Im Sommer 2000 wurde der afrodeutsche Familienvater Alberto Adriano von drei jungen Deutschen brutal getötet. Für viele afrodeutsche HipHop-Reggae & Soulkünstler (unter vielen anderen Xavier Naidoo, Samy Deluxe, Afrob, Sékou, Torch, Denyo, D-Flame) bedeutete dieses Verbrechen den – mit Respekt formuliert – endgültigen Motivationsschub, sich zusammen und unmissverständlich gegen Rechts zu positionieren. Das Musikprojekt Brothers Keepers (BK) wurde 2001 unter Federführung von Adé Bantu gegründet, im gleichen Jahr wurde der Verein „Brothers Keepers e.V.” offiziell und mit amtlich bescheinigter Gemeinnützigkeit ins Vereinsregister eingetragen. Parallel erschien 2001 die Single „Adriano (Letzte Warnung)“, gefolgt vom Album „Lightkultur”. Ursprünglich nicht als kommerzieller Hit geplant, schaffte die Single Platz vier der Charts und stellte im Kampf gegen Rechts eine nicht unbedeutende Hilfe dar, konnte doch im Kontext der Single bundesweit klar gemacht werden, dass rechte Gewalt und der rassistische Alltag in die Schranken gewiesen werden müssen. Brothers-Keepers-Initiator Adé Bantu sprach über den Verein und die neue Platte mit der neuen musikzeitung.
Vier Jahre sind seit der Vereinsgründung und dem letzten Album vergangen. Vier Jahre, in denen bei BK gearbeitet wurde. Schnöde Vereinsarbeit. Der HipHopper als Vereinspräse. Adé Bantu grinst wissend: „Ja, aber das musste sein. Wir möchten den Opfern von rassistischen Übergriffen helfen. Als eingetragener Verein muss man Vorraussetzungen erfüllen, um diese Hilfe leisten zu können. Dazu gehörten etwadie Familie Adriano und ein junger Mann aus Äthiopien, der in einem voll besetzten Zug in Halle angegriffen wurde und von uns während der Gerichtsverhandlung betreut wurde. Ferner haben wir versucht bei den letzten Bundestagswahlen Jungwähler zu mobilisieren, besuchten in den neuen und alten Bundesländern zwischen 30 und 40 Schulen. In den neuen Bundesländern war uns das sehr wichtig, um zu erfahren, was da passiert. Wir wollten niemanden zuquatschen sondern mehr zuhören.
Als Schirmherr konnten wir Bundestagspräsident Wolfgang Thierse gewinnen“. Über eine Woche war BK in den neuen Bundesländern unterwegs und kooperierte mit den örtlichen Initiativen. „Diese Kooperation war sinnvoll, denn es sollte nicht so sein, dass wir als große Stars auftreten und wieder verschwinden“, erklärt Adé Bantu. „Die Jugendlichen erhielten durch die Zusammenarbeit mit den Initiativen eine kontinuierliche Anlaufstelle. Die Initiativen waren überwältigt vom Zuspruch und konnten enorme Zuläufe von Jugendlichen, die mitarbeiten möchten, verzeichnen.“ Doch nicht nur in der Jugend sieht BK eine relevante Zielgruppe. Man besuchte Gefängnisse, Polizeiwachen, Asylbewerberheime. Die Musiker nahmen Platten auf, spielten Konzerte, gaben Interviews, standen für Podiumsdiskussionen zur Verfügung und suchten den Dialog mit Politikern wie Lobbyisten.
Ein Mammut-Programm; noch dazu kein alltägliches Musikerprogramm (Songs schreiben, aufnehmen, touren Promotion). „Ich hatte zwischendurch kaum Zeit als Musiker zu arbeiten“, erinnert sich Adé Bantu, „denn so ein Schulbesuch geht an die Substanz. Wenn man in den neuen Bundesländern aus Angst vor Brandanschlägen in der zweiten oder dritten Etage schlafen muss, wenn man permanent mit Begleitschutz durch die Gegend läuft – selbst wenn man sich eine Pizza holt – dann wird einem ganz anders. Oder wenn Neo-Nazis vor der Schule stehen und versuchen einen einzuschüchtern, dann fragt man sich, in welchem Deutschland man eigentlich lebt.“ Adé Bantu weiß es in diesem Moment zu schätzen, dass er Mitstreiter hat. „Das Gute ist, dass man es nicht alleine erleben muss, sondern mit dem BK-Kollektiv verarbeiten kann.“ Der Zusammenhalt ist es auch, der Adé Bantu hilft, sich nicht vollends in der Vereinsarbeit zu verlieren und ihm erlaubt wieder musikalisch tätig zu werden, denn das gerade erschienene neue Album „Am I my Brother’s Keeper?“ (SonyBMG) ist wesentlicher Bestandteil des BK-Konzeptes. Man braucht die Aufmerksamkeit der Medien und der Öffentlichkeit. Und letztendlich die Finanzen, die aus diesen Verkäufen erzielt werden. Nur so bleibt es möglich, Opfern rassistischer Übergriffe bei der Übernahme der Kosten für Rechtsanwälte, psychologische/medizinische Betreuung, den Umzug in eine andere Stadt oder den behindertengerechten Ausbau der Wohnung dezidiert zu helfen. Hilfe, die immer noch notwendig ist, obwohl uns Politiker andere Fakten und Zahlen auftischen und schlichtweg verkennen, dass sich die Neo-Nazi-Szene neuer Methoden der Rekrutierung bedient und ihre Anhängerschaft nicht nur via Internet ausbaut. Dass Schulen längst ein umkämpfter politischer Kontakthof sind, dass es seit vielen Jahren einen mehr als latenten Rechtsruck in Politik und Medien gibt. Adé Bantu fügt bedrückendes hinzu: „Zeitgleich verschweigt man aus Hilflosigkeit rassistische Übergriffe, die nur dann die Medien erblicken, wenn sie mit Körperverletzungen einhergehen. Dass dazu auch Telefon-Terror gehört und immer öfter Streetworker oder Obdachlose miteinbezogen werden, nimmt doch kaum jemand wahr.“
Tatsachen, die beschämen. Untermauert von Zahlen, die uns bewusst machen, wie sehr wir die Augen verschließen und Nachrichten selektieren. Nach Angaben von BK gab es im Jahr 2004 insgesamt 551 rechtsextreme Angriffe. Die meisten dieser Gewalttaten ereigneten sich in Sachsen (146), gefolgt von Brandenburg (136) und Sachsen-Anhalt (109). Von den 551, in ihrer Intensität sehr unterschiedlichen Angriffen, waren mindestens 822 Personen direkt betroffen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelte es sich um Körperverletzungsdelikte. In den letzten 15 Jahren sind mindestens 134 ausländische, andersfarbige, andersdenkende, behinderte oder obdachlose Menschen Todesopfer von rechtsextremer Gewalt in Deutschland geworden. Sie wurden meist auf brutalste Weise getötet. 60 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges, 60 Jahre nach Ende der NS- Diktatur hält uns Brothers Keepers einen traurigen Spiegel vors Gesicht.