Banner Full-Size

Technologie hat die Welt der Kunst verändert

Untertitel
Wie können Schallplattenfirmen auf einen veränderten Markt reagieren
Publikationsdatum
Body
Luc Knödler ist Geschäftsführer von helikon harmonia mundi. Am Freitag, 26. September, 13.00 bis 14.30 Uhr wird Knödler mit weiteren Vertretern der Branche über das Thema „Kulturgut CD“ diskutieren. Vorab stellte ihm die nmz ein paar Fragen. nmz: Herr Knödler, nach dem Boom der vergangenen Jahre sieht die Tonträgerindustrie neuen Herausforderungen entgegen. Der Markt für Klassik-CDs scheint gesättigt. Wie reagiert helikon harmonia mundi auf die Veränderungen? Mit Repertoirepolitik oder Marketingmaßnahmen? Knödler: Unser Stammhaus harmonia mundi france ist ein weltweit bekanntes und erfolgreiches Klassik-Label. Als ein unabhängiges Label ist es in diese vorrangige Stellung gekommen durch Konzentration auf Qualität statt Quantität. Wir sind überzeugt, wenn die Qualität gut ist, nimmt auch die Quantität zu. In dieser besonderen Hinsicht geht harmonia mundi andere Wege wie die meisten größeren Labels heute. harmonia mundi konzentriert sich vorrangig auf die Künstler und das Repertoire. nmz: Auf der Klassik Komm. nehmen Sie an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Kulturgut CD“ teil. Welchen Beitrag zur Kulturförderung können und sollen Tonträgerhersteller Ihrer Ansicht nach leisten? Ich denke dabei u.a. an Ihre Reihe mit jungen Nachwuchskünstlern und Preisträgern. Knödler: Vor allem sollten wir uns von der akademischen Einteilung in E-Musik und U-Musik befreien. Wie Sie wissen, ist harmonia mundi auch in den Bereichen Jazz, Weltmusik und alternativer Pop-Musik tätig. In dieser Hinsicht möchte ich betonen: harmonia mundi führt die großen Traditionen der Musik in die Zukunft. Man kann die Genialität von jungen Instrumentalisten schon in einem sehr frühen Stadium erkennen, davon bin ich überzeugt. Dirigenten andererseits brauchen Jahrzehnte für ihre Entwicklung. Sänger brauchen auch viele Jahre, bevor sie ein hohes Niveau erreichen. So sollten wir uns dabei fragen, was „junges Talent“ tatsächlich bedeutet. Im allgemeinen brauchen sogar die sogenannten „Wunderkinder“ Zeit zur Entwicklung. Auf jeden Fall sollten diese nicht ausgebeutet werden, sondern professionelle Unterstützung erhalten. nmz: Welche Haltung nehmen Sie zum Thema Besteuerung Ihrer Produkte mit 15 Prozent Mehrwertsteuer ein? Knödler: Erlauben Sie mir, einen berühmten englischen Historiker, Eric Hobsbawm zu zitieren: „Seit den 50er Jahren hat die Technologie die Welt der Kunst verändert, wenn auch die der Pop-Musik und des Entertainments früher und vollständiger als die Welt der „hohen Kunst“ Literatur und klassische Musik gehören natürlich zu diesen „traditionellen“ hohen Kunstformen, die nicht von den immensen Veränderungen, die durch die Technologie entstanden, profitieren konnten oder wollten. Was Hobsbawm hier indirekt aufzeigt, erklärt also, warum die Politiker sich entschieden, Literatur als „hohe Kunst einzuordnen und zu verteidigen, Tonträger jedoch als ein vor allem kommerzielles Geschäft zu betrachten. Demzufolge wurde allen gedruckten Sachen ein niedriger Mehrwertsteuersatz (sieben Prozent in Deutschland) gegeben, während Tonträger einen hohen Mehrwertsteuersatz bekamen (15 Prozent in Deutschland). Folglich wird schlechteste Pornographie in einen niedrigen Mehrwertsteuersatz eingestuft, während Beethovens Neunte oder Eric Claptons brillantes Album „Unplugged“ den Höchstsatz bekommt. Ich denke dennoch nicht, daß ein niedriger Mehrwertsteuersatz dem Geschäft mit (klassischen) Tonträgern auf lange Sicht hilft. Das wäre eine „faule Ausrede“. Qualität hat immer ihren Preis, und wenn man auf einem niedrigen Mehrwertsteuersatz für Tonträger abzielt, müßte das zu noch mehr Niedrigpreiskampagnen führen, die die Gewinnspannen von Schallplattenproduzenten und Händlern stark beeinflussen würden. Andererseits darf man den psychologischen Effekt von einer Mehrwertsteuererniedrigung für Tonträger nicht unterschätzen, weil der Kunde es satt hat, alle möglichen Steuern zu zahlen. nmz: Bevor Sie Schallplatten gemacht haben, studierten Sie am Royal Music Conservatory und waren als Musikkritiker für „NRC Handelsblad“ tätig. Sie haben Bücher geschrieben sowie Radio und Fernsehsendungen produziert. Ihr biographischer „Background“ ermöglicht Ihnen einen Einblick in zahlreiche Bereiche des Musikgeschäftes. Wie schätzen Sie die Auswirkungen des drohenden Abbaus im Bereich der Musikschulen und der kontinuierlichen Reduzierung des Musikunterrichts an den allgemeinbildenden Schulen auf die Entwicklung des Klassik-CD-Marktes ein? Knödler: Neben Violine studierte ich „Musikpädagogik“ am Königlichen Conservatorium in Den Haag (nach vier Jahren Jura an der Staatsuniversität von Leiden). So arbeitete ich auch fünf Jahre als Musiklehrer an Allgemeinbildenden Schulen. Es war kein leichter Job, aber es machte Spaß, weil ich viel von den Kindern lernte – wie sie zuhörten und ihre Wahl sehr sorgfältig trafen. Die meiste Zeit bot ich ihnen Pop-Musik an. Wie Sie wissen, „Die Geschichte wiederholt sich nie, und Vergleiche hinken immer“. Wie auch immer, man sollte die Qualitäten der Erziehung der Vergangenheit jedoch nicht überbewerten. Nach den sogenannten Werten der sogenannten Vergangenheit zu streben ist ziemlich gefährlich, oder? nmz: Das Thema „Beruf Musik“ nimmt auf der Klassik Komm. breiten Raum ein. Welches „know how“ und welche Ausbildung braucht man idealerweise, um erfolgreich bei einem Tonträgerhersteller für Klassik-CDs tätig zu sein? Knödler: Drei Bereiche sind wichtig: Repertoire- und Marktkenntnisse und die sorgfältige Kontaktpflege mit allen wichtigen Zielgruppen (Endverbraucher, Händler, Medienvertreter, Geschäftspartner usw.).

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!