Vor 100 und 50 Jahren. Im Zentrum steht Felix Mendelssohn Bartholdy der Betrachtungen.
Vor 100 Jahren
… in der Mendelssohn-Nummer prangert der Leitartikler Max Steinitzer das Unverständnis und das Vorurteil gegenüber der Persönlichkeit Mendelssohns an: „Dass gerade jetzt vor hundert Jahren ein großer Deutscher das Licht der Welt erblickte, wird den meisten meiner Hörer gleichgültig sein … Auch gesellschaftlich höherstehende Menschen teilen eine gewisse Geringschätzung gegen Mendelssohn.“ Es sei „natürlich ein gutes Stück unbewussten reflektierten Neides, der sich in dem abfälligen Urteil über die von Hause aus gutsituierten Bankierssöhne Mendelssohn und Meyerbeer ausspricht“. – Seine Kammermusik, während aller Zeitabschnitte entstanden, so kommentiert A. Eccarius-Sieber, werde „heutzutage leider allzu sehr vernachlässigt“. – Die „eigentümliche Bedeutung und Schönheit seiner Klaviermusik“ würdigt Walter Niemann: Sie läge nicht in der Technik oder in der Farbe. „Sie bleibt virtuos, aber im klassischen oder besser im klassizistischen Sinne. So darf man ihn auch als Klavierkomponisten einen klassizistischen Romantiker nennen. Bei seiner peinlich genauen Sorgfalt in der Niederschrift … ist es nicht verwunderlich, dass wir kaum von einem anderen Meister so vortreffliche Ausgaben besitzen wie von ihm; sie unterscheiden sich nur in kleinen Zügen in der Bezeichnung durch ihre Herausgeber, die fast sämtlich die lebendige Tradition als Schüler, Jünger und Zeitgenossen Mendelssohns verkörpern.“
(Neue Musik-Zeitung, Stuttgart-Leipzig, 4. Februar 1909, Seite 181ff.)
Vor 50 Jahren
… sieht der Musikschriftsteller Heinrich Lindlar „Felix Mendelssohn Bartholdy im neuen Licht“, geht auf seine ästhetische Auseinandersetzung zwischen Reaktion und Fortschritt ein: „Felix hat ihn ja kennen gelernt, ,den neuen verdorbenen Pariser Ton‘, das ,Wüten mit hässlichen Akkorden‘, als sei nur der Effekt etwas. Er ist kein Programm-Musiker schlechthin. Seine Musiken sind aus ihrem Wesen heraus keine beschreibende Tongemälde … So kommt es zu den ‚Liedern ohne Worte‘. Für eine Oper sucht F.M.B. vergebens einen rechten Text und Dichter. Die Erstlingsoper des Achtzehnjährigen ist gescheitert. Die von einer königlich bayerischen Intendanz in Auftrag gegebene Oper zerschlägt sich. ,Kaltberechnete Phantasieanstalten‘ wie französisch-italienische Reißer-Libretti, denen sich Auber, Meyerbeer, Bellini oder Rossini bedienen, lehnt er ab …
Daher beginnt er denn, trotz unbezwinglicher Lust zu einer Oper, ein zweites Oratorium, den ,Elias‘ zu schreiben … Auch für ,Elias‘ hält er sich an die Bibel und die quellenkundlichen Ratschläge einiger Prediger-Freunde. Unsicher und schwer schreitet die Arbeit voran. ,Ein unsägliches Kreuz‘ zieht sich über acht volle Jahre hin … Am Ende jedoch durchwaltet seinen ,Elias‘ Prophetengeist, Gestaltwerden des Mendelssohn’schen Musikgeistes, die Wahrheit seiner Musik …“
Unter „Aktuelles“ zu lesen: Die Jeunesses Musicales Bruxelles hat auf Initiative von Dr. Marcel Cuvelier erstmalig nach 1945 einen jungen deutschen Dirigenten zu fünf Konzerten mit dem Belgischen Nationalorchester nach Brüssel eingeladen. Von mehreren deutscherseits vorgeschlagenen Dirigenten wurde Gerd Albrecht vom Staatstheater Stuttgart ausgewählt.
(8. Jahrgang, Nr. 1 Febr./März 1959, Seite 1 und 4)