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Julius Stern (1820–1883) und das nach ihm benannte Konservatorium in der Bernburger Straße. Fotos: Archiv der UdK Berlin
Julius Stern (1820–1883) und das nach ihm benannte Konservatorium in der Bernburger Straße. Fotos: Archiv der UdK Berlin
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Berliner Musikgeschichte, gegenwärtig

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Vom Stern’schen Konservatorium zum Julius-Stern-Institut der Universität der Künste
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Das renommierte Julius-Stern-Institut für musikalische Nachwuchsförderung an der Universität der Künste Berlin feiert in diesem Jahr den 200. Geburtstag seines Namensgebers: des Gesangspädagogen, Chorleiters und Konservatoriumsgründers, Julius Stern, der am 8. August 1820 in Breslau (Wroclaw) geboren wurde. Julius Stern ist ein Pionier der Berliner Musikkultur, der Wesentliches beim Aufbau der uns heute vertrauten musikalischen Infrastruktur mit hervorragenden Orchestern, Chören und Musikschulen leistete.

Stern konnte in jungen Jahren mit einem Stipendium des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. nach Paris reisen und genoss die Protektion Meyerbeers. Nach Berlin zurückgekehrt, gründete er den Stern’schen Gesangverein, eine Chorvereinigung, die jahrzehntelang neben der Sing-Akademie zu den führenden Berliner Chören gehörte. Für kurze Zeit bestand auch ein von Stern initiierter Orchesterverein. Am 1. November 1850 eröffnete Stern zusammen mit dem Musikschriftsteller und Komponisten Adolph Bernhard Marx und dem Pianisten Theodor Kullak eine Musikschule, die bald als Konservatorium der Musik firmierte.

Das junge Berliner Konservatorium erwies sich als widerstandsfähig. Es überstand die Spaltung, die dadurch eintrat, dass Kullak eine eigene Schule gründete. Damals, 1855, konnte Hans von Bülow als Lehrer für Klavier gewonnen werden. Nicht einmal die Gründung der Hochschule für Musik durch den preußischen Staat 1869 konnte den Erfolg des privaten Konservatoriums beeinträchtigen. Längst stand es unter Sterns alleiniger Ägide, und man sprach vom Stern’schen Konservatorium der Musik. Stern widmete sich mit ganzer Kraft der Leitung des florierenden Instituts, bis er sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen musste. Er starb am 27. Februar 1883; sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee.

Zwischen dem Tod Sterns und der Gründung des Julius-Stern-Instituts 1966/67 liegt fast ein ganzes, mit Ereignissen prall gefülltes Jahrhundert, in dem Sterns Erbe einem dramatischen Auf und Ab ausgesetzt war. Es weist glanzvolle Aspekte auf, geriet aber auch in die Abgründe deutscher Geschichte. Nach Sterns Tod übernahm seine Schwägerin, Jenny Meyer – also eine Frau – die Geschäftsführung; der Dirigent Bruno Walter, der das Konservatorium bereits als Achtjähriger besuchte, hat ihre strenge, aber lautere musikalische Gesinnung in seinen Memoiren „Thema und Variationen“ (1947) auf berührende Weise geschildert. 1894 ging das Konservatorium in den Besitz Gustav Hollaenders über, der es für den wagnérisme öffnete und modernisierte. Der Geiger und Komponist stammte aus einer musikliebenden Familie: Er ist der Onkel des heute bekannten Komponisten von Kabarettsongs, Friedrich Hollaender.

Nach wie vor trug das Konservatorium aber den Namen Julius Sterns, der ihm wie ein Gütesiegel aufgeprägt war. In der Ära Hollaender waren Arnold Schönberg und Hans Pfitzner als Lehrer tätig, und zu den Schülern gehören zum Beispiel der Dirigent Otto Klemperer oder die Chansonette Trude Hesterberg. Hollaender stand in engem Austausch mit Max Reinhardt. Das Stern’sche Konservatorium war seit 1899 vorteilhaft im Gebäude der Berliner Philharmonie in der Bernburger Straße 21–22 untergebracht – ein Standort, der nicht besser gewählt sein konnte.

Hollaender starb 1915, im Ersten Weltkrieg, und in der wirtschaftlich schwierigen Zeit der Weimarer Republik hatte es das ganz auf sich selbst gestellte Konservatorium nicht leicht, feierte 1925 aber selbstbewusst sein 75-jähriges Jubiläum. Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ wurde die Schule gleichgeschaltet. Ein jüdisches Mädchen wie die später in die USA emigrierte Komponistin Ruth Schonthal konnte dort bis 1935 studieren, bis die Nationalsozialisten sie relegierten. Die Inhaber, Gustav Hollaen­ders Kinder, wurden de facto enteignet. Für die nun städtisch gewordene Schule wählten die Nationalsozialisten den pompösen Namen Konservatorium der Reichshauptstadt. Die früheren Besitzer gründeten die Jüdische private Musikschule Hollaender, die nur von Jüdinnen und Juden besucht werden durfte. Ihre Leiter, Susanne Landsberg, geborene Hollaender, und Kurt Hol­laender wurden wie viele der hier Lehrenden deportiert und ermordet.

Nach 1945 bestand das Städtische Konservatorium fort; es war ein Akt der Rückbesinnung, dass nun hinzugefügt wurde: „ehem. Stern’sches Konservatorium“. Allmählich lief die Zeit der Konservatorien, die Laien- und Berufsausbildung miteinander verbanden, allerdings ab. Zur Jahreswende 1966/67 wurde das Konservatorium in die Hochschule für Musik und darstellende Kunst eingegliedert. Diese ging 1975 in der Hochschule der Künste, der heutigen Universität der Künste, auf. Was das Konservatorium allerdings ermöglicht hatte, nicht aber die Hochschule für Musik, war der Schulbesuch von Kindern und Jugendlichen. Im Zuge der Integration des Städtischen Konservatoriums wurde deshalb an der Hochschule ein Institut für musikalische Nachwuchsförderung etabliert, und auf dieses übertrug sich Sterns Erbe: Das Julius-Stern-Institut trat ins Leben.

Rund 70 Jungstudierende im Alter von 9 bis 18 Jahren werden heute am Julius-Stern-Institut ausgebildet. Die Zufälle der Geschichte haben sich auch auf die Verfassung des Instituts ausgewirkt: Hier wird neben dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule musikalische Nachwuchsförderung im universitären Rahmen betrieben. Die frühe Förderung musikalisch begabter Kinder und Jugendlicher ist heute enorm wichtig; man hat erkannt, dass die Entwicklung musikalischer Begabung einen frühen Beginn professioneller Betreuung verlangt. Seit 1998 wurde das Julius-Stern-Institut deshalb gezielt gestärkt. Von 1999 bis 2009 leitete es Doris Wagner-Dix, seit 2009 wird es von Anita Rennert geführt. Der sehr aktive Europäische Freundeskreis gibt Unterstützung. Namhafte Absolventinnen und Absolventen wie Alban Gerhardt, Viviane Hagner, Severin von Eckardstein, Helena Madoka Berg oder Gabriel Schwabe belegen die erfolgreiche Arbeit des Instituts; zahlreiche Studierende sind Preisträger nationaler und internationaler Wettbewerbe.

Im Jubiläumsjahr schauen wir aber weit zurück: auf das maßgeblich von Julius Stern aufgebaute Konservatorium, das internationalen Rang besaß. Seine Geschichte zeugt von Musikliebe, zivilgesellschaftlichem Engagement und bürgerlicher Eigeninitiative, die in Preußens Hauptstadt schon mitten im 19. Jahrhundert auf König und Staat nicht mehr angewiesen war. Das heutige Julius-Stern-Institut ist schon aufgrund seiner Aufgabenstellung – der musikalischen Nachwuchsförderung – etwas anderes als das Konservatorium. Die Bezugnahme auf Julius Stern wahrt jedoch die Stern’sche Tradition und hält ein bemerkenswertes Stück Berliner Musikgeschichte präsent.

Sämtliche Konzerte und Veranstaltungen an der Universität der Künste Berlin sind bis auf weiteres abgesagt.Darunter fallen auch die schon geplanten Jubiläumsveranstaltungen zum 200. Geburtstag Julius Sterns und zur Gründung des Stern’schen Konservatoriums vor 170 Jahren. Die UdK hofft, diese zu einem späteren Zeitpunkt nachholen zu können. www.udk-berlin.de

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