Dass Streichquartette sich umgruppieren, ist üblich. Anders ist dies bei Klavier-Duos. Natürlich haben sich Stars zum ad-hoc-Spiel zusammengetan, wichtiger indes waren die stabilen Formationen, nicht selten Brüder oder Schwestern, sogar Zwillinge: Vertrautheit von Kind an, womöglich genetische Parallelen, auch dieselben Lehrer dienten spielerischer Symbiose, ja reflexhafter Synchronität – wichtig bei einem „Schlaginstrument“, wo Sekundenbruchteile übers „Klappern“ entscheiden.
Doch bei Alfons und Aloys Kontarsky kam noch mehr dazu. Als sie 1955 den Münchner ARD-Wettbewerb gewannen, frappierte nicht nur die Perfektion, sondern ein neuer Pianisten-Typus trat auf den Plan: hellwach, neugierig, traditionsskeptisch, der Moderne zugewandt und darauf bedacht, gemeinsam mit den Komponisten unerhörte Möglichkeiten zu erschließen. Spricht man von „neuer“ Klaviermusik, so ist der Name Kontarsky obligat; manchmal kam noch der dritte Bruder, Bernhard, hinzu.
Virtuosität, Vitalität und mitunter explosive Kraft der Akkord-Schläge wurden ergänzt durch Lust am Experimentellen. Mit absolutem Gehör wie Metronom-Gefühl, superlativischem Gedächtnis begabt, waren sie in der Lage, die pluralistischen Perspektiven Zimmermanns („Monologe“), das extreme serielle Kalkül von Boulez’ „Structures“ umzusetzen, mit den elektronischen „Ringmodulator“-Geräten in Stockhausens „Mantra“ ko-kreativ umzugehen, die Tasten-„Blockierungen“ und Minimal-Music-Anspielungen der drei Ligeti-Stücke sinnfällig zu machen.
Ohne das Kontarsky-Duo und seine auch meta-pianistischen Initiativen wäre die Moderne ärmer. Die Tradition haben sie nicht vernachlässigt: Mozart, Beethoven (Große Fuge op. 134), Schubert, Brahms, Dvorák, Debussy, Ravel, Bartók, Strawinsky haben sie sich gleichermaßen hingegeben – und sich nicht zuletzt für Regers Kollossalwerke eingesetzt. Ihre letzte große Uraufführung war 1980 in Köln Wolfgang Rihms brodelnde „La Musique creuse le ciel“. Eine schwere Erkrankung des älteren Bruders Aloys hat dessen Pianisten-Karriere beendet. Alfons hat weiter alleine gespielt, viel Kammermusik, und in Köln, München und Salzburg als begehrter Lehrer gewirkt.
Das Engagement für die Avantgarde trat zurück, die Lust an Weiterungen allerdings blieb: In seiner schönen Aufnahme von Beethovens Diabelli-Variationen überrascht eine Facette den Kenner: Sie ist zwar gerade nicht von Beethoven, sondern Schuberts wehmütig-entrückter kleiner c-Moll-Walzer, für den gleichen Anlass komponiert. Zu recht meinte Alfons Kontarsky im Begleitheft: „Der große Luigi“ würde solcherart Anreicherungen wohl schwerlich nur grimmig missbilligen.