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Was hat die DVD, was andere nicht haben?

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Eine neue Audio-Technologie verspricht Klassik-CD-Herstellern mehr Umsatz
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Bis zu sechs Prozent Einbußen verzeichnete die Unterhaltungselektronik-Industrie im vergangenen Jahr. So nimmt es nicht Wunder, wenn die DVD zu einem der großen Hoffnungsträger für Hard- und Softwarehersteller avanciert ist. Nach Angaben der DVD-Arbeitsgemeinschaft e.V. gab es 1999 300.000 DVD-Player in Deutschland, ein Jahr später waren es 1,1 Millionen, Anfang 2002 standen bereits rund 2,8 Millionen DVD-Player in privaten Haushalten. Auch die Programmanbieter haben ihre Freude. Obwohl gegenüber der VHS-Ausstattung deutscher Haushalte nur ein Zehntel einen DVD-Player besitzt, übersteigt der Umsatz der DVDs bereits den der VHS-Kassetten. Noch kostet eine DVD etwa das Doppelte einer Kaufkassette, ob die Branche diesen Preis halten kann, steht noch nicht fest. Bei der Einführung der Compact Disc war es Ende der 80er-Jahre gelungen, den Preis für eine CD fast doppelt so hoch wie für eine LP anzusetzen.

Bis zu sechs Prozent Einbußen verzeichnete die Unterhaltungselektronik-Industrie im vergangenen Jahr. So nimmt es nicht Wunder, wenn die DVD zu einem der großen Hoffnungsträger für Hard- und Softwarehersteller avanciert ist. Nach Angaben der DVD-Arbeitsgemeinschaft e.V. gab es 1999 300.000 DVD-Player in Deutschland, ein Jahr später waren es 1,1 Millionen, Anfang 2002 standen bereits rund 2,8 Millionen DVD-Player in privaten Haushalten. Auch die Programmanbieter haben ihre Freude. Obwohl gegenüber der VHS-Ausstattung deutscher Haushalte nur ein Zehntel einen DVD-Player besitzt, übersteigt der Umsatz der DVDs bereits den der VHS-Kassetten. Noch kostet eine DVD etwa das Doppelte einer Kaufkassette, ob die Branche diesen Preis halten kann, steht noch nicht fest. Bei der Einführung der Compact Disc war es Ende der 80er-Jahre gelungen, den Preis für eine CD fast doppelt so hoch wie für eine LP anzusetzen. Was hat die DVD, was andere nicht haben? Sie macht es dem Filmfan möglich, Filme in wesentlich besserer Qualität mit Surround Sound wie im Kino zu erleben. Einziger Makel: die DVD ist zwar kopierbar, doch die Aufzeichnung von TV-Filmen wird wohl weiterhin eine Domäne der VHS-Kassette bleiben. DVD heißt Digital Versatile Disc, also vielseitige Digitalplatte, und bietet die Möglichkeit bis zu acht Stunden Filmmaterial auf eine Scheibe zu brennen. Diese enorme Speicherkapazität brachte auch Hersteller normaler Audio-CDs auf die Idee, die DVD für ihre Zwecke zu verwenden: für hochwertige Aufnahmen im Surround-Sound-Verfahren.

Die große Speicherkapazität der DVD-Audio bietet zwei große Vorzüge gegenüber der herkömmlichen CD: Eine wesentlich höhere Spielzeit und die Möglichkeit der Mehrspurigkeit. Und dies alles in einer höheren Klangqualität als eine normale Stereo-CD dies kann.

Das eigentlich Revolutionäre an der DVD, die Mehrspurigkeit, ist ein alter Traum der Toningenieure. Schon in den 70er-Jahren versuchte man – damals ohne kommerziellen Erfolg – einen Raumklang unter der Bezeichnung Quadrophonie einzuführen. Dank der Mehrkanaligkeit der DVD (5 plus 1) ist diese Klangidee heute technisch realisierbar. Jeder Kinogänger ist heute mit den akustischen Möglichkeiten von Dolby Surround vertraut.

Eine Kuriosität ist es, dass die Vorreiter der neuen Audio-DVD-Idee interessanterweise nicht die potenten Pop-Labels oder die so genannten Klassik-Majors sind, sondern kleinere Labels, die sich seit längerem in der Klassiknische mit hochwertigen Produkten gut eingerichtet haben. Und die erkannt haben, dass in der massenweisen Verbreitung von DVD-Playern, die zunächst nur für das Abspielen von Spielfilmen gedacht waren, ihre Zukunftschance liegt.

Andreas Spreer vom Stuttgarter Klassik-Label Tacet hat mit seiner Variante der Audio-DVD sicher das originellste Produkt auf den Markt gebracht. Der Tonmeister sieht mit der neuen Technologie die Chance für eine echte Aufwertung seines Metiers: Bei einer Aufname der „sechs Brandenburgischen Konzerte“ von J.S. Bach mit dem Stuttgarter Kammerorchester versetzte er beispielsweise den Zuhörer in sechs unterschiedliche Hörpositionen (siehe Abbildungen I. bis VI. oben!).

Ungewöhnliche Hörpositionen für die „Sechs Brandenburgischen Konzerte“: I. vor dem Orchester, II. unter Bläsern, III. zwischen den Streichern, IV. und V. bei den Solisten, VI. zwischen erster und zweiter Bratsche.

Spreer sieht einen klaren Unterschied zwischen seinem „Tacet-Real-Surround-Sound“ und dem herkömmlichen Surround-Sound aus der Heimkinoanlage: „Der herkömmliche Surround Sound simuliert eine Konzert-Situation, bei der Sie von hinten nur das hören, was als Echo von Wänden und Fußboden reflektiert wird. Bei uns sitzen Sie in einem neuen virtuellen Raum, der im Konzert-saal so gar nicht gegeben ist und hören von allen Richtungen gleichberechtigt Instrumente.“ Das mag künstlich, ja gewollt erscheinen, bietet dem Toningenieur aber bisher ungeahnte Möglichkeiten. Da liegt es nahe, wenn Spreer in der neuen Technologie eine Aufwertung der tonmeisterlichen Arbeit sieht: „Der Tonmeister ist bisher als Künstler gar nicht wahrgenommen worden, sondern immer nur der Dirigent und die Musiker. Beim Real-Sourround-Sound wird Klassik vom Tonmeister geradezu inszeniert!“ Werden in Zukunft möglicherweise auch für die Tonmeister GEMA-Tantiemen fällig werden? Auszuschließen ist es nicht.

Ein anderer Pionier der DVD-Technologie ist Tatsuo Nishimura, ehemaliger CEO der Unterhaltungselektronikfirma Denon. Nishimura hat sich heute ausschließlich auf DVD-Aufnahmen spezialisiert und wirkte beispielsweise bei den ersten DVD-Aufnahmen von Dabringhaus und Grimm mit. Inzwischen gründete er in Deutschland das „Nishimura-Label“, das ausschließlich Aufnahmen im DVD-A-Standard, also Audio-DVDs produziert. Seine Philosophie unterscheidet sich von der Spreers: „Aufnahmen vom Nishimura-Label sind Mehr-Kanal-Aufnahmen ohne Manipulationen mit dem Ziel, die Originalakustik einzufangen. Hierfür werden Konzertsäle und Kirchen nach dem Kriterium der besonderen Akustik oder der historischen Bedeutung des Aufnahmeortes ausgewählt. Es entstehen puristische Live-Mitschnitte, in denen das künstlerische Können der Musiker unverfälscht dem Zuhörer präsentiert wird.“

Authentisches Klangbild strebt auch Werner Dabringhaus vom Label Dabringhaus und Grimm an. Der Tonmeister hat dafür ein spezielles Aufnahme-Wiedergabeverfahren entwickelt, dass jetzt unter dem Namen „2+2+2-recording“ patentiert wird (siehe auch nmz 02/01). Dabringhaus verzichtet bei seinem Verfahren auf den Subwoofer und der Center-Speaker, wie er fürs DVD-Surround-Homekino eingesetzt wird. Die beiden frei gewordenen Kanäle benutzt er für Boxen, die senkrecht oberhalb der beiden vorderen Hauptlautsprecher positioniert sind. Dadurch erreicht Dabringhaus eine realistische dreidimensionale Wiedergabe. Der Hörer kann tatsächlich die Schallquelle exakt in einem Raum orten und ist nicht – wie bei Stereo-Wiedergabe – auf einen einzigen Hörplatz festgelegt. Dabringhaus beklagt das fehlende Engagement der großen Labels, mit deren Hilfe ein kommerzieller Durchbruch der Audio-DVD viel schneller gelingen könnte. Im Moment gehen nur die kleinen Labels ins Risiko: „Wir können dieselbe Aufnahme als Stereo-CD oder im Audio-DVD- Format herausbringen, da zwei Stereospuren immer identisch sind. Dennoch: Im Moment haben wir doppelte Kosten bei der Produktion.“

Dazu kommt eine Verunsicherung beim Konsumenten wegen der unterschiedlichen Formate. Obwohl die DVD-A-Technologie überlegen sei, setzten Sony und Philips auf das SACD-Format. Dennoch ist Dabringhaus optimistisch: „Hier ist im Moment ein goldener Streif am Horizont zu sehen: Pioneer brachte mit dem DV 747A das erste Gerät auf den Markt, das alle gängigen Formate einschließlich der herkömmlichen CD abspielen kann“. Während „normale“ Musik-DVDs, die Bild und Ton kombinierten, anfangs nur altes Stereomaterial auf dem neuen Speichermedium präsentierten, legen alle hier vorgestellten Hersteller spezielle Aufnahmeverfahren vor. Auch die Firma Naxos setzte bei ihrer neuen Produktlinie auf Mehrkanaltechnik. Dazu Wolfgang Rusco, Geschäftsführer von Naxos Deutschland: „Im Hinblick auf die sich abzeichnenden Möglichkeiten auf dem Audiosektor hatten wir bereits vor mehreren Jahren begonnen, ausgewählte Werke in superber Mehrkanaltechnik aufzunehmen. Wir planen, in Zukunft jeden Monat etwa zwei spektakuläre Titel zu veröffentlichen.“
Auch bei Audio-DVDs ist Naxos wesentlich günstiger als die Mitbewerber: kostet üblicherweise eine DVD-A etwas unter 30 Euro, kostet sie bei Naxos deutlich weniger als eine normale Hochpreis-CD, also weniger als 20 Euro.

Was aber machen die großen Klassik-Schallplattenfirmen? Verschlafen sie eine Chance? Warten sie, bis sich ein technologischer Standard durchgesetzt hat? Oder haben sie bereits eigene Produkte in Arbeit? „Die reine Audio-DVD spielt derzeit noch keine Rolle bei unseren Repertoireüberlegungen“, so die lapidare Antwort von Universal-Classics-Chef Christian Kellersmann auf unsere Anfrage. Und bei der Klassikabteilung der Bertelsmann Music Group, BMG, hieß es: „Zurzeit sind keine Audio-DVD-Produktionen geplant.“

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