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Ein kühler Morgen Ende Oktober, zwei Busse mit Instrumenten und Gepäck beladen. „Zuerst bitte die Kontrabässe einladen. Und vergeßt nicht, die Zimmerschlüssel abzugeben!“ Das Deutsche Musikschulorchester ist auf Konzertreise, nach einem Konzert am vergangenen Abend macht sich das Orchester auf den Weg zur nächsten Station der Tournee. Nicht alle Gesichter können glaubhaft Munterkeit vermitteln, doch ist das für die Busfahrt ja auch nicht unbedingt notwendig.
Umso mehr sind Aufmerksamkeit und Konzentration wäh-rend der oft nur kurzen Anspielproben und natürlich bei den Konzerten wichtig. Dies gilt besonders, da sich Dirigent und Orchester Abend für Abend gemeinsam auf einen neuen Saal mit einer ungewohnten Akustik einstellen müssen. Oftmals scheint die Bühne zunächst zu klein zu sein, die Beleuchtung ist nicht ausreichend, oder Scheinwerfer blenden. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen wird jedes Konzert zu einem besonderen und unverwechselbaren Ereignis nicht nur für das Publikum, sondern auch für die jungen Musikerinnen und Musiker. Immer wieder fasziniert mich das Aufgehen eines jeden einzelnen von ihnen in der Musik, das Entstehen eines in sich geschlossenen und ungemein lebendigen Klangkörpers im besten Sinne des Wortes. Weit weg sind in solchen Momenten auch jene Gedanken, die beinahe regelmäßig zu Anfang des Einstudierens eines neuen Programmes aufkommen: Wird das denn zu schaffen sein, ist die Auswahl der Stücke gut durchdacht? Doch gerade auch diese immer wiederkehrenden Anfänge, das ständige Hinterfragen gehören zum Deutschen Musikschulorchester. So bleibt dem Ensemble ermüdende, eine das unmittelbare, natürliche Musizieren lähmende Routine erspart. Es besteht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Tradition und fortwährender Veränderung. Ermöglicht wird dies zum einen durch die langjährige, gründliche Arbeit der Dozenten mit den Stimmgruppen, zum anderen verändert sich das Orchester regelmäßig durch die jährliche Aufnahme neuer Mitglieder. So wurden auch Stücke, die schon einmal gespielt wurden und eigentlich Repertoire sind, jedes weitere Mal neu und dadurch etwas anders erarbeitet. Für mich ist es jedes Jahr wieder schön zu sehen, wie schnell die „Neuen“ in das Orchester hineinwachsen. Es entstehen Kontakte und Beziehungen, die weit über das gemeinsame Interesse an der Musik hinausgehen und oft die Zeit des Mitspielens im DMO überdauern. Die gemeinsamen Aktivitäten beschränken sich nicht auf das Erarbeiten des jeweiligen Programmes. Nach den Proben wird Kammermusik gespielt, und dank unterschiedlichster sportlicher Aktivitäten gibt es für mich dann auch den einen oder anderen Arztbesuch zu organisieren. Natürlich ist für so viele Dinge ein Tag viel zu kurz. Dies bemerke ich spätestens bei meinen allabendlichen, beziehungsweise mitternächtlichen Versuchen, für die sogenannte Nachtruhe zu werben. Daß die Ohren der jungen Musiker dafür doch oft recht taub sind, ist für mich nicht unbedingt verwunderlich. Schließlich habe ich mich fünf Jahre lang als Cellist auch nicht nur an den Proben beteiligt. Sehr gerne erinnere ich mich an meine Zeit als „Aktiver“ und weiß, daß ich viele mir sehr wichtige Erfahrungen und Erlebnisse der Gemeinschaft dieses Orchesters zu verdanken habe. Und wenn sich am Morgen des letzten Tages einer Probenphase oder einer Konzertreise nur noch schwer ein munteres Gesicht finden läßt, so kann man gewiß sein, daß alle die gemeinsame Zeit intensiv gelebt und auch erlebt haben.