München/Salzburg - Die Geigerin Anne-Sophie Mutter hat keine Berührungsängste. Sie beschäftigt sich seit langer Zeit intensiv mit zeitgenössischer Musik, tritt in angesagten Berliner Szeneclubs auf und scheut auch Crossover nicht, also die Grenzüberschreitung von der Klassik hin zur Unterhaltungsmusik. In ihrer neuen CD «Across the Stars», herausgebracht vom Label Deutsche Grammophon, wagt sie sich an Filmmusik.
Dafür hat ihr John Williams (87), einer der renommiertesten lebenden Filmmusikkomponisten, die Melodien aus Filmklassikern wie «Star Wars», «Harry Potter» und «Schindlers Liste» auf den Leib geschrieben. Bei der Aufnahme in den Studios von Culver City, Kalifornien, wo auch «Doktor Schiwago» vertont wurde, begleitete Williams die 56 Jahre alte Stargeigerin selbst am Pult des «Recording Arts Orchestra of Los Angeles».
Die CD vereint ein Dutzend in Klang, Tempo und Gestus sehr unterschiedliche Stücke aus einigen der bedeutendsten Werke von Williams, darunter Themen aus Star Wars-Episoden, aus einem Harry Potter-Soundtrack, aus «Dracula» und «Die Geisha». Der vielfach Oskar prämierte Komponist hat die ausgewählten Takes eigens für Mutters Stradivari adaptiert. «Das sind keine bloßen Arrangements, sondern eigene, in sich geschlossene Stücke», sagte die Geigenvirtuosin bei der Vorstellung der CD am Rande der Salzburger Festspiele.
Wenn man vorurteilsfrei in die Aufnahme hineinhört, glaubt man bei manchen Stücken tatsächlich an eine zeitgenössische «ernste» Komposition. So erinnert «Hedwig's Theme» aus «Harry Potter und der Stein der Weisen» frappierend an ein Violinkonzert von Sergej Prokofjew, wobei der russische Komponist selbst Filmmusiken komponiert hatte. Bemerkenswert ist auch das «Sayuri's Theme» aus «Die Geisha».
Andere Stücke, vor allem die vier Themen aus dem Weltraumepos lassen ihre Herkunft aus der Filmmusik stärker spüren, was kein Makel ist. «Filmmusik ist die Musik unserer Zeit, das ist zeitgenössische Musik und Williams ein großer zeitgenössischer Komponist», sagte Mutter. Der US-Amerikaner hat die Stücke so bearbeitet, dass die Geigenstimme immer klar die Führungsrolle übernimmt und sich das Orchester eher im Hintergrund hält.
Dass Mutter die Kompositionen des großen Filmkomponisten ernst nimmt, hört man der Aufnahme an. Billige Schluchzer und andere Tränendrüsen-Effekte würden der stilsicheren Interpretin niemals passieren. Zugute kommt ihrer Williams-Interpretation wohl auch, dass sie Filmfan ist. Schon als Teenager im Schwarzwald sah sie «Star Wars» im Kino. «Es hat mir den Atem verschlagen», erinnerte sie sich. «Natürlich die visuellen Effekte - aber auch die Musik. Wie John Williams es geschafft hat, schon in diesem Film die Samen zu pflanzen für jeden einzelnen der Charaktere ist unglaublich - so konnte er die Geschichte auch musikalisch immer wieder weiterschreiben und verjüngen.»
Das letzte Stück von Mutters neuer CD stammt aus Steven Spielbergs Holocaust-Drama «Schindlers Liste». Es ist das einzige echte Geigensolostück in Williams Filmmusik-Schaffen. «Ich wollte es natürlich auch dabei haben», sagte Mutter, die am 14. September das Williams-Programm auf dem Münchner Königsplatz aufführen wird.
- Das Album «Across the Stars» erscheint am 30. August bei Deutsche Grammophon.