbst im alten Pfarrhaus Zechin (Märkisch-Oderland) wohnt – umgeben von einem malerischen Rosengarten, der Leidenschaft ihres Mannes.
Nach wie vor, so sagt sie, seien es überwiegend Zugezogene, die ihre Gärten für Gäste öffnen. „Auch alteingesessene Oderbrücher haben wunderschöne botanische Refugien, zeigen sie aber nicht gern anderen“, bedauert Reid, die mit ihrer Familie 2015 aus Berlin ins Oderbruch zog.
Auch in der Uckermark wird die regionale Gartenkultur gepflegt und gern gezeigt. „Wir haben meist mehr als 50 Teilnehmer an den offenen Gärten – sowohl Zugezogene, als auch Ur-Uckermärker“, erzählt Alena Lampe von der tmu Tourismus Marketing Uckermark GmbH, die die Aktion koordiniert. Viele ältere Gartenbesitzer hätten ein paar Jahre pausiert und machten in diesem Jahr am 10. und 11. Juni sowie am 9.
und 10. September wieder mit, weil sie inzwischen Unterstützung von Jüngeren bei der Gartenpflege hätten. Andere seien mit der Rente ins bisherige Wochenend-Domizil gezogen und hätten erst jetzt Zeit für den Garten. „Ganz wichtig ist der Austausch – nicht nur von Fachwissen, auch von Pflanzen oder Saatgut“, hat Lampe beobachtet.