Kultur wird es immer geben, sie gehört zu den Grundbedürfnissen. In Berlin geht es nicht um ihre Abwicklung, sondern darum, dass wir uns entscheiden müssen, wie viel Zuschüsse die Kultur in Abwägung mit anderen Ausgabeposten erhalten soll. Keine Frage, Kunst und Kultur sind für die Hauptstadt wichtige Standortfaktoren, doch Berlin befindet sich aufgrund des allseits bekannten Finanzdebakels derzeit in der Situation, sich kaum noch das Notwendigste leisten zu können.
Daraus ergibt sich, dass man sich nicht viele politisch bedingte Schonräume leisten kann, wenn das Einsparziel der Haushaltskonsolidierungspolitik nicht in Frage gestellt werden soll. Deshalb wird es nicht möglich sein, dauerhaft derart hohe Kulturausgaben wie in der Vergangenheit zu tragen. Der Schuldenberg von rund 47 Milliarden Euro wirft seine Schatten auf alles, was Geld kostet. Aber Kultur ist – im Gegensatz zu anderen Ausgabepositionen – nicht notwendig nur eine Frage pekuniärer Ausstattung. Kultur ist nicht mit staatlich finanzierten Bühnen gleichzusetzen. Kultur ist viel mehr: Literatur, Musik, auch Kino et cetera, also weitgehend unabhängig von Alimentierung. Das ureigentliche Kapital künstlerischen Schaffens sollte die Fantasie sein, nicht die staatliche Subvention! Gesprächspartner aus den USA reiben sich regelmäßig verwundert die Augen, wie hier zu Lande die Förderung von Kunst und Kultur verstanden wird.
Ein Finanzsenator hat die Verantwortung über das gesamte Vermögen (auch für das Unvermögen in der Vergangenheit) seines Zuständigkeitsbereiches. Berlin hat gerade im vergangenen Jahrzehnt weit mehr ausgegeben, als es sich leisten konnte. Dennoch steht die Vergabe von Mitteln im Ermessen aller Verantwortung tragenden Politiker. Der Entscheidungsspielraum zwischen den verschiedenen Bereichen umfasst dabei nicht das „sowohl-als-auch”, sondern beschränkt sich zwangsläufig auf das „entweder-oder”. Ich sehe das wertneutral. Wenn sich die Politik mehr Kultur leisten will und dafür beispielsweise Streichungen in den Bereichen Bildung, Straßenbau und Wissenschaft in Kauf nimmt, ist das für einen Finanzsenator auch in Ordnung. Nur muss am Ende ein ausgeglichener Haushalt das Ergebnis sein.
Allerdings gibt Berlin für die Kultur besonders viel aus, nämlich rund 200 Millionen Euro mehr (größenbereinigt!) als der Durchschnitt aller deutschen Länder. Nehmen wir ein Beispiel. Allein drei Opern beglücken hier den Kreis der Interessierten. Ein Kulturgenuss, der nicht gerade die breite Masse erreicht. 130 Millionen Euro kosten die drei Häuser jährlich. Davon erwirtschaften Deutsche Oper, Staatsoper und Komische Oper zusammen nur 13 Millionen Euro. Den Rest trägt das Land, sprich der Steuerzahler. Das muss nicht sein. Ein Vergleich: 523.000 Besucher kosten in München 54 Millionen Euro Zuschuss, während in Berlin 732.000 Besucher 117 Millionen Euro Zuschuss kosten. Das bedeutet, bei „Münchner Verhältnissen” wäre für die Berliner Besucherzahlen ein Gesamtzuschuss von 75 Millionen Euro auskömmlich.
Die Ursachen für diesen frappanten Unterschied liegen sowohl auf der Kosten- als auch auf der Ertragsseite: Eine Karte in der Münchner Staatsoper erbringt einen Erlös von durchschnittlich 42 Euro, gegenüber 34 Euro in der Deutschen Staatsoper, 22 Euro in der Deutschen Oper und 21 Euro in der Komischen Oper.
In München geht die Skala der Kartenpreise bis 190 Euro, während sie in Berlin auf 87 Euro in der Komischen Oper, 110 Euro in der Staatsoper und 120 Euro in der Deutschen Oper begrenzt ist. Der Auslastung scheinen die höheren Münchner Preise nicht zu schaden. Sie beträgt nämlich durchschnittlich 92 Prozent – gegenüber 80 Prozent in der Staatsoper, 65 Prozent in der Komischen Oper und 63 Prozent in der Deutschen Oper. Auch die soziale Komponente kommt in München nicht zu kurz: Anfang Dezember habe ich in der ausverkauften Münchner Oper einen sehr angenehmen Abend auf einem Stehplatz für 7 Euro verbracht.
Sinkende Zuschüsse sind nicht mit weniger Kultur gleichzusetzen. Vielmehr gilt es hier, Strukturen zu verändern und die Angebote attraktiver zu gestalten. Kultursenator Flierl arbeitet derzeit ein Opernkonzept aus, das solche Fragen sicher beantworten wird. Hier endet die Fachkompetenz des Finanzsenators. Der muss vielmehr dafür sorgen, dass insgesamt die Ausgaben sinken, damit Berlin aus seiner Misere herauskommt. Dann verfügt die Stadt auch wieder über mehr Handlungsfähigkeit, was letztlich auch der Kultur zugute kommt. Denn die Kunst des Haushaltens besteht darin, das Vorhandene sinnvoll auszugeben und nicht, mit Unvorhandenem anzugeben.