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Schnell verliebt ins neue Leihinstrument

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Die Sinfonima-Instrumentenversicherung als Pionier im Bereich der Kulturförderung
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Seit Beginn dieses Jahrhunderts ist die Mannheimer Versicherung unter anderem Spezialist für die Versicherung von Musikinstrumenten. Vor etwa zehn Jahren rief sie die „Sinfonima-Stiftung“ ins Leben, die hochkarätige Streichinstrumente an junge begabte Musiker verleiht und in deren Kuratorium Musiker wie Sascha Gawrilow und Siegfried Palm sitzen. nmz-Chefredakteur Theo Geißler traf den Cellisten zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden der Mannheimer Versicherung, Lothar Stöckbauer, zu einem umfassenden Gespräch über Nischenkonzepte, Holzwürmer und Geigenbau-Wettbewerbe. neue musikzeitung: Herr Dr. Stöckbauer, die Mannheimer Versicherung engagiert sich schon lange im Bereich der Instrumentenversicherung, der Musikerversicherung. Können Sie die Entwicklung dieser Einrichtung kurz skizzieren? Lothar Stöckbauer: Genaue Unterlagen haben wir leider nicht, weil wir in den Kriegen zweimal ausgebombt worden sind. Fest steht allerdings, daß wir uns schon mindestens seit Beginn dieses Jahrhunderts mit Musikinstrumentenversicherungen befaßt haben, und dies mit zunehmendem Erfolg in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als wir anfingen, uns als Gesellschaft ein bißchen vom Markt abzuheben. Wir sind ja der letzte freie Versicherer im deutschen Markt; wir gehören zu keiner Gruppe, wir haben keinen Großaktionär. Durch unser Konzept – das wir Nischenkonzept oder „C-Gruppen-Konzept“ nennen – haben wir es geschafft, zu überleben, und eine dieser C-Gruppen ist aus historischen Gründen natürlich die Musikwelt gewesen. Wir haben also insgesamt eine Erfahrung von ungefähr 80 Jahren in diesem Metier nmz: Sie haben relativ früh angefangen, Musikverbände und Musiker auch zu fördern. Damals gab es den Begriff „Sponsoring“ noch gar nicht. Gibt es da eine Nachkriegsgeschichte, wie sich das entwickelt hat? Stöckbauer: Das geht natürlich Hand in Hand mit der zunehmenden Enge der öffentlichen Finanzen. Je weniger Möglichkeiten die öffentlichen Träger haben, Musik zu finanzieren, um so mehr ist man als privater Förderer gefragt. Das Wort „Sponsor“ benutze ich nicht so gerne. Wir fördern durchaus, aber wir fördern gezielt und nicht so, daß wir sagen, wir wollen auf dem Plakat draufstehen. Hinzu kommt noch eine zweite Entwicklung: Die Preise für Streichinstrumente sind ja gerade in den letzten 15 Jahren astronomisch gestiegen. Heute kann es sich doch kaum noch ein Musiker leisten, ein hochwertiges Instrument zu finanzieren. Für eine sozusagen „mittlere“ Geige kriegt man heute eine große Eigentumswohnung. Aus diesem Grund haben wir vor neun oder zehn Jahren beschlossen, daß wir die Fördermaßnahmen auf diesem Gebiet in eine institutionelle Form bringen, und haben eine Stiftung ins Leben gerufen. nmz: Können Sie darstellen, wie diese Stiftung konstruiert ist? Stöckbauer: Es handelt sich um eine rechtlich unabhängige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Mannheimer Versicherungs AG hat ein Kapital bereitgestellt, das sie in gewissen Abständen aufstockt. Die Stiftung wird von meinem Kollegen Schreiber und mir als Vorstand geleitet, aber da wir von Musik nichts verstehen, haben wir ein Kuratorium geschaffen, in dem einige Persönlichkeiten des Musiklebens vertreten sind; Präsident ist Siegfried Palm, Sascha Gawrilow sein Stellvertreter. nmz: Was haben Sie denn für Instrumente in dieser Stiftung? Stöckbauer: Wir verleihen insgesamt vier Geigen, zwei Bratschen und ein Cello und sind im Augenblick dabei, noch ein weiteres wertvolles Cello zu erwerben. Eine pfiffige Sache war der Kauf der beiden Bratschen. Wir haben eine Art Wettbewerb für den Bau einer Bratsche unter Geigenbauern ausgeschrieben. Die Bratschen wurden, mit Nummern versehen, alle von derselben Bratschistin dem Kuratorium vorgeführt. Wir haben blind gepunktet, und heraus kam überraschend ein ganz einstimmiges Urteil: Die beiden klanglich besonders herausragenden stammten aus den Händen von zwei Geigenbauern, die eine gemeinsame Werkstatt betreiben. Die bekamen dann auch den Auftrag, die beiden ausgewählten Bratschen, die bereits verkauft waren, noch einmal identisch nachzubauen, und jetzt werden diese Instrumente jeweils an die Gewinner des Wettbewerbes „Jugend musiziert“ vergeben. nmz: Wie ist das Prozedere der Instrumentenvergabe denn sonst, bei den Bratschen bekommen sie die „Jugendmusiziert“-Teilnehmer, wie ist es bei den Geigen? Siegfried Palm: Es wird ein Probespiel ausgeschrieben, das meist hier stattfindet; wir waren aber auch schon im Zimmer von Gawrilow in Köln, als er noch dort an der Hochschule unterrichtet hat. Die Jury besteht aus Kuratoriumsmitgliedern, aber auch aus quasi neutralen Musikern, wie dem Komponisten Manfred Trojahn oder Xaver Ohnesorg. Wir wollen nicht nur Streicher bewerten lassen. Stöckbauer: Eine definitive Altersbegrenzung gibt es nicht, doch im Prinzip ergibt die sich aus der Ausschreibung, mit der wir uns an Studierende deutscher Hochschulen wenden. Die Zielgruppe, die wir fördern wollen, sind die Musiker, die mit ihrer musikalischen Ausbildung so gut wie fertig sind und jetzt beginnen, sich eine professionelle Karriere aufzubauen. Denn die brauchen ein gutes Instrument, die brauchen noch nicht die Strad, – die brauchen sie vielleicht später, wenn sie arriviert sind – aber die können eben mit ihrer Mittenwalder Geige im harten Wettbewerb heute nicht mehr bestehen. Die kriegen unsere Instrumente, das sind Panormo, Vuillaume, so in dieser Größenklasse. nmz: Vielleicht doch noch ein paar Worte zu den Modalitäten der Instrumentenvergabe bei der „Sinfonima“. Wie lange sind die Verleihzeiten? Palm: Generell gehen wir von zwei Jahren aus. Aber wir haben auch schon Ausnahmen gehabt. Das ist ja das Schöne, daß man eben auch in dieser Sache sehr flexibel sein kann. nmz: Kann verlängert werden? Stöckbauer: Ja, das ist schon vorgekommen, und in diesem Zusammenhang kann ich gleich noch einen weiteren Punkt ansprechen. Wenn ein Musiker kommt und sagt: „Ich habe mich so verliebt in dieses Instrument, ich möchte das kaufen“, dann würde die Stiftung es auch verkaufen. Palm: Wir hatten diesen Fall; unsere erste Preisträgerin im Wettbewerb „Jugend musiziert“ bekam diese Möglichkeit. Das Problem war, wie Herr Dr. Stöckbauer eben sagte, ob wir bis zum nächsten Bundeswettbewerb ein vergleichbares Instrument bekommen würden, doch auch das konnte gelöst werden. nmz: Ist geplant, daß man den Instrumentenbestand alle paar Jahre wieder ein bißchen anreichert und aufstockt? Stöckbauer: Auf jeden Fall. Die Stiftung soll leben – das ist keine Alibi-Veranstaltung, die man einmal gegründet hat, damit man etwas aus dem Fenster hängen und sagen kann: Guck mal, was wir haben! Wir haben ferner eine über den bisherigen Rahmen hinausweisende Idee – wir überlegen, ob wir auch Instrumente verleihen sollen, die nicht der Stiftung gehören. In der letzten Kuratoriumssitzung haben wir überlegt, ob man nicht beispielsweise einem pensionierten Musiker anbieten soll: Gut, du hast jetzt eine Begonzi, die würden wir verleihen. Wir sorgen dafür, daß sie ordentlich versichert ist, daß da nichts drankommt und so weiter, und der Entleiher muß dann eben 100 Mark im Monat an den Eigentümer bezahlen. Wir würden unsere Leistung dabei kostenlos zur Verfügung stellen. nmz: Insgesamt ist das doch ein relativ hoher logistischer Aufwand. Bereits jetzt ist die Stiftungsarbeit ja eine große organisatorische Leistung, die eine Menge Geld kostet. Wie wird das gemanagt? Stöckbauer: Bis jetzt haben wir das so nebenher gemacht. Jeder hat ein bißchen was daran getan... Aber je umfangreicher der Instrumentenbestand wird, desto weniger ist das so am Rande möglich. Ich habe gerade deshalb jetzt eine Mitarbeiterin mit einer Halbtagsstelle ausgeguckt, die sich sehr für Musik interessiert, zeitliche Kapazität frei hat und die ganzen administrativen Dinge koordinieren soll. nmz: Kommen wir mal von der Stiftung weg zu den anderen kulturellen „Supportmaßnahmen“, die die Mannheimer unternimmt. Das geht von der Unterstützung von Verbänden im Kultur- und Musikbereich bis eben hin zur Versicherung, zur Instrumentenversicherung, aber auch ein bißchen zur Altersvorsorge... Palm: Wir halten natürlich sehr engen Kontakt zu den einzelnen Verbänden hier in Deutschland, auch den Musikdachverbänden; wir führen immer wieder Gespräche, und die Anregungen, die sich daraus ergeben, führen letztendlich dazu, daß den Verbandsmitgliedern ein zusätzlicher Service geboten werden kann, der speziell auf die Belange des einzelnen Verbandes ausgerichtet ist. Stöckbauer: Dadurch, daß überdurchschnittlich viele Musiker bei uns versichert sind, und wir viele unserer Kunden persönlich kennen, ergibt es sich ganz automatisch, daß man mehr erfährt über diese Branche. Und das ist, glaube ich, auch ein großer Vorzug: daß wir den Kunden in seiner gesamten Risikosituation sehen. Wir haben also ein Vorsorgepaket geschnürt, das jedem erdenklichen Bedarf eines Musikers gerecht werden soll nmz: Gibt es Künstler, die zum Beispiel ganz spezielle Versicherungswünsche haben, möglicherweise Holzwurmversicherungen oder derartiges... Stöckbauer: Holzwurmfraß wird bei unserer Musikinstrumentenversicherung mitversichert, und es gibt natürlich noch andere Ergänzungsmöglichkeiten, mit denen unser Paket zusätzlich bestückt werden kann. nmz: Sie haben vorhin das Wort „Diebstahlsicherung“ angesprochen, woran so ein Musikus vielleicht nicht gleich als erstes denkt... Stöckbauer: Ja, ich kann Ihnen da ein gutes Beispiel nennen. Eines der deutschen Opernhäuser wurde umgebaut, und während dieser Zeit mußten die Proben in ein anderes Gebäude verlegt werden – dieses war aber schlecht zu sichern. Das Problem haben wir dann ganz einfach gelöst, indem wir eine große Kiste mit Vorhängeschloß in den Probenraum stellten, in die die wertvollen Streichinstrumente während der Pausen eingeschlossen wurden. Das ist im Grunde genommen höchst einfach, aber man muß eben erst einmal wissen oder die Erfahrung gemacht haben, daß während der Pausen geklaut wird wie sonst was...Weder der Korrepetitor noch der Dirigent oder wer auch immer kommt auf die Idee, sich Gedanken zu machen, wie man dem Musiker helfen kann, daß er sein Instrument nicht, wenn er aufs Klo geht, mitnehmen muß. Das muß man sich ganz praktisch vorstellen. nmz: Ein Cello hat ja kein Fahrrad-schloß... Um nochmal auf die „Sinfonima“ zurückzukommen: Haben Sie den Eindruck, daß der Kontakt mit Künstlerpersönlichkeiten in irgendeiner Form auch ihre Unternehmenskultur beeinflußt? Stöckbauer: Natürlich, und „Kultur“ jetzt in doppeltem Sinne. Einerseits eben in der Art und Weise, wie man miteinander umgeht, was auch damit zusammenhängt, daß man als Vorstand durchaus nicht auf Wolken thront und nicht weiß, was sonst das gemeine Volk da unten tut. Der Kontakt ist durchgängig, wir haben eine ganz flache Führungshierarchie. Darüber hinaus merkt man in diesem Haus auch etwas von „Kultur“ im „schöngeistigen“ Sinne – auch die Musikstiftung spielt da eine Rolle. Jeder weiß, daß wir die haben, und die Veranstaltungen sind teilöffentlich. Wenn Mitarbeiter dann fragen, ob sie kommen dürfen, ist das auch Teil der Wirklichkeit und der Unternehmenskultur.

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