Banner Full-Size

Stiftungen für die Kultur in der Diskussion

Untertitel
Dauerhafter Ausdruck von Verantwortung und Selbstverwirklichung in der Bürgergesellschaft
Publikationsdatum
Body
Ein Gespräch von Theo Geißler, Herausgeber der neuen musikzeitung (Regensburg) mit Dr. Christoph Mecking, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen (Berlin), Günter Winands, Ministerialdirigent beim Beauftragten für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (Bonn) und Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats (Berlin/Bonn). neue musikzeitung: Was unterscheidet die Idee einer stiftungsfinanzierten Kultur von einer Sponsorenförderung oder von einer Förderung durch die öffentliche Hand? Christoph Mecking: Wenn man über Kulturfinanzierung nachdenkt, kommen im Grunde vier Sektoren in Betracht: erstens die öffentliche Hand, die auf Grund der historischen Entwicklung in aller Regel die Kulturfinanzierung in Deutschland übernimmt, zweitens der private Kulturkonsument, der zum Beispiel als Kunstsammler Kunstwerke von Künstlern ankauft, oder eine Karte für einen Opernbesuch ersteht, und in letzter Zeit verstärkt die Unternehmen, die durch das Sponsoring von Kultureinrichtungen und Kulturevents einen Imagegewinn erzielen wollen. Die Stiftungen als vierte Säule der Kulturfinanzierung haben schon immer auch Kultur ermöglicht. Sie sind neben der öffentlichen Hand der verlässlichste und ein unabhängiger, der Qualität verpflichteter Partner für Künstler und Kultureinrichtungen. nmz: In den letzten Jahren haben sich die Bedingungen für die Gründung einer Stiftung verändert. Einige Bundesbürger haben sehr viel Geld erarbeitet, sind zum Teil kinderlos, wissen gar nicht wohin damit. War das vielleicht auch ein Auslöser für den Gesetzgeber? Olaf Zimmermann: Man muss vorausschicken, dass eigentlich die Kultur die Stiftung für sich entdeckt hat. Die Kultur hat ein großes Problem: ihr fehlt Geld. Aus diesem Grund wird gerade aus dem Kulturbereich heraus versucht, Stifter für die Förderung von Kultur zu interessieren. Der Staat hat die Aufgabe, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass stiftungswillige Bürger diesen Schritt gehen und es ihnen so einfach wie möglich zu machen. Bereits in der Koalitionsvereinbarung der jetzigen Bundesregierung war erklärt worden, dass das Stiftungsrecht reformiert werden soll, und zwar nicht unter der Rubrik Justiz oder Soziales, sondern unter der Rubrik Kultur. Auch dieser Zusammenhang verdeutlicht das besondere Interesse der Kultur für Stiftungen als Organisationsform. nmz: Es mag auch die Idee einer größeren Planungssicherheit für bestimmte Kulturinstitutionen gewesen sein, die den Gesetzgeber dazu brachte, das Stiftungsrecht zu reformieren. Anstatt von einem möglicherweise flatterhaften Sponsor abhängig zu sein, könnten sie wirklich solide und planend mit Geldern arbeiten, die überschaubar sind und über die staatliche Projektförderung hinausgehen. War das der Ansatzpunkt, wo auch der Kulturrat tätig werden wollte? Zimmermann: Die Finanzierung von Kultur durch Sponsoring ist eine unsichere Sache. Deshalb ist man fast logischerweise auf die Stiftungen gekommen, weil sie die einzige privat finanzierte Struktur sind, bei der man eine gewisse Sicherheit in der Mittelzuweisung erreicht. Wenn jemand eine Stiftung hat und aus deren Ertrag eine Kultureinrichtung oder ein Kulturprojekt finanziert wird, dann ist das heute oft sicherer als die Kooperation mit der öffentlichen Hand. Stiftungen sind die einzige wirkliche Alternative zur öffentlichen Finanzierung. Mecking: Was wir gehört haben, ist sehr vom Haben-Wollen her gedacht: Der Kulturbereich braucht Geld und denkt an Stiftungen. Viel wichtiger ist die Botschaft, dass Stiften Geben und Loslassen bedeutet. Wir müssen den Stifter in den Blick nehmen. Eine Stiftung ist die Verbindung von Geld mit Idee. Wenn man sich, jenseits von Rechtsformfragen und Typenbildung, überlegt, was in einer Stiftung drin sein muss, so ist das ein Stiftungszweck, ein Stiftungsvermögen, das ausreicht, um diesen Zweck dauerhaft zu bedienen, und eine Organisation, die sicherstellt, dass das Geld an den richtigen Adressaten kommt. Es ist letztlich die Entscheidung des Stifters, der die Satzung formuliert, für welche Zwecke im Kulturbereich er die Stiftung vorsieht. Und diese Entscheidung bedeutet auch, dass sich eine Kultureinrichtung auf eine Stiftung nicht unbedingt und für alle Zeiten verlassen kann, es sei denn, diese Stiftung ist nur dafür da, eine solche Einrichtung zu tragen oder nur diese Einrichtung zu fördern. Eine solche direkte Verbindung ist in vielen Fällen nicht von Anfang an Intention des Stifters. Die meisten Stiftungen sollen frei sein, ihre Mittel dorthin zu geben, wo die interessantesten Projekte laufen und wo am meisten mit dem Geld zu bewegen ist. Verantwortung übernehmen Zimmermann: Ist das nicht genau die Frage, die wir viel stärker diskutieren müssen? Stifter müssen bereit sein, auch dauerhafte Verantwortung zu übernehmen. Wenn sich ein privater Stifter im Kulturbereich engagieren möchte, bedeutet das, dass er automatisch eine Rolle in diesem Bereich spielt. Natürlich ist der Stifter frei, natürlich muss die Stiftung auch nach seinem Tod in seinem Sinne weiterarbeiten, und es gibt für keine Kultureinrichtung die Sicherheit, zu glauben, sie hätte eine dauerhafte Alimentierung; aber wenn eine Stiftung ein Projekt unterstützt, muss sie sich auch Gedanken machen, was passiert, wenn sie diese Förderung einstellt, und Stifter müssen sehen, dass sie mit ihrer Tätigkeit auf den gesamten Kulturbereich Einfluss nehmen. Günter Winands: Das Problem der Stiftungen in der Vergangenheit, bevor die Stiftungsrechtsreform kam war, dass in den Augen vieler Stiftungen als etwas Elitäres, Altmodisches und Antiquiertes galten. Es hatte auch etwas Vordemokratisches: Der Reiche kann es sich leisten, Trends und Entwicklungen in der Kultur zu bestimmen, während der Staat, demokratisch legitimiert und über eine allgemeine Steuerquelle demokratisch finanziert, für den allgemeinen Betrieb zu sorgen hat. In den 70er-Jahren wäre der heute angesprochene Stiftungsgedanke überhaupt nicht denkbar gewesen, weil man gesagt hätte: Es kann doch nicht sein, dass ein Einzelner mit so viel Geld so viel Einfluss ausübt. Die Änderung im Denken kam dadurch, dass Stiftungen eben nicht mehr altmodisch, vordemokratisch sind, sondern sich in die Bevölkerungsschichten hinein geöffnet haben. Stiftung ist nicht mehr ein Privileg der Reichen, sondern ein attraktives Modell, um breite Bevölkerungsschichten an Kultureinrichtungen zu binden und sie gemeinsam zu finanzieren. Es geht nicht um den großen Einzelstifter der muss auch da sein, der ist wichtig, aber das Faszinierende am Stiftungsgedanken ist eigentlich, dass wir ihn auch für den Normalbürger geöffnet haben. Das ist das neue Denken der letzten vier, fünf Jahre. nmz: Dazu müssen gesetzliche Grundlagen verändert beziehungsweise neu geschaffen werden. Es ist ja Ausdruck eines gesunden Demokratieverständnisses, wenn ein Bürger in der Lage ist zu bestimmen, welchem Zweck beispielsweise sein Erbe zugeführt wird. Mecking: Diese Freiheit des Bürgers steht am Anfang der Erwägungen, weil nur ein freier Bürger über sein Geld entscheiden kann. Mir scheint weniger der Aspekt wichtig, dass es auch „Normalbürgern“ erleichtert wird, Stiftungen zu errichten, vielmehr geht es darum, dass der Bürger heute Verantwortung für das Gemeinwesen tragen will. Er will selbst etwas tun und will sein persönliches Engagement nicht über Bürokratien und Mehrheitsbeschaffungsinstitutionen vermitteln lassen. Der Bürger sieht dabei, dass er heute Steuerlasten zu tragen hat, von denen er lieber etwas abschreiben würde, um die Mittel dann den Zwecken zuzuführen, die er selbst für wichtig hält zum Gelingen der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund sind der Stiftungsboom und die Renaissance der Stiftung ein deutlicher Ausdruck der Herausbildung einer Zivilgesellschaft und Ausdruck gestiegener gesellschaftlicher Verantwortung. Dass die Ermöglichung und die Verbreiterung von steuerlichen Vorteilen dabei hilfreich sein kann, auch die Herausbildung von Bürgerstiftungen begünstigt, ist dazu kein Widerspruch. Zimmermann: Wenn ich mit Stifterinnen und Stiftern spreche, kommt eigentlich immer derselbe Grundgedanke: Man will etwas zurückgeben an die Gesellschaft, die einem etwas gegeben hat, zum Beispiel die Möglichkeit, das eigene Vermögen zu erarbeiten. Gleichzeitig will man ein Stück des eigenen Lebens, der eigenen Interessen und Ziele über den Tod hinaus weitergeben. So werden dann Stiftungen gegründet, die klare Zwecke verfolgen. Und deshalb ist die Diskussion, die wir hier führen, so wichtig. Wir müssen wegkommen von dem Gedanken, der Staat müsse zwar die Grundversorgung sicherstellen, die Stiftungen aber seien nur für das kulturelle Sahnehäubchen zuständig. Nein, auch die Stiftungen müssen bereit sein, die Basis zu finanzieren. Stiftende und nicht Stiftende nmz: Der Staat müsste dann wie ein guter Psychologe loslassen können. Ist diese Vorstellung in den Hinterköpfen so vorhanden, Herr Winands? Winands: Es gibt bei vielen Stiftungsverantwortlichen in der Tat immer noch die Sahnehäubchen-Vorstellung: Stiftungen sind zuständig für das, was der Staat nicht fördern kann oder will. Man verkennt dabei, dass der Staat durch Steuerverschonung eine Subvention des Sahnehäubchens vornimmt. Diese ist unterschiedlich hoch, maximal bis zur Hälfte des eingebrachten Kapitalbetrages. Aber diese Steuerverschonung muss sich rechtfertigen lassen. Und dies fällt nicht leicht, wenn der Staat überall an Grenzen der Finanzierbarkeit stößt und die Grundversorgung kaum mehr garantieren kann, wie zum Beispiel in Berlin, wo städtische beziehungsweise von der Stadt bislang geförderte Kultureinrichtungen in ihrer Existenz bedroht sind. Wenn der Staat in dieser Situation anstreben würde, über das Stiftungssteuerrecht Aktivitäten steuerlich zu begünstigen, die allesamt keinen Beitrag zur Grundversorgung leisteten, so wäre dies nicht im Sinne des Allgemeinwohls. In der Praxis sind indes fast alle Stiftungen in die Grundversorgung einbezogen, und zwar viel mehr, als es immer auch seitens der Stiftungen dargestellt wird. Ich plädiere nachdrücklich dafür, dass Kulturstiftungen sich auch um die „normale“ Kultur kümmern und vor allem kein „verbales Exotendasein“ pflegen, weil ansonsten die Bereitschaft des Staates, das Stiftungswesen immer stärker zu fördern, nachlässt. Denn eines stimmt auch: Der nicht stiftende Steuerzahler ist gleichfalls ein „guter“ Bürger, denn wer Steuern zahlt, der deckt den allgemeinen Finanzbedarf des Staates und finanziert damit ebenfalls zum Beispiel die Kultur. nmz: Welche steuerlichen gesetzlichen Parameter galt es denn zu verändern beziehungsweise neu zu setzen, um die Gründung solcher kleinerer Stiftungen zu ermöglichen? Mecking: Was konkret geschah, ist die Erweiterung der Möglichkeiten, die Dotation von Stiftungen steuerlich stärker zu fördern. Früher war es so, dass die finanzielle Zuwendung an eine Kulturstiftung bis zur Höhe einer bestimmten Quote vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgesetzt werden konnte. 10 Prozent waren bei Kulturstiftungen möglich, das heißt, ein Stifter, der einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 100.000 Euro hatte, konnte bis zu 10.000 Euro von seiner Stiftungsdotation absetzen, sodass er letztlich, legt man den Höchststeuersatz zu Grunde, 5.000 Euro gewonnen hatte. Die Diskrepanz wird deutlich, wenn man sieht, dass eine eigenständige Stiftung in der Regel erst ab einer halben Million Euro lebensfähig sein dürfte. Deshalb ging es in dieser ganzen Diskussion darum, die steuerliche Förderung von Stiftungen zu erweitern. Das ist im Jahr 2000 durch das Gesetz zur weiteren Förderung von Stiftungen auch geschehen. Allerdings hat es die Dinge auch weiter verkompliziert. Es ist jetzt möglich, bei Gründung einer Stiftung 307.000 Euro zusätzlich anzusetzen und je nach der steuerlichen Situation des Stifters auch zu verteilen, nach seinem Antrag auf insgesamt 10 Jahre. Der Haken dabei ist, dass diese Möglichkeit nicht für Zustiftungen gilt. Das heißt, wenn der Stifter seine eigene Stiftung nach zehn Jahren stärken will, wird das steuerlich nicht entsprechend gefördert. Er müsste eine neue Stiftung errichten. Das kann nicht sinnvoll sein und so wird die Regelung sicherlich nachgebessert werden. Ferner gibt es jetzt die Möglichkeit, 20.450 Euro zusätzlich abzusetzen für weitere Zuwendungen an Stiftungen, von Jahr zu Jahr. Man sieht also: Durch diese Neuregelungen haben sich die steuerlichen Spielräume erhöht; allerdings ist das Spendenrecht noch unübersichtlicher geworden, auch steuersystematisch in gewisser Weise bedenklich. Dass der Gesetzgeber es für nötig hält, Höchstbeträge überhaupt einzuführen, zeigt ein großes Problem im ganzen Verständnis, nämlich, dass altruistisches Handeln des Bürgers nicht als grundlegende Freiheit verstanden wird, sondern immer noch als ein Privileg Wohlhabender, das der Staat begrenzen und deckeln muss. Dieser Deckel muss abgehoben werden, damit sich finanzielles bürgerliches Engagement wirklich entfalten kann. Im Grunde müssen diese gesamten Freibeträge fallen; der Staat muss eventuell hinnehmen, dass in einem bestimmten Bereich keine Steuern mehr bezahlt werden, weil das Geld ja auch für gemeinnützige Zwecke gegeben wird. Zimmermann: Hier handelt es sich um einen idealtypischen Fall von Stiftungen, um eine Stiftung des bürgerlichen Rechts, die gemeinnützige Zwecke verfolgt. Sonst dürfte der Staat auch kein Interesse daran haben, dieser Stiftung steuerlich entgegenzukommen. Ich finde, dass diese Form der Stiftung die einzige Form ist, die wirklich sinnvoll gefördert werden darf und propagiert werden sollte. In den nächsten Jahren wird sicherlich eine Debatte über das Erbschaftsteuerrecht kommen. Wir haben ja so unendlich viele Milliarden zu vererben aus einer Generation von mehr als 50 Jahren ohne Krieg, ohne Zerstörung. Wir müssen darauf achten, dass das gesellschaftliche Verhältnis, die Ausgewogenheit zwischen der eigenen individuellen Leistung von Menschen durch unverhältnismäßig große Erbschaften nicht in Schieflage gerät. Egal, welche Bundesregierung in den nächsten Jahren an der Regierung ist: Man wird die Erbschaftsteuer massiv erhöhen, um ein gesellschaftliches Gleichgewicht zu erhalten, und die Stiftungen werden, so hoffe ich, der sinnvollste und direkteste Ausweg aus dieser sehr hohen Erbschaftsteuerbelastung sein. Mecking: Jüngst fand eine Konferenz zum Thema „Nachfolgegestaltung“ statt. Der wichtigste Aspekt bei allen Referenten war die Vermeidung der Erbschaftsteuer. Es wurden die kompliziertesten und abwegigsten Modelle vorgestellt. Ich sagte in meinem Vortrag, dass es am einfachsten ist, eine gemeinnützige Stiftung ins Leben zu rufen. Winands: Wenn das Erbe auf Grund testamentarischer Verfügung in eine Stiftung eingebracht wird, fällt überhaupt keine Erbschaftsteuer an, genauso wie bei einer entsprechenden Schenkung keinerlei Schenkungsteuer zu zahlen ist. Nach der erfolgten Verbesserung des Stiftungssteuerrechts kann nun auch, wenn ein Erbe zunächst angetreten wurde, aber dann der Erbe das erhaltene Vermögen ganz oder teilweise in eine Stiftung geben möchte, die hierauf entrichtete Erbschaftsteuer wieder zurückverlangt werden. Innerhalb von zwei Jahren hat also der Erbe die Möglichkeit, den Nachlass steuerfrei in eine Stiftung zu überführen. Andererseits: Wenn man aus seinem Einkommen getätigte Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen in beliebiger Höhe, also ohne jede betragsmäßige Einschränkung steuerlich absetzen könnte, so käme dies in Konflikt mit dem grundlegenden Erfordernis, die staatliche Aufgabenerfüllung durch ausreichende Steuereinnahmen sicherzustellen. Um dies zu vertiefen: In den USA gibt es eine öffentliche Debatte darüber, ob einige private Stiftungen nicht durch ihre Finanzkraft zu starken Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung nehmen können. Wenn ich mir vorstelle, wir hätten in Deutschland eine Stiftung wie diejenige des Microsoft-Erfinders Bill Gates, ausgestattet mit 23 Milliarden Dollar Stiftungskapital, und diese große Stiftung könnte durch konzentrierten Einsatz ihrer Mittel bestimmte Kultur-, Wissenschafts- oder Forschungsbereiche dominieren, so kann es nicht richtig sein, dies auch noch durch eine Steuerverschonung in voller Höhe staatlicherseits zu unterstützen. Es bedarf daher einer Grenze der steuerlichen Abzugsmöglichkeit von Stiftungsdotationen; ab einer gewissen Grenze hat eine Beteiligung an der Finanzierung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates zu erfolgen, weil der Stifter als Mitglied der staatlichen Gemeinschaft seinen Beitrag zu dessen Handlungsfähigkeit zu leisten hat, sei es im Straßenbau, im Gesundheitswesen oder in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge. Die steuerlichen Abzugsgrenzen können, wenn dies die Situation der öffentlichen Haushalte zulässt, durchaus noch erhöht werden, zum Beispiel wie häufig gefordert auf durchgängig 20 Prozent des Einkommens, aber irgendwo muss ein Oberlimit sein, dann kommen die wohl begründeten allgemeinen Interessen des Staates. Zimmermann: Wir haben in Deutschland zwar nicht Bill Gates, aber wir haben auch große Stiftungen, die wichtige Impulse setzen. Weil die Stiftung Impulse setzt, bewegt sie natürlich auch die Gesellschaft. Wer Gutes für die Allgemeinheit tut oder zu tun glaubt, muss sich der gesellschaftlichen Auseinandersetzung stellen und damit haben die Stiftungen im Augenblick noch Probleme. Diese Diskussionen werden noch zu zurückhaltend geführt, und jede kritische Frage an eine Stiftung wird fast als Gotteslästerung betrachtet. Stiftungen sind wichtig, wir brauchen noch mehr davon, aber genau deshalb haben wir auch das Recht, die Frage zu stellen, ob das, was gemacht wird, immer sinnvoll ist. Nur so macht auch die Vorstellung nach mehr Transparenz Sinn: Es bedeutet nicht, dass Stiftungen nun alles vorlegen und neue Rechenschaftsberichtstypen erfinden müssen, sondern Transparenz bedeutet Gespräch und Verhandlungen. Medien und Stiftungsboom nmz: Das Ministerium hat schon die oft mit einem außerordentlichen Selbstbewusstsein ausgestatteten Bundesländer als nicht immer konstruktive Partner bei der Gestaltung von Kulturpolitik, und jetzt kommen auch noch solche privaten „Wuchtbrummen“, die aus ihrer Sicht anfangen, zu gestalten. Ist das vernünftig und erträglich? Mecking: Wir haben keine amerikanischen Verhältnisse. Der Anteil der privaten Finanzierung durch Stiftungen und Sponsoring bewegt sich im Kulturbereich bei fünf Prozent. 90 Prozent zahlt der Staat. Wir reden also nicht über Größenordnungen, die auch nur annähernd eine Konkurrenz zur staatlichen Finanzierung wären. Wir sehen auch gar kein Konkurrenzverhalten. Wir wollen ja gerade, dass dieser Anteil sich erhöht und nicht, dass sich der Staat aus der Finanzierungsverantwortung herauszieht. Die Kulturlandschaft in Deutschland ist ja ganz anders als in Amerika, sie ist viel breiter. Deshalb wollen wir auch nicht die ganz großen, in nationalem oder internationalem Maßstab agierenden Stiftungen propagieren, sondern auch beispielsweise Stiftungen für Kleinstädte. Allein schon die Überlegungen, das Stiftungsrecht zu reformieren, haben viel bewirkt; der derzeitige Stiftungsboom wurde auch durch die Berichterstattung in den Medien angeregt. Wenn wir im Kulturbereich eine breite plurale Struktur bekommen, mit vielen verantwortungsbewussten Akteuren, was unser Ziel ist, haben wir auch nicht das Problem der Dominanz einiger weniger. Deshalb ist es unser Interesse, auch die Steuerverschonung an Grenzen zu binden. nmz: Kann man denn aus der breiten Palette der Stifter Motive, eine Stiftung zu gründen, benennen, Herr Mecking? Was wird an Sie herangetragen im Kulturbereich? Mecking: Zunächst ist da der Aspekt des privaten Stiftens: Was tue ich mit meinem Vermögen? Was passiert damit, wenn ich nicht mehr bin? Da kommt es sehr auf die persönliche Situation an. Der typische Stifter hat häufig keine Angehörigen oder keine, denen er etwas über den Pflichtteil hinaus vererben möchte, oder er ist zu Recht der Meinung, die Angehörigen haben schon genug. Oder er hat eine Firma, die als einheitliches Unternehmen weitergeführt werden soll. In all diesen Fällen bietet sich die Stiftung als Nachfolgemodell an, insbesondere dann, wenn keine Angehörigen als Wunscherben vorhanden sind. Das ist die Frage der Vermögensweitergabe. Jetzt kommt die Frage der Idee, des Zwecks der Stiftung. Hier wird man häufig überhaupt kein einzelnes Motiv finden können, sondern eher ein Motivbündel. Die Menschen wollen Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen, sie wollen ihren Namen weitertragen über ihren Tod hinaus, sie wollen den guten Zweck der Stiftung mit ihrem Namen verbunden sehen, sie haben häufig einen Anlass, zu dem sie die Stiftung errichten, zum Beispiel einen Geburtstag, Todestag oder ein Firmenjubiläum. Häufig ist es so, dass sie durch berufliche oder persönliche Berührungspunkte auf eine bestimmte Stiftungsidee gebracht werden, etwa weil sie gemerkt haben, dass es in dem Bereich, in dem die Stiftung arbeiten soll, Defizite gibt. Was einen Stifter ganz wesentlich auszeichnet, ist, dass er nicht, wie es früher üblich war, eine Reihe von Einrichtungen vom Tierheim bis zur Caritas bedenkt, sondern sich konkrete Gedanken macht und aus der Stiftung heraus nachhaltig und dauerhaft eine bestimmte Idee verfolgt. Damit baut er verlässliche Strukturen auf. Spenden oder Erbschaften sind dagegen auch auf Grund der steuerlichen Verpflichtung zur zeitnahen Mittelverwendung schnell aufgebraucht und wenn daraus etwa Einrichtungen gebaut werden, entstehen Folgekosten, die später zu Problemen führen. Zur Motivation der Stifter Winands: Im Kulturbereich gibt es eine lange Stiftungstradition. Wer einen Kirchenaltar oder ein Kirchenbild betrachtet, findet meist den Stifter namentlich erwähnt oder sogar bildlich wiedergegeben. Im kirchlichen Bereich wurde früher sehr viel gestiftet, die Kirchen lebten von Stiftungen. Das Stiftungswesen ist in Deutschland hiervon maßgeblich geprägt worden. Ein Hauptgrund zu stiften kann doch immer wieder auf die Frage zurückgeführt werden: Was bleibt nach dem Tod übrig? Es geht durchaus verständlich vielen Stiftern darum, etwas der Nachwelt zu hinterlassen, mit seinem Namen dauerhaft etwas Gutes zu verbinden. Mecking: Gerade im kirchlichen Bereich wurde die Stiftung als Möglichkeit verstanden, sich Schätze nicht allein für das Dasein auf Erden, sondern für das Himmelreich zu erwerben. In unserer Gesellschaft geht der Trend weg von der jenseitigen hin zur diesseitigen Orientierung. Eine Stiftung muss heute und das sollte noch mehr propagiert werden zu gesellschaftlicher Anerkennung führen. Es darf nicht mehr allein nach Statussymbolen wie Haus, Auto oder Urlaubsreise gefragt werden, sondern nach gemeinnützigem Engagement, eben nach Stiftungen. Zimmermann: Man muss sich schon die Frage stellen, welche moralische Befriedigung ein Stifter selbst von seiner Stiftung hat. Ich glaube, dass Stiftungen mit zu den am positivsten belegten Strukturen in Deutschland überhaupt gehören. Ein Stifter kann heute an die Öffentlichkeit gehen und sein Tun wird als etwas Großartiges für die Allgemeinheit gewürdigt. Was wir bisher über eine Stiftung gesagt haben, dass es ein Kapital geben muss, das dauerhaft angelegt wird, dass aus den Erträgen ein für die Allgemeinheit nützlicher Zweck verfolgt wird, muss als Definition einer echten Stiftung gelten. Alles, was dieser Definition nicht zuzuordnen ist, soll nicht als echte Stiftung gelten und soll in Zukunft auch nicht mehr als solche bezeichnet werden. Das müssen wir durchsetzen, damit wir sicherstellen können, dass Menschen, die eine Stiftung gründen, auch dauerhaft von der Bevölkerung dafür geachtet werden. Winands: Gerade dieser Aspekt ist bei der soeben erfolgten Modernisierung des zivilen Stiftungsrechts berücksichtigt worden. Es gibt einen durchgreifenden Bewusstseinswandel im Stiftungswesen, der sich terminologisch im neuen Gesetzeswortlaut des Bürgerlichen Gesetzbuches widerspiegelt, indem nämlich statt von der Genehmigung einer Stiftung nunmehr von deren Anerkennung gesprochen wird. Dies ist keine Kosmetik: Es ist vielmehr eine Abkehr von einer obrigkeitsstaatlichen Terminologie und dies wird auch die Ausgestaltung der Verfahrensabläufe ändern. Genauso, wie im Steuerrecht die Anerkennung der Gemeinnützigkeit positiv besetzt ist, bringt die Anerkennung einer Stiftung über den formalen Akt der Verleihung der Rechtsfähigkeit hinaus eine Würdigung des Stiftungsengagements zum Ausdruck. Die Errichtung von Stiftungen muss im Übrigen durch die Stiftungsbehörden gefördert und unterstützt werden. Der Staat muss den stiftungswilligen Bürger noch viel stärker abholen und ihm zeigen, dass er ihm seine Hilfe, insbesondere seine Beratung anbietet. Serviceorientiertes Arbeiten hat im Vordergrund zu stehen, denn jede neue gemeinnützige Stiftung ist eine Bereicherung für unser Gemeinwesen und entlastet letztlich den Staat. Was die Berechtigung angeht, sich als Stiftung zu bezeichnen, so halte ich nichts von Scheingefechten. Nach meiner Ansicht hat im Vordergrund zu stehen, ob jemand etwas selbstlos für das Gemeinwohl tut. In welcher Rechtsform dies geschieht, ist zweitrangig: ob Stiftungs-GmbH, Stiftungs-Verein oder echte Stiftung, wichtig ist, dass es mittels dieser Organisationsformen ermöglicht wird, ein privates Vermögen dauerhaft einem gemeinnützigen Zweck zuzuführen. Eine selbstständige Stiftung ist der Kultur vielleicht am adäquatesten, doch besteht deshalb keinerlei Grund, einer Stiftungs-GmbH oder einem Stiftungs e.V. die Legitimation abzusprechen. Zimmermann: Was die Anerkennung von Stiftungen betrifft, sind wir uns ja völlig einig. Unter bestimmten Bedingungen hat ein Stifter Anrecht darauf, dass seine Stiftung gegründet werden kann – und das darf ihm der Staat nicht verwehren. Aber ich verstehe nicht, warum einerseits der Begriff Stiftung etwas Besonderes sein soll, andererseits unter dem Begriff alles Mögliche zugelassen wird. Hier ist mir die Definition zu undeutlich. Eine Stiftungs-GmbH ist einfach eine GmbH, und selbstverständlich kann der Stiftungszweck jederzeit geändert und das Stiftungskapital verausgabt werden. Dasselbe gilt für den Stiftungsverein und für all die anderen künstlich zusammengesetzten Wortgebilde. Ich glaube, dass wir dem Stiftungsgedanken damit einen Bärendienst erwiesen haben, dass es uns bisher noch nicht gelungen ist, hier sauber zu definieren. Denn wenn wir erreichen wollen, dass Menschen sicher sein können, dass auch nach ihrem Tod ihre Ziele verfolgt werden, müssen wir den Stiftungsbegriff absolut sauber halten. Natürlich kann man auch eine GmbH mit einem gemeinnützigen Zweck gründen, nur soll man sie in Zukunft nicht mehr Stiftung nennen dürfen. Es geht ausschließlich um die Begrifflichkeit. Ich kann nicht verstehen, warum man die Chance jetzt bei der Änderung des Stiftungszivilrechts nicht benutzt hat, diesen einen Schritt weiter zu gehen und den Stiftungsbegriff klar und sauber zu definieren. Ewigkeit – Veränderlichkeit Winands: Aus meiner Sicht ist es doch das wesentliche Ziel aller unserer Bemühungen, noch mehr Geld gemeinnützigen Zwecken zuzuführen. Wenn jemand, um Ihr Beispiel aufzugreifen, eine Stiftungs-GmbH gründet und deren finanzielle Mittel dann relativ schnell für die vorgesehenen gemeinnützigen Zwecke ausgegeben werden, so ist dies eine Entscheidung des Gründers, die zu respektieren ist. Solange tatsächlich das Gemeinwohl gefördert wird, hat der Staat hier keine Vorgaben zu machen. Wer eine Organisationsform wählt, trifft eine bewusste Entscheidung: gründet er eine Stiftung, hat er im Normalfall sozusagen Ewigkeitsgarantie, bei einer GmbH oder einem Stiftungsverein weiß er um die grundsätzliche Veränderlichkeit. Zimmermann: Aber in der Öffentlichkeit heißt es eben immer Stiftung, ganz gleich, ob GmbH oder Stiftung des öffentlichen oder bürgerlichen Rechtes. Die Menschen können nicht unterscheiden, ob bei dem einen das Geld verloren gehen kann oder dass die andere überhaupt kein Geld hat oder ob es sich um eine echte Stiftung handelt. Es gehört einfach zur Transparenz, etwas so zu nennen wie es ist. Und eine Stiftung ist eben nur Stiftung, wenn ein Kapital vorhanden ist, aus dessen Erträgen ein bestimmter Zweck verfolgt wird. Alles andere ist keine Stiftung. Mecking: Stiftungsgesellschaft und Stiftungsverein können in gewisser Weise auch Stiftung sein, nämlich dann, wenn sichergestellt wird, dass es sich um eine dauerhafte, nachhaltige Einrichtung handelt, für die Vermögen bereitgestellt wird, dessen Erträge gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung gestellt werden können. Das juristisch abzusichern, ist bei einer GmbH und bei einem Verein aufwändiger und schwieriger, man kann aber fast die gleichen Wirkungen erreichen. Die größten privaten Stiftungen, die wir in Deutschland haben, sind Stiftungsgesellschaften. Sie funktionieren und werden zu Recht als Stiftungen wahrgenommen, da es sich um nachhaltig tätige Institutionen handelt, die genauso agieren, wie Stiftungen typischerweise agieren sollten. Und warum haben die Stifter in den Fällen keine rechtsfähigen Stiftungen gegründet? Weil die Stiftungsbehörden im Errichtungsverfahren Schwierigkeiten gemacht haben, weil sie staatlichen Einfluss über Gebühr in diese Stiftungen hineintragen wollten. Weil dem Staat auf Grund der Erfahrungen nicht zugetraut wurde, die Aufsicht in sachgerechter Weise auszuführen. Deshalb hat man nach Wegen gesucht, die Aufsicht in der Stiftung zu halten und das war möglich über die Gesellschaftsform. Die Frage, die gestellt wurde, ist allerdings ganz berechtigt: Was bedeutet Stiftung wirklich? Und kann Stiftung nicht in verschiedenen Rechtsformen möglich sein? Es geht darum, eine leistungsfähige Struktur für dauerhaftes privates Engagement zu finden. Wenn jedoch der Staat als Stifter auftritt, stellen sich die genannten Probleme erst wirklich; denn da geht es meist um eine finanziell notleidende Einrichtung, die laufenden Zuschusses bedarf. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist freilich ein historischer Sonderfall. Die Problematik entsteht eher da, wo heute um Entlastung, Freiheit von Auflagen der öffentlichen Verwaltung zu haben Stiftungen von der öffentlichen Hand gegründet werden, die kein Vermögen haben und deren Zuschussbedarf nicht gedeckt ist. Und hier kommen wir zu dem, was Stiftung eigentlich bedeuten muss: Stiftung bedeutet Unabhängigkeit und Autonomie, auch vom Stifter. Und die private Stiftung, auch die Stiftungsgesellschaft, zeichnet sich dadurch aus, dass sie zwar vom Stifter in die Welt gesetzt wurde, aber danach ganz unabhängig vom Stifter agieren kann, und teilweise auch gegen ihn. Denn auch ein Stifter verändert sich im Laufe der Zeit, und dagegen muss die Stiftung vorgehen können; das kann sie nicht, wenn sie – wie die staatliche Stiftung – ständigen und dauerhaften externen Entscheidungen unterworfen ist. nmz: Auch die Kulturstiftung des Bundes ist im Grunde genommen eine Zuwendungsstiftung mit einem jährlichen Etat, die dann in diese Definition des Stiftungsgedankens gar nicht so richtig hineinpasst. Winands: Die Motivation für den Staat, eine Stiftung zu gründen, ist anders gelagert als bei einer Privatperson. Es steht nicht das Stiftungskapital im Vordergrund, das für die Verfolgung eines gemeinnützigen Zwecks bereitgestellt wird. Vielmehr ist es die Frage, wie die Förderung von Gemeinwohlanliegen mit öffentlichen Mitteln optimal verwirklicht werden kann. Um einem häufigen Vorurteil entgegenzutreten: Der Staat entledigt sich dabei nicht des Haushaltsrechts; jede Stiftung, die institutionell staatlich gefördert wird, untersteht dem öffentlichen Haushaltsrecht. Der Staat will im Regelfall durch die Stiftungsgründung „an der langen Hand“ fördern, er will hier nicht durch seine Behörden agieren, sondern Personen außerhalb der Staatsorganisation in Entscheidungsprozesse integrieren und damit außenstehenden Sachverstand einbinden. Des Weiteren kann er in einer Stiftung unterschiedliche staatliche Ebenen institutionell zusammenbringen. Beides ist die Idee der Kulturstiftung des Bundes. Dort sind neben Vertretern des Bundes auch solche der Länder und Gemeinden sowie Persönlichkeiten aus dem Kulturleben im 14-köpfigen Stiftungsrat. Der Bund hat in künstlerischen Fragen weder eine Mehrheit noch ein Vetorecht. Solches geht nur über die Rechtsform einer Stiftung. Und wenn wir die mittelfristige Perspektive einer nationalen Kulturstiftung – von Bund und Ländern gemeinsam getragen – sehen, so zeigt sich noch mehr, warum die Errichtung einer Stiftung auch gewählt werden kann: um etwa im Bereich der Kulturförderung, bei dem manchmal umstritten ist, was Bundes- und was alleinige Landeskompetenz ist, derartige Kompetenzstreitigkeiten partiell auflösen zu können, nämlich durch gemeinschaftliches Handeln in Stiftungsform. Elemente der Unabhängigkeit Zimmermann: Aber natürlich ist die Konstruktion, wenn man nicht über ein auskömmliches Kapital verfügt, mit dem man den Stiftungszweck erreichen kann, immer so, dass es eine unmittelbare und direkte Abhängigkeit gibt. Und natürlich muss die Bundeskulturstiftung jedes Jahr einen neuen Etat bekommen, der in politischen Gremien abgestimmt wird, durch Entscheidungen von Verwaltungen vorbereitet wird, denen gegenüber auch die Abrechnung gemacht wird. Ein ganz wichtiges Element der Unabhängigkeit, nämlich ein unverbrüchliches Kapital, über das nicht von einem Außenstehenden immer wieder entschieden wird, haben diese so genannten Zuwendungsstiftungen, zu denen auch die Bundeskulturstiftung gehört, nicht. Doch ist es sicherlich vernünftig, mit einer solchen Stiftung an den Start zu gehen, allerdings mit der Idee, das noch fehlende Kapital aufzubringen und sie zu einer richtigen Stiftung zu entwickeln. Solange sie nicht wirklich über ein auskömmliches Kapital verfügen, ist sie keine richtige Stiftung, sondern eine Zuwendungsstiftung, das heißt eine Stiftung in Gründung. Erst mit dem nötigen Kapital, als richtige Stiftung, kann sie sich emanzipieren von der öffentlichen Hand, von politischen Entscheidungen und von der Verwaltung. Winands: Das kann schon deshalb nicht richtig sein, weil ein Großteil der deutschen Stiftungen gar nicht von den Erträgen ihres Stiftungskapitals lebt. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat Statistiken über die Höhe des Stiftungskapitals vorgelegt: Nur eine Minderheit der Stiftungen hat danach so viel Kapital, dass alle ihre Leistungen aus den Erträgen bestritten werden können. Die meisten Stiftungen sind genauso wie andere gemeinnützige Körperschaften auf Spenden und sonstige Einnahmequellen angewiesen. Deshalb verlangt das reformierte Stiftungsrecht auch nur als Voraussetzung der Stiftungsanerkennung, dass die nachhaltige und dauerhafte Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheinen muss; es schreibt nicht vor, wie dies zu geschehen hat, verlangt insbesondere nicht zwingend die Einbringung eines entsprechenden Stiftungskapitals. Es ist nichts Schlechtes, wenn der Staat Stiftungen mit Zuwendungen bedenkt und dadurch deren Fördertätigkeit ermöglicht. Nur wenn er versuchen würde, mittels Stiftungen Schattenhaushalte zu bilden, wäre dies zu kritisieren. Im Kulturbereich ist die Motivation aber, wie bereits erwähnt, eine ganz andere. Vielleicht dazu auch ein Beispiel außerhalb der Kultur: Der Bundesminister des Innern bereitet derzeit mit den Dachverbänden des Sports die Gründung einer Nationalen Doping-Agentur in der Rechtsform einer privatrechtlichen Stiftung vor. Die Bekämpfung des Dopings wird übereinstimmend als eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Sportverbänden angesehen. Das Rechtsinstitut der Stiftung bietet sich hier als eine ideale Organisationsform an, um beide in eine gemeinschaftlich verantwortete und finanzierte Einrichtung zusammenzubringen. Dass nicht immer ausreichend Stiftungskapital vorhanden sein kann und muss, zeigt sich bei den Bürgerstiftungen. Keine Bürgerstiftungsinitiative ist in der Lage, schon zu Beginn so viel Kapital einzuwerben, um alle satzungsgemäßen Stiftungszwecke bedienen zu können. So ist es durchaus zulässig, zur Vermeidung späterer Satzungsänderungen von vornherein einen breiten Kanon von Stiftungszwecken festzulegen, wobei es sich allerdings empfiehlt, in der Satzung klarstellend festzulegen, welche Stiftungszwecke zunächst und welche erst bei Vorhandensein entsprechender Stiftungsmittel erfüllt werden sollen. Mecking: Wenn der Staat Stiftungen errichtet, tut er das nicht wie der Bürger aus eigener Tasche, sondern aus den Geldern der Steuerzahler. Daher hat er Schwierigkeiten, dieses Vorgehen gegenüber seinen Bürgern entsprechend zu legitimieren. Es müssen daher schon besondere Gründe vorliegen, um aus der Behördenstruktur herauszugehen und Stiftungen zu errichten. Stiftungen bilden etwa eine sehr offene und flexible Rechtsform und schaffen die Möglichkeit, auch ganz verschieden strukturierte Akteure zusammenzubinden. Wenn der Staat sich als Stifter oder Mitstifter betätigt, hat er jedoch eine Verpflichtung übernommen. Wenn er Alleinstifter ist, der keine klare und verbindliche Regelung getroffen hat, wie die Finanzierung sichergestellt werden soll und diese Aufgabe dem Haushaltsgesetzgeber überlässt, wird der Fall sehr problematisch. Man kann im Übrigen nicht sagen, dass der überwiegende Teil von Stiftungen nicht über ausreichendes Kapital verfügt. Wir gehen von einer Summe von 50 Milliarden Euro aus, die in Stiftungskapital gebunden ist, und von knapp 20 Milliarden Euro, die jährlich aus Stiftungen für gemeinnützige Zwecke verausgabt werden. Bei der Betrachtung dieser Super-Rendite muss man aber die Zusammensetzung dieser Mittel in Erwägung ziehen: Mittel, die aus öffentlichen Strukturen kommen, gehören dazu, etwa Leistungsentgelte, die zum Beispiel Stiftungen erwirtschaften, die Krankenhäuser, Heime und ähnliches betreiben, Transferleistungen aus Versicherungen und Spenden, allerdings zu einem kleineren Teil. Die meisten Stiftungen kommen mit den Erträgen aus dem Stiftungsvermögen aus, das ihnen der Stifter zur Verfügung gestellt hat, und sie können davon in der Regel leben, wenngleich sie für Zustiftungen dankbar sind. Nicht jedes Vermögen ist übrigens dazu geeignet, Stiftungsstrukturen zu tragen. Es gibt für den privaten Stifter auch die Möglichkeit, mit kleineren Vermögen in eine bereits vorhandene Stiftung zuzustiften, die seine Idee ebenfalls verwirklicht. Dann entfällt nämlich der eigene Organisations- und Verwaltungsaufwand. Mit kleineren Vermögen lassen sich auch unselbstständige Stiftungen gründen, bei denen ein Treuhänder die Verantwortung dafür trägt, dass die Erträge des Vermögens an die richtige Stelle gelangen; daraus kann, beispielsweise nach dem Tod des Stifters, auch eine rechtsfähige Stiftung werden. Es ist wichtig, dass diese Bandbreite von Möglichkeiten von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird: die Zustiftung, die unselbstständige Stiftung und die selbstständige rechtsfähige Stiftung, welche ein gewisses finanzielles Potenzial voraussetzt. Verzeichnis Deutscher Stiftungen nmz: Es gibt Kulturorganisationen, die aus gutem Grund darauf hoffen, von Stiftungen begünstigt zu werden. Wie können sie sich informieren über die unterschiedlichen Stiftungszwecke? Gibt es so etwas wie ein Stiftungsregister oder ein Stiftungszweckregister? Winands: Es gibt kein bundesweites öffentliches Stiftungsregister. Auf Länderebene gibt es Stiftungsverzeichnisse, aber nicht in jedem Bundesland und teilweise auch nur bei Darlegung eines berechtigten Interesses an der Einsichtnahme. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Stiftungsrechts hat empfohlen, künftig in jedem Land ein für jedermann einsehbares Stiftungsverzeichnis zu führen. Der Bund hat hier nach überwiegender Auffassung der Verfassungsexperten keine grundgesetzliche Regelungskompetenz. Daher musste dieser Bereich bei der bundesgesetzlichen Neuregelung des Stiftungsrechts ausgespart werden, zum Bedauern nicht zuletzt der Bundespolitik selbst. Inzwischen umfasst die Stiftungsdatenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen über 11.000 Einträge. Alle drei Jahre gibt dieser Verband ein „Verzeichnis Deutscher Stiftungen“ heraus. Darin kann man sich über die einzelnen Stiftungen informieren und insbesondere Stiftungszwecke und damit zum Beispiel potenzielle Förderer von Kulturvorhaben ausfindig machen. Die Orientierung ist allerdings recht mühsam, und dies wird sich auch durch die künftig voraussichtlich in jedem Land anzutreffenden öffentlichen Stiftungsverzeichnisse nicht ändern lassen. Zimmermann: Wir hätten gerne ein Stiftungsverzeichnis gehabt. Das Problem war, dass die Länder und auch das Bundesjustizministerium sagten, der Bund habe nach dem Grundgesetz keine Kompetenz, ein solches Stiftungsverzeichnis vorzuschreiben und zu führen. Wir müssen deshalb in der Zukunft diejenigen, die Stiftungen im Kulturbereich gründen, und diejenigen, die Stiftungsmittel brauchen, näher zusammenbringen, und das betrachte ich auch als Aufgabe für den Deutschen Kulturrat, der dabei als Börse fungieren sollte. Wir müssen für die Zusammenarbeit eine Plattform bilden, damit ein Austausch zwischen Geld und Ideen stattfinden kann. Mecking: Wir arbeiten schon seit längerer Zeit an dem Aufbau einer solchen Clearing-Stelle. Es bedeutet allerdings einen enormen Aufwand, so etwas, sinnvollerweise EDV-gestützt, aufzubauen. Auf Seiten der Stiftungen wie auch der Antragsteller müssen Seriosität und Auskunftsfreudigkeit vorhanden sein: Die Stiftungen müssen deutlich sagen, welchen Stiftungszweck sie verwirklichen und ob überhaupt noch Fördermittel für die nächsten Jahre frei sind. Die Antragsteller müssen darauf achten, welches Verfahren die jeweilige Stiftung bei der Antragsstellung vorgesehen hat. Auf beiden Seiten sind viel Aufmerksamkeit und guter Wille erforderlich; im Grunde geht es um die Herausbildung einer Antragskultur, und wenn sich Stiftungen daran beteiligen, so ist das mit viel Arbeit verbunden, weil sie die Informationen ständig auf dem aktuellen Stand erhalten müssen. Das erst führt zu der Transparenz, die wir alle anstreben. Winands: Stiftungen, die operativ tätig sind, wollen in der Regel ihre Projekte selbst entwickeln und sehen es dann gar nicht so gern, wenn an sie eine Flut von Förderanträgen gerichtet wird. Es ist daher ratsam, in der Zweckbeschreibung und mehr noch in der Außendarstellung einer Stiftung klarzustellen, ob sie als Förderstiftung, die auf Anträge wartet und reagiert, fungieren oder als operative Stiftung aktiv gestaltend wirken will. So kann falschen Erwartungen entgegengewirkt werden. Wer eine Stiftung gründen will, sollte einem Trugschluss nicht erliegen. Durch eine Stiftungserrichtung beziehungsweise die Bezeichnung Stiftung für eine Einrichtung fließt nicht automatisch Geld. Vielmehr ist es umgekehrt: Das Geld muss da sein, um eine Stiftung damit zu gründen. Auch sollte man nicht die falsche Hoffnung hegen, durch die Verwendung des Begriffs der Stiftung mehr oder einfacher Spenden einwerben zu können. Nur wer als Stiftungsinitiator interessante Ideen oder Projekte verfolgt, kann andere zum – finanziellen – Mittun begeistern. Bevor eine Stiftungsgründung konkret wird, sollte also auf Seiten des Stifters ein gewisses Grundstockkapital vorhanden sein oder, wie bei einer Bürgerstiftung, die Bereitschaft eines jeden Mitstifters, einen gewissen finanziellen Beitrag zu leisten. Zimmermann: Der Kulturbereich ist eigentlich das ideale Betätigungsfeld für Stiftungen, weil er so viele verschiedene Möglichkeiten bietet, aktiv zu werden. Er gibt jedem Stifter, ob mit kleinem oder ganz großem Kapital, die Chance, sich zu verwirklichen. Zuerst veröffentlicht in: Kulturstiftungen. Ein Handbuch für die Praxis. Herausgegeben vom Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien, Bundesverband Deutscher Stiftungen, Deutscher Kulturrat. Berlin 2002. Das Buch ist zu beziehen bei: Bundesverband Deutscher Stiftungen, Binger Straße 40, 14197 Berlin, Tel.: 030/89 79 47-0.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!