Banner Full-Size

Sanierungs-Ziel: erstarkter effizienter Musikrat

Untertitel
Der Insolvenzverwalter des Deutschen Musikrates, Ludger Westrick, im Gespräch mit Theo Geißler
Publikationsdatum
Body

Noch hängt der Patient am Tropf, aber die Prognose ist verhalten optimistisch: Zwar befindet sich der Deutsche Musikrat mitten im risikoreichen Prozess eines Insolvenzverfahrens, aber es stehen Wege in die Zukunft offen. Im folgenden nmz-Gespräch sagt der Bonner Wirtschaftsprüfer und Anwalt Ludger Westrick klärende Worte zu Gründen und Konsequenzen der Insolvenz. Er räumt mit Dolchstoß- und Rettungs-Legenden auf und liefert realistische Perspektiven.

Noch hängt der Patient am Tropf, aber die Prognose ist verhalten optimistisch: Zwar befindet sich der Deutsche Musikrat mitten im risikoreichen Prozess eines Insolvenzverfahrens, aber es stehen Wege in die Zukunft offen. Im folgenden nmz-Gespräch sagt der Bonner Wirtschaftsprüfer und Anwalt Ludger Westrick klärende Worte zu Gründen und Konsequenzen der Insolvenz. Er räumt mit Dolchstoß- und Rettungs-Legenden auf und liefert realistische Perspektiven.neue musikzeitung: Herr Westrick, Sie sind zurzeit der mächtigste Mann des deutschen Musiklebens. Was haben Sie persönlich mit Musik am Hut?

Ludger Westrick: Ich spiele schlecht Klarinette, bin ein Musikamateur und kannte den Musikrat nur dem Namen nach als eine ehrwürdige deutsche Kulturinstitution.

: Der Deutsche Musikrat liegt bei Ihnen auf der wirtschaftlichen Intensivstation. Aus Laiensicht bedeutet die Pleite einer Firma, um im Bild zu bleiben, meist den Weg ins Krematorium. Was bedeutet heutzutage eine Insolvenz auch unter dem Aspekt, dass das Insolvenzrecht ja kürzlich neu geordnet wurde?

: Seit 1999 gibt es eine Insolvenzordnung die den Erhalt des Rechtsträgers neben die Liquidation zur Wahl der Gläubiger stellt. Geschehen soll das, was für die Gläubiger den meisten Sinn macht. Übersetzt auf den DMR heißt das: die Gläubiger werden zu entscheiden haben, ob die Existenz des DMR ihren Interessen mehr als seine Zerschlagung dient. Dabei wird nicht so sehr die zu erwirtschaftende Quote, also das was die Gläubiger auf ihre jeweiligen Forderungen zu erwarten haben, im Vordergrund stehen, weil ein Verein, der nach dem Zuwendungsrecht auf Fehlbedarf-Finanzierung ausgerichtet ist, eben keine Gewinne erzielt und deshalb nichts für die Altschulden übrigbehalten darf. Es wird vielmehr darum gehen, ob die Leistungen, die der DMR erbringt, einen Sinn machen.

: Damit haben Sie gerade einen gewissen Unterschied charakterisiert, der den Deutschen Musikrat als nicht gewinnorientierten Verband von gängigen Wirtschaftsbetrieben unterschei-det. Gibt es noch andere Unterschiede zu „üblichen“ Konkursunternehmen?

: Sie haben ganz richtig gesagt: es gibt Profit- und Non-Profit-Organisationen. Auch Non-Profit-Organisationen, wenn sie die entsprechende Rechtsform haben, können Pleite machen. Das ist heute kein Einzelfall mehr. Der DMR gehört zu den Non-Profit-Organisationen. Was ihn nun auszeichnet, ist eine breite Mitgliederbasis. Viele Vereine, die Non-Profit-Organisationen und so eigentlich die verlängerte Werkbank der Öffentlichen Hand sind, beispielsweise Sozialvereine, die irgendeine Aufgabe für das Sozialamt der Kommune übernehmen, haben praktisch keine Mitglieder oder nur solche, die sich nicht bemerkbar machen. Das ist ganz anders beim DMR – hier gibt es eine breite Verankerung im deutschen Musikleben.

: Was halten Sie von der bisherigen Finanzierungsform des Musikrates, sprich der Fehlbedarfsfinanzierung? Ist das nicht generell problematisch?

: Das ist sehr problematisch, weil man beispielsweise bei einem Musikwettbewerb ja nicht punktgenau planen kann und weil die jedem Menschen innewohnenden ökonomischen Kräfte durch solche Fehlbetragsfinanzierungen gelähmt werden. Ich würde eine Festbetragsfinanzierung vorziehen. Diese würde auch den Prüfaufwand für die Zuwendungsgeber verringern und eben die ökonomischen Kräfte im Verein stärken, erstens um Spenden von Dritten einzuwerben und zweitens um mit dem zur Verfügung gestellten Geld wirtschaftlich umzugehen.

: Jede Insolvenz hat ja Ursachen. Sie haben das sicher analysiert. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Gründe?

: Es gibt zwei wesentliche Gründe. Das eine ist eine Verlustbaustelle im Bereich des Bundesjugendorchesters. Diese Baustelle ist schlicht aus dem Ruder gelaufen, und wir gehen der Frage nach, wie sie entstanden ist. Dies hängt auch mit den mangelnden Steuerungsinstrumenten zusammen – der DMR verfügte bis zum 11. November dieses Jahres nicht über eine funktionierende Buchhaltung, sondern über viele interessante, aber eben keinen Überblick gewährende Einzelaufschreibungen. Es gab drei Buchhaltungen, die nach unterschiedlichen Systemen geführt, projektweise angelegt waren, und niemandem, nicht einmal dem Präsidium, Überblick gewährten. Der zweite Grund sind die Rückforderungsbescheide, welche die Öffentliche Hand unter Zugrundelegung der Bundeshaushaltsordnung seit vielen Jahren erließ und teilweise zum Anlass genommen hat, neue Fehlbetragsfinanzierungen um die dabei festgestellten Beträge zu kürzen. Das ist eine sehr problematische Form der öffentlichen Finanzierung. Wir werden uns dies im Einzelnen ansehen.

Die Prüfer sind momentan im Hause, und ich habe alle um ein Abschlussgespräch gebeten, damit wir daraus die Fehlerquellen erkennen und in Zukunft ausschalten können. Wenn jemand am Boden liegt, ist er natürlich zunächst aufgerufen, die Fehler bei sich selber zu suchen, ich schließe aber nicht aus, dass es auch sinnvollere, effizientere, ökonomischere und letztendlich die öffentlichen Mittel sparendere Formen der Finanzierung gibt. Ich befinde mich bereits mit den Zuwendungsgebern und auch mit den Abgeordneten im intensiven Gespräch, damit solche Finanzierungsformen entwickelt werden können.

: Die geldgebenden Ministerien waren in die Finanzverwaltung des Musikrates ja sehr eng eingebunden. Wie kann es sein, dass der dort zu vermutende Sachverstand nicht früher die Alarmglocke läuten ließ?

: Das kann man hinterher immer sagen. Allerdings muss man den Verantwortlichen zugute halten, dass sie eben nur projektweise geprüft haben und dass niemand den Gesamtüberblick hatte, weder bei den Zuwendungsgebern noch bei den jeweiligen Projektverantwortlichen im Musikrat. Wir haben jetzt mit den Geschäftsführern der einzelnen Projekte diese durchgerechnet, um zunächst einmal einen Überblick für die letzten beiden Monate des Jahres zu gewinnen, und dabei Aha-Erlebnisse der Betroffenen erlebt. So sollte es nicht sein. Ab sofort wird jeder Geschäftsführer genau wissen, wo er steht. Er wird sein Bankkonto kennen, er wird die noch abzurufenden Mittel und die noch zu leistenden Ausgaben kennen und beides miteinander vergleichen können. Diese Arbeit zu leisten, ist der Insolvenzverwalter angetreten, und ich denke, wenn wir uns zur Gläubigerversammlung treffen, dann haben wir schon ein ordentliches Rechnungslegungswerk, und diese Fehler liegen hinter uns.

: Was Sie schildern, klingt nach jahrelangem groben Missmanagement, den man sich in einem normalen Wirtschaftsbetrieb gar nicht so lange leisten hätte können. Ist diese Diagnose richtig?

: Ja.

: Kultur und Geld sind nicht immer friedliche Geschwister. Liegt in diesem Spannungsfeld für Sie eine besondere Herausforderung?

: Ja. Ich denke dass auch ein Kulturmanagement ökonomische Gesetze zu beachten hat – nicht anders als ein Krankenhausmanagement oder das Management einer Bibliothek. Es gibt da ganz einfache Prinzipien, die es einzuhalten gilt und deren Vernachlässigung unweigerlich in Blindflügen und Bauchlandungen endet.

: Trotzdem lassen Ihre Antworten erkennen, dass Sie den Musikrat – wie auch immer – für eine erhaltenswerte Institution halten. Wie kann das funktionieren?

: Niemand wird den Musikrat zertrampeln, weil er keine ordentliche Buchhaltung hatte. Die Antwort heißt: ihm eine solche an die Hand zu geben. Und nicht nur eine Buchhaltung sondern auch ein ordentliches kaufmännisches Management, für das Buchhaltung nur ein Instrument ist. Ich habe, da ich nun von außen an diese altehrwürdige Institution herantrete, eine Strukturkommission berufen, die bis Ende Januar Vorschläge machen soll, wie die künftige Struktur aussehen soll. Und wenn ich Struktur sage, dann meine ich die innere Organisation und die Rechtsform. Mit der Änderung der Rechtsform allein ist natürlich gar nichts getan. Weil es hervorragend geführte Vereine und schlampige Aktiengesellschaften gibt, würde jetzt das bloße Überstülpen einer neuen Rechtsform an den Problemen des DMR nichts ändern. Ich habe mir Kenner der Szene ausgesucht und möchte Interessen und Vorschläge würdigen, um danach dann der Mitgliederversammlung einen Organisationsvorschlag zu unterbreiten. Die Mitgliederversammlung wird am 14. Februar stattfinden – und dann hoffentlich diesen Vorschlägen folgen. Gleichzeitig hat ja das Präsidium angekündigt, eine Neuwahl zu ermöglichen.

Ich halte das auch für eine vernünftige Haltung, damit der DMR jetzt nicht kopf- und präsidiumslos dahinschlingert. Ich bin ja nicht – und erst recht im Augenblick noch nicht – der starke Mann, sondern augenblicklich vorläufiger, und die Fachleute sagen, schwacher Verwalter. Ich kann derzeit nicht alleine verfügen, ich kann nur Verfügungen verhindern, und bereite natürlich eine Option für die Gläubiger vor, die den Erhalt des DMR ermöglichen.

: Franz Müller-Heuser als Präsident hat seine Wiederwahl ausgeschlossen.

: Ja. Das habe ich gehört und achte seine Entscheidung. Sie wird den Weg für eine neue Struktur frei machen.

: Als Insolvenzverwalter sind Sie dennoch im Moment der Herr des Geschehens. Wieviel Mitspracherecht haben denn überhaupt noch das Präsidium, der Generalsekretär und die Mitglieder?

: Organisationsrechtlich sind sie autonom. In der Verfügung über die Vermögensgegenstände sind sie allerdings an die Zustimmung des vorläufigen Verwalters gebunden. Der Verwalter gibt keine neue Satzung, er kann allenfalls einen Vorschlag dafür ausarbeiten. Ob der angenommen wird, ist allein Angelegenheit der Mitgliederversammlung. Die Gläubigerversammlung wird dann zu entscheiden haben, und damit rechne ich frühestens Mitte März, ob dem so ertüchtigten Verein der Fortbestand gewährt wird oder nicht. Sie sehen, das ist ein Dreieck zwischen den Gläubigern, den Mitgliedern und dem Insolvenzverwalter.
nmz: Dieses Dreieck ist ja auch Spannungs- und ein Interessenfeld, dem Sie als Insolvenzverwalter letztlich die prägende Form geben. Sie werden gewissermaßen die Winkel des Dreiecks und damit die Größe des vorhandenen Handlungsfeldes dank Ihres Sachverstandes mitdefinieren. Welche Form könnte eine solche neue Struktur denn haben?

: Ich möchte nicht mit fertigen Ergebnissen in die Strukturkommission gehen. Ich bin selber Lernender in diesem Prozess. Ich kann nur einen Vorschlag formulieren, wenn ich einmal erkannt habe, wie die Interessen liegen und welche Funktion der DMR zu erfüllen hat. Dann kann man die passende Struktur dazu stricken – wobei wir großen Bedacht darauf haben müssen, dass der DMR über eine breite und tiefe Mitgliedschaftsordnung verfügt, aus der er sehr viel Kompetenz und Sachverstand schöpft. Und es gilt, dies jetzt nicht durch unbedachte schnelle Federstriche zu gefährden.

: Nun gibt es Gruppierungen, die laut darüber nachdenken, aus den erfolgreichen Projekten des Musikrates selbstständige Profit-Center zu entwickeln. Oder diese erfolgreichen Projekte des Musikrates selbsternannten oder tatsächlich kompetenten Einzelverbänden zuzuordnen. Das alles sind Überlegungen, die einer Zerschlagung des Musikrates gleich- oder nahekämen.

: Bei jeder Insolvenz stehen die Wettbewerber am Zaun und machen Angebote für die Rosinen im Kuchen, Angebote an die Kundschaft, Angebote an die Belegschaft, das gilt auch für den DMR. Ich bin mir mit dem Generalsekretär und den Geschäftsführern darüber einig, dass es entweder den Musikrat in seiner bisherigen Breite, was die Projekte angeht, geben wird oder keinen Musikrat. Wir werden uns jetzt nicht einige Bereiche herausbrechen lassen. Im Gegenteil – wir müssen sehen, dass wir weiße Flecken besetzen, ich nenne nur die Popularmusik, die eben auch zur deutschen Musikwirklichkeit gehören und für die der Musikrat steht. Das Inhaltliche ist natürlich nicht Angelegenheit des Insolvenzverwalters, aber die Struktur muss so breit angelegt sein, dass der Musikrat die ganze Musik umfasst.

: Eine Sanierung bedeutet ja auch immer harte Schnitte, vor allem im Personalbereich. Wie grausam muss der Sanierer des Musikrates sein?

: Er muss sachlich sein. Jeder muss sich gefallen lassen, dass sein Beitrag zum DMR auf den Prüfstand kommt – vom Präsidenten bis zum Buchhalter.

: Unsere Staatsministerin für Kultur und Medien, Christina Weiss, ließ neulich in einer Sitzung des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages durchblicken, dass sich der Staat gern einen stärkeren Einfluss auf die Arbeit des DMR einräumen würde. Was halten Sie von solcher politischer Einflussnahme?

: Ich denke der DMR hat eine dienende Funktion. Der Staat ist größter Kunde. Einen Kunden behandelt man mit äußerster Zuvorkommenheit. Man tut aber gut daran, selbst für Ordnung im Hause zu sorgen und sich diese nicht vom Kunden vorschreiben zu lassen. Ich darf das beispielsweise mal für meine Kanzlei sagen: Ich bemühe mich, meinen insolventen und nicht-insolventen Kunden eine ordentliche Dienstleistung zu bieten. Wer die aber von meinen Mitarbeitern und Kollegen erbringt und mit welchen personellen und sachlichen Mitteln wir arbeiten, das muss die Kanzlei entscheiden und nicht der Kunde.

: Es geht noch immer das Gerücht, der DMR sei bei einer überschaubaren Schuldensumme von 500.000 Euro durchaus sanierbar gewesen. Warum wurde dieser Rettungsweg nicht konsequent beschritten?

: Der Schuldenberg ist größer. Wir liegen heute bei unbezahlten Rechnungen von ungefähr 900.000 Euro und das wird sich noch um die Zuwendungs-Rückforderungen erhöhen. Ich glaube nicht, dass es ein guter Gedanke wäre, einfach diese Schulden zu bezahlen und dann weiter zu machen wie bisher. Die Schulden sind ja nur, wie das Fieber eines Patienten, ein Indiz für einen Entzündungsherd. Den gilt es jetzt auszumachen, zu beseitigen und einen Heilungsprozess einzuleiten. Dazu sind wir schon unterwegs und haben schon ein paar entscheidende Schnitte vorgenommen.

: Signalisieren die Zuwendungsgeber denn die Bereitschaft, im Falle einer Sanierung vernünftig zu kooperieren?

: Ja. Wir haben mit den Zuwendungsgebern ein erstes Gespräch gehabt. Wir sind dann zehn Tage lang in die Zahlen eingestiegen und haben danach die Erklärung abgegeben: Wenn die gesperrten Mittel frei werden, können unter Berücksichtigung der übrigen Liquiditäten die jetzt noch entstehenden Ausgaben in allen Programmen bezahlt werden, natürlich nicht die etwa 900.000 Euro Verbindlichkeiten. Das sind Insolvenzverbindlichkeiten. Die müssen beim Verwalter angemeldet werden und werden mit der Quote bedient.

: Ist denn absehbar, dass die Projekte des Musikrates weiterarbeiten können, denn im Moment wirkt alles sehr blockiert?

: Soeben haben Zuwendungsgeber erklärt, die gesperrten Mittel für die Projekte des Musikrates frei zu geben. Das sichert aktuell deren Fortbestand. Und es gibt darüber hinaus Signale, dass im Bundeshaushalt 2003 selbstverständlich noch mit Parlamentsvorbehalt, Mittel für den DMR eingestellt sind. Wir müssen jetzt unsere Projekte für 2003 durchrechnen, damit wir neue Verluste aus der Durchführung unserer Projekte vermeiden können.

: Ein weiteres Gerücht spekuliert, die Kosten für die Insolvenzabwicklung lägen höher als die Schuldensumme des Musikrates. Was ist da dran, und wo wäre da die wirtschaftliche Vernunft?

: Da übertreiben die Vorstellungen der Gerüchtemacher die Realität. Ich kann Ihnen augenblicklich nicht sagen, was für eine Bezahlung für den Insolvenzverwalter am Ende herausschaut. Das weiß ein Insolvenzverwalter am Anfang nie – weil eben erst am Ende abgerechnet wird. Wenn wir mal auf ungefähr zwei Millionen Euro Schulden schauen, dann schiene mir das eine zu hohe Vergütung, trotz des sicherlich hohen Einsatzes, den meine Mitarbeiter und ich augenblicklich fahren müssen, um dieses Schiff aus den gefährlichen Klippen zu steuern.

: Was geschieht mit den Ansprüchen der Geförderten und den Auslagen und Entschädigungen der Förderer des DMR, die in ihrer Existenz gefährdet sind, deren finanzielle Einbußen andererseits ganz erheblich an der Glaubwürdigkeit, ja am Bestand des DMR nagen würden?

: Ich denke, dass wir einen so genannten Insolvenzplan erstellen sollen. Das ist ein Instrument der neuen Insolvenzordnung, in der man ei-ne kollektive Vereinbarung zwischen Schuldnern und Gläubigern vom Gericht bestätigen lassen kann, durch die Folgendes erreicht wird: Aufteilung der Gläubiger in Gruppen, unterschiedliche Befriedigung. Beispielsweise: Geförderte des Musikrats erhalten eine höhere Quote.

: Wer soll das bezahlen?

: Dazu haben der Generalsekretär, die Geschäftsführer und ich uns einfallen lassen, Spenden einzuwerben. Jeder Betrag ist willkommen und wird dem Verwalter auf einem Sonderkonto zur Verfügung gestellt. Aus diesen Spenden und aus dem Zurücktreten der übrigen Gläubiger könnten dann zum Beispiel die Musikanten und die anderen Geförderten besser behandelt werden. Ein solcher Insolvenzplan hat im Übrigen die schöne Automatik, dass alle Forderungen, die plangemäß nicht bedient werden, erlassen sind. Damit haben wir dann die Entschuldung, und die ist, wenn wir unsere Gemeinnützigkeit nicht verlieren – und darum bemühen wir uns beim zuständigen Finanzamt – steuerfrei. Dann ist der Verein auch finanziell saniert. Dann haben wir die ordentliche Organisation und die finanzielle Entschuldung, und dann kann sich der Musikrat weitere 50 Jahre um die deutsche Musik kümmern.

: Herr Westrick, Sie haben sich eingangs ja als Außenstehenden bezeichnet, der den DMR als ehrwürdige Institution von Ferne kennen gelernt hat. Jetzt sind Sie in dieses Schiff eingestiegen und haben das Steuerruder übernommen. Wo sehen Sie die besondere Qualität des Musikrates, worin liegt seine gesellschaftliche Bedeutung, die seine Fortexistenz aus der Sicht des Insolvenzverwalters rechtfertigt?

: Das hohe Engagement der Mitarbeiter. Hier herrscht eine gute Stimmung. Die Qualität liegt in den Programmen, die Qualität liegt in der Mitgliederstruktur und in der Mitarbeit der Ehrenamtlichen, und aus all dem leitet sich trotz aller ja vielen altehrwürdigen Institutionen innewohnenden Schwächen in der Organisation ein hohes Ansehen ab, das jetzt zu zertrampeln einfach grottenfalsch wäre.

: Werden denn die Ehrenamtlichen in einer sich möglicherweise stärker professionalisierenden Organisationsform weiter ihren Platz haben?

: Ich denke, wir haben es mit ehrenamtlichen Profis zu tun. Die – jeder für seinen Bereich – in Anspruch nehmen dürfen, zur nationalen oder gar Weltspitze zu gehören. Und diese müssten eigentlich froh darum sein, dass sich der Deutsche Musikrat nun in der Krise ertüchtigt. Sie dürften gern mit diesem effizienteren Musikrat weiterarbeiten.

: Wir haben unser Gespräch ja etwas medizinisch begonnen, mit Bildern aus dem Krankenhaus, aus der Intensivstation. Sie sind nun einmal der Chefarzt – Ihre Prognose, bitte.

: Mein Wunsch ist es, dass wir nach der Gläubigerversammlung einen sanierten, ertüchtigten und effizienten DMR mit einem breiten Angebot aus der Krise entlassen können, und ich glaube, dass diesem Wunsch eine große Chance innewohnt. Ich verhehle nicht, dass die Risikolage und die Krise noch nicht überstanden sind.

Spenden weiterhin erwünscht

Die nmz bedankt sich bei Ludger Westrick für allerhand Klartext. Wie gesagt: Spenden sind herzlich willkommen. Sie werden dazu dienen, existenzgefährdende Forderungsausfälle für Künstler und Veranstalter so weit wie möglich abzufedern. Bitte senden Sie Ihre Spendenzusage direkt an den Deutschen Musikrat.

Der veröffentlicht die aktuelle Spenderliste zusammen mit aktuellen Informationen zur Insolvenz-Situation auf seinen Internetseiten:
http://www.musikrat.de/aktuelles.htm

Tagesaktuelle Informationen und Kommentare finden Sie unter:
http://www.nmz.de/kiz/
dem Kulturinformationszentrum der nmz und des Deutschen Kulturrates.

Und noch eine gute Nachricht zum Schluss: Der Spendenbetrag aus den die Produktionskosten übersteigenden Anzeigenerlösen der nmz-Sonderausgabe beträgt 11.220 Euro. Alle Mitarbeiter der ConBrio-Verlagsgesellschaft haben auf die Erstattung von 217, teils am Wochenende geleisteten Überstunden verzichtet.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!