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Die Causa Stephani

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Streit über das angemessene Andenken an Gründungsrektor Martin Stephani in Detmold
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In Detmold gibt es seit Anfang November eine Causa Martin Stephani: Am 2. November jährte sich der Geburtstag des Dirigenten und Professors, der von 1959 bis 1982 Direktor der Nordwestdeutschen Musikakademie (heute: „Hochschule für Musik Detmold“) gewesen war.

In seine Amtszeit fiel die Einführung einer Kooperation mit der Gesamthochschule Paderborn und damit der Einführung eines Studiengangs Musikwissenschaft in Detmold. Als musikalischer Leiter stand er dem Musikverein Bielefeld vor und machte sich vor allem um das Landesjugendorches­ter Nordrhein-Westfalen verdient, mit dem er 13 Jahre zusammenarbeitete. Viele junge Musiker, die heute in namhaften Orchestern spielen, wurden in ihrer Entwicklung durch seine musikalische Anleitung gefördert.

Ehemalige Studenten der Musikhochschule Detmold und Mitglieder des Landesjugendorchesters NRW waren es nun auch, die auf die Musikhochschule Detmold  zugingen und ein Gedenkkonzert für Stephani anregten.

Die Hochschule hatte allerdings andere Pläne: Stephani soll Quellen zufolge zunächst als Musikreferent zur Leibstandarte Adolf Hitler abgeordnet worden und in der Folge am Aufbau und der Leitung des Symphonieorchesters der Waffen-SS beteiligt gewesen sein. Der Rektor der Detmolder Musikhochschule, Thomas Grosse, hatte kein Würdigungskonzert angedacht, sondern beauftragte mit Hans-Walter Schmuhl von der Universität Bielefeld einen auf dem Feld der Forschungen zum Nationalsozialismus ausgewiesenen Geschichtswissenschaftler mit der fachwissenschaftlichen Aufarbeitung der Rolle Stephanis vor 1945 und den Auswirkungen dieser Tätigkeit auf seine weitere Karriere. Die Beauftragung soll laut Grosse die gebotene kritische Distanz und die fachliche Qualität der Untersuchung gewährleisten.

Auf die Ankündigung, die Vita ihres ehemaligen Direktors historisch aufarbeiten zu lassen, haben nun fünf ehemalige Professoren der Hochschule mit einer Pressekonferenz reagiert. Die Form, in der das Thema von der Hochschule aufgegriffen werde, erwecke den Eindruck, dass in der Vergangenheit etwas verschwiegen worden sei, kritisierten die emeritierten Professoren Martin Christoph Redel, Richard Müller-Dombois, Michael Achilles, Friedrich Wilhelm Schnurr und Karl-Heinz Bloemeke. „Es ist nichts verschwiegen worden“, sagt Friedrich Wilhelm Schnurr, von 1982 bis 1993 Rektor der Hochschule. Er verwies unter anderem auf einen Aufsatz von Helga Bernsdorff unter dem Titel „Verstrickt und doch entlastet“ über Stephanis Leben in den Jahren 1938 bis 1948 (in: „Marburg in den Nachkriegsjahren 3“, 2006).

Laut Michael Achilles hätten er und die genannten ehemaligen Professoren Grosse vorgeschlagen, anlässlich des 100. Geburtstags Stephanis Anfang November ein Gedenkkonzert zu veranstalten, was dieser jedoch abgelehnt hatte. Grosse habe stattdessen für ein „stilles Gedenken“ plädiert.

Dazu Grosse: „Ein Konzert war zu keinem Zeitpunkt angedacht, kein einziges aktives Mitglied der Hochschule hat sich im Vorfeld dafür eingesetzt.“ Und weiter: „Wir hoffen, dass die jetzt in Auftrag gegebene historische Studie der gegenwärtigen Studierendengeneration zeigen wird, wie politische und moralische Zwänge in der Mitte des 20. Jahrhunderts gewirkt haben. An diesem konkreten, uns alle betreffenden Beispiel wird deutlich, wie der Bereich der Musik von den Zeitläufen nicht unbeeinflusst bleiben konnte und auch bis heute nicht bleiben kann.“

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