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Foto „Ruhe in Frieden“: M. Hufner
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Ein Beschluss mit Pilotcharakter

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Nach jahrelangem Streit einigen sich GEMA und YouTube auf einen Lizenzvertrag
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Die Videoplattform YouTube und die Rechteverwertungsgesellschaft GEMA haben sich nach jahrelangem Streit auf einen Lizenzvertrag geeinigt. Am 1. November 2016 haben in den GEMA-Generaldirektionen in München und Berlin vermutlich die Sektkorken geknallt: Von diesem Tag an fallen die roten Sperrtafeln weg, die Videos sind wieder abrufbar und Künstler bekommen dafür Geld. Andreas Kolb (nmz) sprach mit Dr. Tobias Holzmüller, dem Justiziar der GEMA, über die Details der lange ersehnten Vereinbarung.

neue musikzeitung: Was ändert sich für die musikalischen Urheber in Zukunft durch den GEMA/YouTube-­Deal?

Tobias Holzmüller: Der Unterschied ist ganz erheblich. Rund 70.000 ­GEMA-Mitglieder bekommen jetzt durch diesen Vertrag eine Vergütung dafür, dass ihre Werke auf der wichtigsten Musikplattform im Internet abgerufen werden. Das war bisher nicht oder nur in Ausnahmefällen der Fall.

nmz: Was ändert sich für die Nutzerinnen und Nutzer von YouTube? Haben sie jetzt Rechtssicherheit?

Holzmüller: Für die Nutzer ändert sich zweierlei: Erstens wird die Verfügbarkeit des Repertoires viel breiter, weil die Sperrtafeln von YouTube entfallen. Umgekehrt ist es so, dass – zumindest soweit die Rechte der GEMA betroffen sind – kein Uploader das Urheberrecht verletzt. Insofern herrscht Rechtssicherheit. Was die GEMA nicht einräumen kann, sind Rechte, die wir nicht wahrnehmen. Also Repertoire, welches die GEMA nicht vertritt, etwa Bearbeitungs- oder Filmherstellungsrechte.

nmz: Wie werden Sie in Zukunft nach den geheimen Ergebnissen der Verhandlung zwischen YouTube und der GEMA überprüfen können, ob die Abrechnungen korrekt sind?
Holzmüller: Wir als GEMA bekommen von YouTube regelmäßig Nutzungs- und Ertragsmeldungen. Es gibt detaillierte Regelungen im Vertrag, wie die Qualität dieser Meldungen zu sein hat. Anhand derer kann die GEMA ermitteln, wie hoch die Vergütung ist und welche Rechnung sie an YouTube­ stellt.

nmz: Zum Verteilungsmechanismus: Lassen sich die unzähligen GEMA-pflichtigen Angebote auf YouTube überhaupt korrekt zuordnen? Ist nicht zu befürchten, dass Verlage und Autoren die Abrechnungen anfechten werden, wie etwa kürzlich geschehen in der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Autoren und GEMA-Mitgliedern Bruno Gert Kramm, Stefan Ackermann und der GEMA?

Holzmüller: Zur Entscheidung des Berliner Kammergerichts kann ich mich erst äußern, wenn uns die Urteilsbegründung vorliegt. Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass eine gemeinsame Rechtewahrnehmung von Urhebern und Verlegern weiterhin möglich sein wird. Und auch weiterhin möglich sein muss, nicht zuletzt im Interesse der Urheber: Denn sonst bekommen wir über kurz oder lang ein System wie in den USA, wo der Verleger sich die Nutzungsrechte vorab einräumen lässt und dann selbst die Urheberbeteiligung in die Hand nimmt.

nmz: Wie werden die Einkünfte aus den YouTube-Lizenzen „gewertet“? Ist dazu neue Software nötig?

Holzmüller: Nein. Wir nutzen jetzt schon Software-Lösungen im Bereich anderer Streaming-Dienste wie Spotify und so weiter. Nach kleineren Anpassungen können wir mit diesem System YouTube-Meldungen verarbeiten. Da gibt es einen internationalen Meldestandard, an dem sich YouTube orientieren wird. Für unsere Mitglieder bedeutet das, dass wir eine Abrechnung erstellen können, anhand derer die Mitglieder sehen, was sie in den entsprechenden Diensten an Aufkommen haben.

nmz: Dürfen die Künstler ansehnliche Ausschüttungen von YouTube erwarten? Wieviel Cent werden pro Aufruf fällig? Welche Summen erwartet die GEMA, jährlich aus der Vereinbarung zu erzielen?

Holzmüller: Wir haben auf Druck von YouTube eine Vertraulichkeitserklärung im Hinblick auf das totale Vergütungsvolumen in den Vertrag aufgenommen. Unsere Mitglieder werden aber in ihrer Aufstellung erkennen können, was sie für die konkrete Nutzung ihres Repertoires an Erträgen bekommen.

nmz: Das Thema ist doch nur Popmusik-relevant, oder betrifft es auch E-Musik?

Holzmüller: Unsere Vereinbarung gilt für das gesamte GEMA-Repertoire. Welches Repertoire auf der Plattform konkret genutzt wird, wird man erst sehen, wenn wir die Nutzungsmeldungen haben.

nmz: Welche Nutzungsformen sind betroffen? Geht es nur um den herkömmlichen werbefinanzierten Dienst? Oder auch um den demnächst in Europa neuen Subscription-Service?

Holzmüller: Auch der Subscription-Service ist von unserer Vereinbarung abgedeckt.

nmz: Mit dem Abschluss des Deals werden bestimmte Rechtstreitigkeiten seitens der GEMA nicht mehr weiterverfolgt. Insbesondere die Frage, ob YouTube ein Content- oder ein Hostprovider ist. Welche Konsequenzen hat das?

Holzmüller: Man kann sich nicht einigen und gleichzeitig weiterstreiten. Deshalb haben wir die Gerichtsverfahren in beiderseitigem Einvernehmen beendet. Wir sind aber weiterhin der Auffassung, dass YouTube und Diens­te mit vergleichbarem Geschäftsmodell keine reinen Hostprovider sind, sondern Inhalteanbieter, die auch entsprechend verantwortlich sein sollten. Dieses Ziel werden wir auf allen Ebenen weiter verfolgen.

nmz: Es handelt sich um eine freiwillige Vereinbarung zwischen der GEMA und YouTube. Werden ähnliche Anbieter in Zukunft auch solche speziellen Vereinbarungen treffen (schon allein aus Gründen der Gleichbehandlung)?

Holzmüller: Wir werden jetzt schwerpunktmäßig andere Anbieter ins Visier nehmen. Für uns hat dieser Beschluss mit YouTube ganz klar Pilot-Charakter. Es gibt eine ganze Reihe von Diens­ten, die ein ähnliches oder vergleichbares Geschäftsmodell betreiben und unsere Mitglieder immer noch nicht für die Nutzung ihrer Werke bezahlen. Mit denen werden wir jetzt in Verhandlungen treten.

nmz: Gibt es Gespräche zwischen GEMA und anderen Verwertungsgesellschaften wie VG Musikedition, GVL und andere?

Holzmüller: Nein. Unser Deal betrifft nur das Repertoire unserer Mitglieder.

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