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Visionen, arme Poeten und ein reitender Bote

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Neues Urhebervertragsrecht vom Bundestag verabschiedet · Ein Überblick von Thomas Tietze
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Es ist vollbracht, möchte man erschöpft aufstöhnen. Nach monatelangem Tauziehen der Verbände, besonders des Börsenvereins und des Schriftstellerverbands, und einem Medienrummel sondergleichen wurde im Januar das „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“ vom Bundestag verabschiedet. Angesichts sich ständig widersprechender Pressemeldungen fiel ein Überblick über die wesentlichen Inhalte nicht leicht. Worum ging es also wirklich?

Es begann mit einer Vision unserer Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Alle Urheber (also Autoren, Komponisten und ausübende Künstler) sollten künftig nicht mehr schutzlos den Verwertern (Verlage, Plattenfirmen, Filmproduzenten et cetera) ausgeliefert sein, sondern von nun an einen unumstößlichen Anspruch auf eine „angemessene“ Vergütung haben. Die Zeiten des armen Poeten unterm Dach sollten also ein für allemal vorbei sein. Wer bislang ein „unangemessenes“ Honorar, im Klartext zu wenig, bekam, sollte für künftige Nutzungen entsprechende Nachforderungen – auch entgegen den in einem Vertrag vereinbarten Bedingungen – stellen können, überdies einen Anspruch auf „angemessene“ Beteiligung an Einnahmen von Lizenznehmern seines direkten Vertragspartners haben und diesen Anspruch auch noch gegenüber seinem Vertragspartner, der darauf gar keinen Einfluss hat, geltend machen können. Außerdem sollte es noch ein Kündigungsrecht nach 30 Jahren für jeden Urheber geben, selbst wenn der beispielsweise nur einen neuen, zahlungskräftigeren Partner an der Angel hatte. Und obendrein sollten zwingende Tarifverträge aufgestellt werden, die von den Verwerterverbänden mit Urheberverbänden verhandelt werden sollten. Die Vertragsautonomie, ehernes Gut des Zivilrechts, wäre dahin gewesen.

Es ist vollbracht, möchte man erschöpft aufstöhnen. Nach monatelangem Tauziehen der Verbände, besonders des Börsenvereins und des Schriftstellerverbands, und einem Medienrummel sondergleichen wurde im Januar das „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“ vom Bundestag verabschiedet. Angesichts sich ständig widersprechender Pressemeldungen fiel ein Überblick über die wesentlichen Inhalte nicht leicht. Worum ging es also wirklich? Es begann mit einer Vision unserer Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Alle Urheber (also Autoren, Komponisten und ausübende Künstler) sollten künftig nicht mehr schutzlos den Verwertern (Verlage, Plattenfirmen, Filmproduzenten et cetera) ausgeliefert sein, sondern von nun an einen unumstößlichen Anspruch auf eine „angemessene“ Vergütung haben. Die Zeiten des armen Poeten unterm Dach sollten also ein für allemal vorbei sein. Wer bislang ein „unangemessenes“ Honorar, im Klartext zu wenig, bekam, sollte für künftige Nutzungen entsprechende Nachforderungen – auch entgegen den in einem Vertrag vereinbarten Bedingungen – stellen können, überdies einen Anspruch auf „angemessene“ Beteiligung an Einnahmen von Lizenznehmern seines direkten Vertragspartners haben und diesen Anspruch auch noch gegenüber seinem Vertragspartner, der darauf gar keinen Einfluss hat, geltend machen können. Außerdem sollte es noch ein Kündigungsrecht nach 30 Jahren für jeden Urheber geben, selbst wenn der beispielsweise nur einen neuen, zahlungskräftigeren Partner an der Angel hatte. Und obendrein sollten zwingende Tarifverträge aufgestellt werden, die von den Verwerterverbänden mit Urheberverbänden verhandelt werden sollten. Die Vertragsautonomie, ehernes Gut des Zivilrechts, wäre dahin gewesen. Soweit also – stark vereinfacht – die Vision unserer Ministerin. Hört sich doch eigentlich ganz gut an, denkt man. Und unbestritten ist, dass so mancher Urheber im Verhältnis zu den Gewinnen seines Vertragspartners unterbezahlt ist. War das Medienspektakel der Verwerterverbände also nichts anderes als das bei Gesetzesänderungen übliche Verbandslamento? Nein. Bei näherem Hinschauen nämlich konnte man schnell feststellen, dass dem – im Grundansatz sicher begrüßenswerten – Reformvorhaben etwas Wesentliches fehlte: Der Blick über den linken Tellerrand. Es ist nämlich keineswegs so, dass alle Urheber und ausübende Künstler automatisch gegenüber den Verwertern benachteiligt sind und permanent übervorteilt werden. Im Gegenteil, in aller Regel werden Urheber und ausübende Künstler nach branchenüblichen Sätzen an den Einnahmen beteiligt, wobei auch zu sehen ist, dass längst nicht jedes Werk ein Bestseller mit entsprechenden Einnahmen wird. Eindeutig benachteiligt waren allerdings bislang etwa die Übersetzer, die meistens lediglich ein Pauschalhonorar erhalten, dann aber – im Gegensatz zu den in der Regel prozentual am Absatz beteiligten Originalautoren – an unerwartet hohen Gewinnen nicht mehr beteiligt werden. Die meisten anderen Gruppen – Schriftsteller, Komponisten, Musiker et cetera – wurden und werden nicht üppig, aber doch sicher im Verhältnis zu den meist recht geringen Einnahmen aus den Werken „angemessen“ bezahlt, reich werden im Normalfall auch Verlag, Veranstalter oder Plattenfirmen nicht dabei. Und Groß-Schriftsteller, Erfolgskomponisten und Star-Interpreten waren ohnehin niemals wirklich von dem Gesetzesanliegen betroffen.

Angesichts all dessen drohte der Gesetzentwurf deutlich übers Ziel hinauszuschießen und den Verwertern ernste Probleme zu bescheren. Das erste Problem stellte sich nämlich schon bei der Frage nach der „Angemessenheit“ des Honorars. Wie sollte man das definieren? Die wenigsten Urheber, ob Komponisten oder ausübende Musiker, fühlen sich angemessen, also ausreichend bezahlt. Eine Flut von Prozessen über die Angemessenheit der Honorare wäre die nahezu zwangsläufige Folge, die Verwerter hätten mit enormen Kalkulationsschwierigkeiten zu kämpfen, durften sie sich doch auf die vor der Gesetzesänderung geschlossenen Vereinbarungen verlassen. Was das gerade für kleinere und mittlere Unternehmen hätte bedeuten können, liegt auf der Hand. Die Rechts- und Planungssicherheit jedenfalls wäre dahin gewesen. Und auch die alte Regel des „pacta sunt servanda“. Deswegen forderten die Verwerter, dass wenigstens die Branchenüblichkeit der Honorare zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Maßstab für den Begriff der „Angemessenheit“ dienen sollte, denn damit hätte man sich durchaus arrangieren können.

Von Realitätsferne zeugte auch die Idee, nach der künftig der unmittelbare Vertragspartner des Urhebers diesem gegenüber für alle weiteren Verwertungen innerhalb einer Lizenzkette einstehen sollte. Der aber hat die entsprechenden Gewinne überhaupt nicht erzielt, beteiligt seinen Autoren selbst „angemessen“ und müsste dann zusehen, wie er sich sein Geld bei dem Lizenznehmer wieder zurückholt. Angesichts der daraus resultierenden Bremswirkung im internationalen Lizenzgeschäft rief auch diese Regelung bei den Verwertern heftige Reaktionen hervor.

Wenig gelungen war auch der Vorschlag der Justizministerin, allen Urhebern ein Kündigungsrecht nach 30 Jahren zuzugestehen. Das betraf in erster Linie Verlagsverträge, die bislang immer für die Dauer von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers abgeschlossen wurden. Immerhin müssen gerade Musikverlage oftmals eine Menge investieren, bis ein zeitgenössisches Werk veröffentlicht werden kann (die Produktion einer Oper kann leicht 75.000 Euro kosten). Anders als im Buchbereich wird hinsichtlich der Amortisation dieser Kosten aber eher langfristig gedacht. Eine Kündigungsmöglichkeit nach 30 Jahren barg also in jedem Falle die Gefahr, dass sich die investierten Summen dann noch nicht amortisiert hatten, der Verlag somit Verluste machte. Ob sich ein Musikverlag dann noch dem Risiko der Produktion eines großen Opernmaterials ausgesetzt hätte, mag dahingestellt sein. Auch hinsichtlich der Ausschüttungspraxis der GEMA hätte diese Regelung zu großen Problemen geführt, denn im Falle von Prozessen über die Wirksamkeit einer Kündigung zahlt die GEMA die fälligen Beträge erst einmal nicht aus. Das kann Jahre dauern und so manchen kleineren Verlag schnell in wirtschaftliche Bedrängnis bringen. Wären all diese Vorschläge Gesetz geworden, wären letztlich die Urheber und ausübenden Künstler, deren Stellung eigentlich verbessert werden sollte, die großen Verlierer gewesen. Denn die Verwerter hätten sich durch eine deutlich restriktivere Publikationspraxis absichern müssen.

Aber dann kam alles anders. Nachdem die Ministerin den Gesetzentwurf kurz vor der entscheidenden Sitzung des Bundestagsrechtsausschusses nochmals – gegen alle Absprachen mit den Verwerterverbänden – deutlich verschärft hatte, entsandte der Kanzler höchstpersönlich einen reitenden Boten und veranlasste nicht nur eine Rücknahme der Verschärfungen, sondern auch darüber hinaus deutliche Abmilderungen zugunsten einer realitätsnäheren Formulierung des neuen Gesetzes. Danach gilt jetzt im Wesentlichen Folgendes:

  • Der völlig unbestimmte Begriff der „Angemessenheit“ verliert an Bedeutung, entscheidend soll vorrangig die Branchenüblichkeit (sofern sie redlich ist) der Honorare der Urheber und ausübenden Künstler zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, der damit wieder seine Bedeutung zurückerhält, sein. Nur bei fehlender Vereinbarung über das Honorar (oder auch bei fehlender Branchenübung), soll die „angemessene“ Vergütung geschuldet sein. Betroffen sind nur Verträge, die nach dem 1. Juni 2001 abgeschlossen wurden. Nachforderungen sind somit kaum noch möglich.
  • Verbände beider Seiten sind – nun allerdings eher freiwillig – gefordert, zur Bestimmung dessen, was als „angemessene“ Vergütung gilt, gemeinsame Vergütungsregeln auszuhandeln. Bei Scheitern dieser „Tarifverhandlungen“ kann eine Schlichtungsstelle angerufen werden, deren Spruch aber nicht mehr bindend ist. Was der Nutzen dieser Regelung sein soll, wird die Zukunft zeigen.
  • Nur bei einem „auffälligen“ Missverhältnis zwischen Ertrag des Werkes und der Honorierung soll nun eine Nachforderung entgegen bereits geschlossenen – also auch älteren – Verträgen möglich sein. Allerdings gilt das nur für Nutzungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes stattfinden. Innerhalb einer Lizenzkette soll sich der Urheber in einem solchen Fall künftig nur gegen den Lizenznehmer selbst, nicht aber gegen seinen direkten Vertragspartner wenden können.
  • Ein Kündigungsrecht nach 30 Jahren gibt es nicht, dafür aber – wie bisher auch – jederzeit die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund.
  • All diese Regelungen gelten sinngemäß auch für ausübende Künstler, wie Musiker, Schauspieler, Sprecher et cetera. Ebenso gelten sie für angestellte Urheber und ausübende Künstler (nicht aber Musiklehrer), wenn nicht ein Tarifvertrag eingreift.

Auch nach dem Eingriff des Medienkanzlers Schröder, der im Wahljahr wohl wenig Lust auf Krieg mit den großen Medienkonzernen hatte, gibt das neue Gesetz nur wenig Anlass zum Jubeln. Zu unbestimmt sind nach wie vor die verwendeten Rechtsbegriffe, zu unklar die praktischen Auswirkungen im Detail. Und zu unnötig war die ganze Aktion, denn man hätte mit einer Verschärfung des bislang kaum angewendeten so genannten Bestsellerparagraphen 36 des Urheberrechtsgesetzes alle bestehenden Missstände bei der Honorierung auf einfache Art beseitigen können. Stattdessen gab es eine Unmenge an einzelnen Gesetzesänderungen, von denen eine stattliche Zahl wegen erwiesener Untauglichkeit nun wieder gekippt wurde. Das im Grunde durchaus sinnvolle Reformprojekt wurde mehr oder weniger aus der Hüfte geschossen, vorherige empirische Untersuchungen über die Relevanz der Änderungen, gerade auch in Bezug auf die einzelnen Medienbranchen, gab es nicht. So bleibt für alle Beteiligten nur ein banger Blick in die Zukunft, böse Überraschungen sind nicht ausgeschlossen. Aber eines ist sicher: Die Gerichte und Rechtsanwälte werden zu tun bekommen. Und „Hau-Ruck-Herta“ (FAZ) dürfte angesichts ihres wieder einmal an den Tag gelegten Aktionismus auch im Falle eines rot-(rot-)grünen Wahlsieges um ihre Wiederernennung bangen müssen.

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