Vom 19. bis 25. August 2019 fand an der Johannes Gutenberg Universität Mainz erstmalig die GUSAC – Gutenberg Sound Art Academy statt. Zahlreiche international renommierte Klangkünstlerinnen, Kuratoren und Musikwissenschaftlerinnen folgten der Einladung von Peter Kiefer, Professor für Neue Musik / Neue Medien an der Hochschule für Musik und der Akademie für bildende Künste Mainz. Über künstlerische Beiträge, Installationen, Vorträge und Diskussions-Panels hinaus rundete ein Workshop-Programm unter der Leitung von Kiefer selbst, Miya Masaoka (New York) und Prof. Bernhard Leitner (Wien) die Gesamtveranstaltung ab.
Bereits bei der feierlichen Eröffnung des Symposiums in der Kunsthalle Mainz stieg man neben Begrüßungen und Danksagungen direkt in den thematischen Diskurs ein. In einer von Stefan Fricke moderierten Runde stellten Gabriele Knapstein, Leiterin des Museums für Gegenwartskunst Hamburger Bahnhof in Berlin, die Klangkünstlerin Miya Masaoka und der Architekt und Klangkünstler Bernhard Leitner ihre Arbeiten und Tätigkeitsfelder vor und diskutierten über sehr essentielle Grundfragen: Wie können wir den Begriff „Klangkunst“ in seiner Vielschichtigkeit und selbstdefinierten Pluralität in den damit verbundenen ästhetischen Herausforderungen eingrenzen? Wo stecken wir dieses Feld ab, das sich genau an der Schnittstelle von Bildender Kunst und Musik befindet? Was ist der Unterschied zwischen Klangkunst und Sound Art? Und wo kann künstlerische Forschung in diesem Feld andocken?
Da sich Klangkunst als Sparte ohnehin nicht ganz einfach verorten lässt, ist es damit verbunden alles andere als selbstverständlich, dass ein Symposium zu diesem Thema an einer Musikhochschule stattfindet. Dies ist vor allem deshalb möglich, weil Prof. Immanuel Ott, Rektor der Hochschule für Musik in Mainz, immer wieder bestrebt ist, künstlerisch innovativen Formaten Raum zu geben, die den traditionellen Rahmen einer Musikhochschule in großem Maße erweitern. Der Studiengang Klangkunst ist neben regelmäßig stattfindenden Workshop-Reihen und Tagungen ein Beispiel dafür.
Vielfältige künstlerische Begegnungen fanden nun im Rahmen der GUSAC-Klangkunst-Ausstellung statt, die sich auf den gesamten Innen- und Außenbereich der Musikhochschule auf dem Campus der Johannes Gutenberg Universität erstreckte. Die gezeigten Installationen waren integraler Bestandteil einer ganz praktischen Auseinandersetzung über Bedingungen und Herausforderungen bei der Ausstellung von Klangkunst im Allgemeinen. Damit wurde ein sehr sensibler Punkt berührt, nämlich die Frage des Raumes.
Diese schließt jenseits des metaphorischen Konzeptes von Raum und Zeit als klangdefinierendem Rahmen auch rein physikalische Aspekte von Klang, als sich ausbreitender Schall, mit ein. Denn anders als in der Bildenden Kunst können Klang-Objekte nicht immer problemlos nebeneinander ausgestellt werden. Auch der Raum als solcher ist in der Klangkunst oftmals Teil der Gesamtkomposition. In der Kombination aus auditiver Wahrnehmung und Konzept geprägter visueller Ebene, bedarf es daher nicht nur eines Ortes, an dem ein Exponat als Objekt kompositorisch Raum finden kann, sondern auch – und dies noch viel eklatanter als in der Neuen Musik – eines Raumes, der gleichzeitig die jeweils notwendigen akustischen Voraussetzungen eines Werkes erfüllen kann. Dies ist gerade im Kontext von Kunstgalerien ein durchaus komplizierter Faktor, dem auch die Räumlichkeiten der Musikhochschule in Mainz nicht immer ganz optimal gerecht werden konnten. Auch wenn die einzelnen Arbeiten des Workshop-Programms sowie der Dozierenden in respektvollem Abstand zueinander präsentiert und die Räumlichkeiten im Allgemeinen mit großer Sorgfalt ausgewählt wurden, litten die Klanginstallationen im Foyer doch darunter, dass sie sich einen Raum teilen mussten. Noch dazu weil das Foyer gleichzeitig auch der Ort für Kaffee- und Snackpausen und damit für Gespräche zwischendurch war.
Thematisch teilte sich das Symposium an den letzten beiden Tagen in zwei Bereiche auf: Der letzte Tag drehte sich schwerpunktmäßig um die Geschichte der Ausstellungspraxis von Klangkunst. Hier spielte einerseits das Reenactment als Wiederaufführung von historischen Klangkunstwerken eine Rolle und andererseits rein praktische Aspekte, nämlich sich mit der Zeit verändernde räumliche und technologische Gegebenheiten und deren Einwirkung auf künstlerische Arbeiten. Dazu stellten Linnea Semmerling, Maija Julius, Peter Kiefer und Carsten Seiffarth in Präsentationen und Diskussionsrunden ihre Positionen vor.
Am Tag davor näherte sich – nach einer theoretischen Auseinandersetzung innerhalb von Vorträgen von Helga de la Motte, Hans-Jörg Rheinberger und Salomé Voegelin – unter der Moderation von Michael Zwenzner eine Runde bestehend aus Julia Cloot, Julia Gerlach und Björn Gottstein der Überschrift „Reflexion, Institution, Experiment“. Hier wurden kuratorische Fragen diskutiert. Zum Beispiel wie unterschiedliche Klangkunst-Formate in das Framework von Neue-Musik-Festivals eingebettet werden können, besonders dann, wenn ortsspezifische Gegebenheiten wie etwa ein Schwimmbad, eine Hotelbar oder eine ehemalige Fabrikanlage essentieller Teil eines Werkes sind. Auch Budget- und Finanzierungsfragen und damit verbunden die Konservierung und Archivierung in diesem Kontext entstehender neuer Arbeiten wurden besprochen. Denn wie geht ein Musikfestival beispielsweise damit um, dass das Honorar für einen Kompositionsauftrag normalerweise keine Materialkosten miteinschließt?
Jenseits aller bisher bestehenden Komplexitäten in der Realisierung von Klangkunst-Ausstellungen im Korsett von Kunstgalerien und Musikfestivals, blickte man daher abschließend eher perspektivisch in eine Zukunft, in der sich im Idealfall neue, autonome Präsentationsplattformen für die Klangkunst eröffnen. Nach der insgesamt sehr umfassenden und künstlerisch vielfältigen ersten Ausgabe der Gutenberg Sound Art Academy bleibt zu wünschen, dass diese und weitere Fragen in einer zweiten Veranstaltung des Symposiums weiterdiskutiert und praktisch ausgelotet werden.